Zentralverband Raum und Ausstattung: Erste Pressekonferenz auf der Heimtextil

Gerjets fordert Rückkehr zum Meisterzwang

Klare Worte fand Harald Gerjets, Präsident des Raumausstatter-Verbandes, auf der Heimtextil zu den -Themen Mindestlohn, Fachkräftemangel und Meisterzwang. Als Forum diente ihm dazu die erste Pressekonferenz des ZVR auf der Fachmesse. Bei dieser Gelegenheit stellt sich auch die neue Geschäftsführerin Heike Fritsche einer breiteren Öffentlichkeit vor.

Ein Novum auf der diesjährigen Heimtextil war die Pressekonferenz des Zentralverbands Raum und Ausstattung (ZVR). Präsident Harald Gerjets und die neue Geschäftsführern Heike Fritsche stellten sich den Fragen der Journalisten und nutzten die Gelegenheit, Einblick in die aktuelle Situation der Mitglieder zu geben und ihre Vorstellungen von der Zukunft des Verbandes zu erläutern.

Zu Anfang umriss Fritsche den Status quo der Branche: Zwischen 2001 und 2013 hatte sich die Zahl der Raumausstatterbetriebe nahezu verdreifacht; der entscheidende Impuls dazu kam 2004 mit dem Wegfall des Meisterzwangs. In der Folge wurden hauptsächlich Ein-Mann-Betriebe ohne Meister gegründet, so Fritsche. Deren Wegfall und die Zusammenlegung von Betrieben dürfte 2014 dafür gesorgt haben, dass die Anzahl der Firmen leicht rückläufig sei - bei allerdings stabilen Beschäftigtenzahlen.

Mehrheit der Raumausstatter ist zufrieden

Die aktuellsten verfügbaren Zahlen des Statistischen Bundesamtes weisen für 2011 einen Umsatz der Raumausstatter von rund 7,5 Mrd. EUR aus - allerdings inklusive der Sonnenschutzbetriebe sowie Parkett- und Estrichleger. Daneben stellte Fritsche die Auswertung des ZVR-Konjunkturmonitors 2014: Danach verteilt sich der Umsatz der Raumausstatter auf die Arbeitsfelder Dekorationen und Polstern mit je 21 % sowie Sonnenschutz und Bodenlegen mit je 24 %. Die restlichen 10% wurden in den Bereichen Wand/Decke und Sonstiges erzielt. Für 2015 erwartet die Branche insbesondere bei Rollladen und Sonnenschutz steigende Umsätze.

60 % der Umsätze machen die Raumausstatter mit privaten Auftraggebern, 22 % mit der gewerblichen Wirtschaft, den Rest zu gleichen Teilen mit öffentlichen Auftraggebern sowie der Wohnungs- und Gebäudewirtschaft. Wachstum wird im neuen Geschäftsjahr insbesondere von den ersten beiden erwartet.

Hinsichtlich der aktuellen wirtschaftlichen Lage bezeichnen 47,5 % der Unternehmer diese als "gut", 45,5 % als "befriedigend" und nur 7 % als "schlecht".

Weniger Meister bedeuten auch weniger Azubis

Zu den Themen Rückführung der B1-Gewerke in die Anlage A der Handwerksrolle, Fachkräfteoffensive und Mindestlohn fand ZVR-Präsident Harald Gerjets klare Worte: "Damit Handwerk weiterhin goldenen Boden hat, müssen wir an der Dreigliedrigkeit unserer Ausbildung festhalten. Ohne den Meisterzwang werden wir in Deutschland dem Fachkräftemangel nicht begegnen können. 95 % der Ausbildung im Handwerk findet in Berufen der Anlage A statt - die Folge ist, dass die B-Berufe über kurz oder lang aussterben."

Mit der Novellierung der Handwerksordnung und dem Wegfall des Meisterzwangs hatte sich die Politik einen Anstieg der Betriebszahlen und vor allem Beschäftigungszuwachs erhofft. Dies schien sich zunächst zu bestätigen. Die Probleme zeigten sich einige Jahre später: Die Zahl der Anmeldungen bei den einzelnen Handwerkszweigen stieg, allerdings bei sinkenden Beschäftigungszahlen - insbesondere bei Auszubildenden und Meistern. Inzwischen hat sich die Zahl der Meisterabschlüsse halbiert. "Wir brauchen mehr Auszubildende und Ausbildungsbetriebe, und das ist nur mit mehr Meistern im Raumausstatter- und Sattlerhandwerk möglich", betonte der Präsident.

Trotz der alarmierenden Zahlen wird von Seiten der EU weiter auf eine Lockerung des Handwerksrechts in Deutschland gedrungen. Hier forderte Gerjets die Politik auf, sich klar für die duale Ausbildung und die Meisterausbildung im Handwerk zu positionieren.

Der ZVR steht zu der Forderung, das Raumausstatterhandwerk in die Meisterrolle zurückzuführen sowie zu der damit verbundenen handwerklichen Ausbildung. "Mehr Meister bedeutet gleichzeitig eine steigende Zahl von Fachkräften, nur so kann eine deutliche Qualitätssteigerung der Leistungen erreicht und damit dem Anspruch der Kunden nach Individualität in Kombination mit Qualität - also Fachleistung - entsprochen werden", so Gerjets. Ziel des Verbandes sei es, die Attraktivität des Berufs Raumausstatter zu steigern, damit sich wieder mehr junge Menschen für dieses Handwerk interessieren.

Mindestlohn: ja, aber

Der Gewinnung von Fachkräften und Auszubildenden komme der zum 1. Januar 2015 eingeführte Mindestlohn entgegen. "Eine Branche, die Facharbeit honoriert, wird auch mehr Auszubildende und Mitarbeiter finden", ist Harald Gerjets überzeugt. Gute Fachkräfte würden im Raumausstatterhandwerk schon heute deutlich über dem Mindestlohn bezahlt. Eine Entlohnung von 8,50EUR brutto je Zeitstunde für Aushilfen und ungelernte Einsteiger sei jedoch zu hoch. "Hier stimmen Leistung und Bezahlung nicht überein."

Außerdem beklagen die Unternehmen die gestiegenen bürokratischen Auflagen in Form verschärfter Aufzeichnungspflichten. Der ZVR fordert vom Gesetzgeber, hier Abhilfe zu schaffen.

Gerjets kritisierte zudem, dass Ein-Mann-Betriebe nicht an den Mindestlohn gebunden sind. Gegen eine solche Konkurrenz im zulassungsfreien Handwerk, wo man sich ohne Qualifikation einfach selbständig machen kann, werde kaum ein Gewerbebetrieb langfristig bestehen können. In Verbindung mit dem fehlenden Meisterzwang fallen Scheinselbständige und Kurzzeitunternehmer durch das Raster der staatlichen Kontrollen und bieten verbilligt Leistungen an. Inwieweit diese qualitativ hochwertig seien, lasse sich schwer einschätzen.

Um die Qualität der Arbeit zu steigern, hat der ZVR seinerseits zusammen mit dem Sachverständigenverband BSR das "Forum Wissen" aus der Taufe gehoben. Mit wechselnden thematischen Schwerpunkten soll es den Mitgliedern aktuelle praxisrelevante Entwicklungen nahe bringen und den Blick für Themen der Partnerbranchen öffnen. Am Stand des ZVR auf der Heimtextil ging es um Sonnenschutz. Die Resonanz der Teilnehmer an den Vorträgen war durchweg positiv.
aus BTH Heimtex 02/15 (Wirtschaft)