Eine kleine Orient-Warenkunde

Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?


Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?"mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserem Ratespiel in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln: Die ausführliche Auflösung der Fragen folgt gleich in der nächsten Ausgabe. Sie finden daher jetzt auch die Auflösung der Fragen aus der letzen Ausgabe.

Patchwork: Ein aus Stücken zusammengesetzter Teppich


Bis vor einigen Jahren kamen einem bei dem Wort Patchwork (engl. "patch" für Flicken) amerikanische Decken in den Sinn, die aus unterschiedlichen Stoffflicken kunstvoll zusammengesetzt werden. Doch dies hat sich durch den Siegeszug eines Teppichdesign-Trends gründlich geändert. Patchworkteppiche wurden vor gut zehn Jahren in der Türkei erfunden. Ein Istanbuler Anbieter trägt wesentlich den Verdienst an dem Konzept, aus zerschlissenen türkischen handgeknüpften Teppichen, die guten Stellen herauszuschneiden und diese zu neuer, abgepasster Ware zusammenzusetzen. Ursprünglich suchte man sorgfältig nach Stücken, die farblich und von der Musterung her harmonierten, die Nähte waren robust und die Rückseiten hinterfüttert. So bekam orientalische Volkskunst ein zweites - modisches - Leben. Die neuen Teppiche wurden auf der Domotex angeboten und trafen auf den Zeitgeist. "Upcycling" (aus dem Englischen up für "hoch" oder "auf" und recycling für "Wiederverwertung" oder "Wiederaufbereitung") war und ist in. Abfall war nicht mehr Müll, sondern wurde als Rohstoff für neue Produkte angesehen und verwendet.
Die Idee wurde vielfach kopiert und verselbstständigte sich immer mehr als reine Einrichtungsmode ohne künstlerischen oder ideologischen Inhalt. Heute werden die Teppiche für die Patchworks sogar extra zum Zerschneiden geknüpft, farblich unpassende Stücke gebleicht und überfärbt. Es gibt sogar Varianten, die als vollständige neue Teppiche an einem Stück geknüpft werden. Auch die Maschinenweber haben das Thema aufgegriffen und haben Teppiche mit Patchwork-Optik im Programm.


Buchara: Teppichprovenienz mit turkmenischem Ursprung


Buchara klingt nach geheimnisvollem altem Orient und bildungsbürgerlicher Gediegenheit und bezeichnet - etwas missverständlich - eine Teppichprovenienz turkmenischen Ursprungs. Die Bezeichnung Buchara hat sich zum Markennamen für alle Teppiche mit turkmenischen Mustern entwickelt. Den Anfang machten die Hauptteppiche der turkmenischen Nomadenstämme. Diese kamen Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts in Mode und wurden wegen ihrer strengen, ruhigen, "männlichen" Ausstrahlung gerne in europäische Herrenzimmer und Bibliotheken gelegt. Die Teppiche haben eine tiefrote bis bräunliche Grundfarbe und ein Feldmuster mit regelmäßig angeordneten kleinen Musterdetails, die Göl oder Gül genannt werden.

Buchara war ein Emirat an der Seidenstrasse im heutigen Usbekistan, das 1868 vom zaristischen Russland erobert wurde. Die Stadt selbst war nicht als Produktionsort von Teppichen bekannt. Es war vielmehr zentraler Handelsort und Sammelstelle für nomadische Knüpfteppiche von unterschiedlichen turkmenischen Stämmen, wie den Tekke, Ersari, Yomud, Salor oder Saryk. Die turkmenischen Stämme begannen ab den 1870er-Jahren für den Handel zu produzieren. Ihre Teppiche wurden aber meist nicht nach Stämmen unterschieden, sondern wurden unter dem Label Buchara zum Exportschlager. Vom Sammelplatz aus wurden sie mit der Transkaspischen Eisenbahn (seit 1899 Zentralasiatische Eisenbahn) nach Krasnowodsk transportiert, einem Hafen am Kaspischen Meer, um über Russland in die westliche Welt gehandelt zu werden. Auch heute noch bezeichnet man Knüpfteppiche mit turkmenischem Muster, egal ob sie in Afghanistan, Pakistan oder Indien geknüpft wurden als Buchara.


100 Knots: Feine Knüpfeinstellung bei Nepal-Teppichen


In den verschiedensten Teppichprovenienzen gibt es die unterschiedlichsten Bezeichnungen für die Knüpfeinstellung, also für die Zahl der Knoten pro Quadratmeter. Um die Knüpfdichte zu bestimmen, werden auf der Teppichrückseite die einzelnen Knoten in einem festgelegten Maß in Längs- und in Querrichtung gezählt und multipliziert. Je nach Provenienz kann die Einheit variieren.

In Nepal wird die Knüpfdichte für die mit dem tibetischen Knoten geknüpften Teppiche in Knots angegeben. Am gebräuchlichsten im Teppichhandel sind die Knüpfeinstellungen 60, 80 oder 100 Knots. Das bedeutet, dass pro Quadrat-Zoll (1 Zoll in Kett-Richtung und 1 Zoll in Schuss-Richtung) 100 Knoten geknüpft wurden. Das entspricht etwa 155.000 Knoten auf den Quadratmeter. Nur wenige Anbieter liefern noch Nepalteppiche mit "echten" 60, 80 oder 100 Knots. Marktüblich sind heute andere Dichten: 60Knots-Teppiche haben meist 46.000 bis 60.000 Knoten/m2, 80 Knots-Teppiche 80.000 Knoten/m2 und 100 Knots-Teppiche haben eine Dichte von 100.000 Knoten/m2.


Mina Khani: Klassisches Allover-Muster


Das Mina Khani oder auch Mina Chani ist ein Muster, das in der persischen Knüpftradition als Allover-Dessin verwendet wird. Innerhalb des Innenfelds breiten sich in versetzten Reihen quadratisch oder rechteckig angeordnete Blüten-Gruppen aus. Vier Blüten sind rasterartig um eine unterschiedlich gestaltete fünfte Blume angeordnet. Betritt man das Feld, steht man auf der Blumenwiese eines Gartens oder im übertragenen Sinne im Paradies.

Das Dessin findet man bei antiken Teppichen vor allem in kaukasischen und persischen Provenienzen, wie zum Beispiel bei Veramin, Tabriz, Ferahan und Karabagh. Bei den kleinen Belutschteppichen ist Mina Khani ebenfalls ein typisches Ornament.

Heute sind im Einrichtungsbereich Teppiche mit einem Allover-Dessin besonders beliebt, weil sie anders als Medaillon-Teppiche kein Zentrum haben und sich vielfältiger einsetzen lassen. Neben dem Herati-Dessin ist Mina Khani heute bei den Orientteppichen am beliebtesten.
aus Carpet Magazin 01/15 (Teppiche)