Holzwerkstoffplatten-Symposium

Holzwerkstoffindustrie setzt auf neue Verfahren

ParkettMagazin begleitete das 9. Europäische Holzwerkstoffplatten-Symposium in Hannover. Rund 160 Teilnehmer aus aller Welt diskutierten dort in der zweiten Oktoberwoche 2014 die Zukunftsfähigkeit der Holzwerkstoffindustrie. Deren Produkte haben in Europa Marktanteile verloren. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt, erklärte Ladislaus Döry, Präsident des Europäischen Holzwerkstoffverbandes, steht ein Rückgang von 15,5 % auf 15,1 % zu Buche.

Der Holzverbrauch steigt. Vermag die Natur mitzuhalten? In Brasilien wird Tropenholz durch Brandrodung sinnlos vernichtet. In Chile werden 28 % der Energie aus Holzresten gewonnen. Beide Länder gelten trotzdem als die größten Waldbewirtschafter in Südamerika. Und in Europa? Auf über 600 Mio. m3 Holz wird der Verbrauch bis 2030 ansteigen. Heute liegt er noch unter 500 Mio. m3. Sägewerke, Papierindustrie und Plattenhersteller sind die größten Nutzer. "Spätestens 2025 kommt es zu einem Versorgungsengpass", meint Peter Meinlschmidt vom Fraunhofer WKI. Holz dürfe deshalb nicht nur einmal genutzt werden. Wiederverwendung ist gerade für Holzwerkstoffplatten das Gebot der Stunde. Laut Statistik nutzen Deutschland und Österreich schon heute 34 % bzw. 35 % recyceltes Holz. Noch besser sei die Situation in Großbritannien (53 %) und Italien (95 %).

In Deutschland wird Abfallholz in vier Kategorien eingeteilt: A1 steht für natürliches, unbehandeltes Holz. In A2 eingestuft wird Holz ohne Imprägnierung, aber belastet mit Klebstoff, Farben, Lack oder ähnlichen Beschichtungen. A3 kennzeichnet mit organischen Verbindungen (PVC) beschichtetes, nicht imprägniertes Holz, unter A4 wird mit Holzschutzmitteln getränktes Holz zusammengefasst. Holz der Gruppen A3 und A4 darf nicht in der Plattenindustrie verwendet werden.

Um Abfallholz einer geeigneten Verwendung zuzuführen, muss es sortiert und von anderen Stoffen getrennt werden. Eisen, Glas, Sand und andere Bestandteile kann die industrielle Sortierung bereits heute auswerfen. Die neue NIR-Spektroskopie kann noch mehr. Sie ist in der Lage, rohes Holz von bemaltem Holz zu unterscheiden, ebenso Spanplatten von beschichteten Platten. Auch mit organischen Schutzmitteln behandelte Hölzer werden erkannt. Zusätzlich lässt sich die Holzfeuchte beurteilen. Sogar die Trennung von Holz und Kunststoff bei WPC-Verbundstoffen ist möglich. Und mit der zusätzlichen Röntgenfluoreszenz-Methode sind auch alle anorganischen Holzschutzmittel zu entdecken. Im Versuch, so Peter Meinlschmidt, konnten mit PCP und Kupfer getränkte Spanplatten zu 99 % sortenrein recycelt werden.

Formaldehyd Anteile weiter senken


Ein ständiger Kampf gilt dem Formaldehyd - weltweit. Als Bindemittel ist es in Holzwerkstoffplatten vorhanden - in Form von Melamin-Harnstoff-Formaldehyd (MUF), Melamin-Harnstoff- Phenol- Formaldehyd (MUPF) und dem gesundheitlich risikoärmeren Phenol-Formaldehyd (PF). Sogar Russland plant, bei Holzwerkstoffen immer weniger Formaldehydgehalt zuzulassen. Doch Mess-Methoden sind nicht standardisiert. Selbst Europa und USA nutzen unterschiedlich große Prüfkammern. Tobias Schripp vom Fraunhofer WKI: "Wir wissen nicht einmal den exakten Wert unserer eigenen Testkammer. Es fehlt die gesicherte Referenz." Bisher wird ein Formaldehydgehalt im Ringversuch von verschiedenen Labors ermittelt. Der Durchschnittswert aller Labortests gilt dann als Ergebnis. Sind die Abweichungen zwischen den Laborresultaten jedoch zu groß, gilt der Test als gescheitert. Deshalb versucht die Wissenschaft, bessere Prüfmethoden zu entwickeln. Das Problem: Je niedriger die Emission und damit die zu messende Menge, desto schwieriger der Verfahrensablauf.

In Deutschland gilt ein gesetzlicher Formaldehyd-Grenzwert in der Raumluft von 0,1 ppm. Wer Platten ins Ausland liefert, muss sich über dort geltende Werte kundig machen. In den USA will man die kalifornische Regelung (CARB) mit einer nationalen Regelung harmonisieren. Der Prozess läuft seit 2011, ist derzeit eingefroren und könnte 2016 zum Abschluss kommen. Auf nationaler Ebene ist die amerikanische Umweltschutzagentur (EPA) beauftragt, bis Anfang 2015 Leitlinien für Emissionsgrenzwerte von Holzwerkstoffplatten festzulegen. Nicht verlassen sollten sich Exporteure auf das Gesetz zur Kontrolle giftiger Substanzen (TSCA). Es wird von einigen US-Staaten als kaum noch verbrauchergerecht angesehen.

Lignin als Bindemittel-Ersatzstoff


Weil sein Siedepunkt unter 50 Grad C liegt, ist Formaldehyd chemisch kein VOC (flüchtige organische Verbindung), sondern ein VVOC (sehr flüchtige organische Verbindung). "Immer weitere Reduktion von Formaldehyd wird keinen messbaren Einfluss auf die Gesundheit haben", meint David Harmon, technischer Manager des amerikanischen Chemie-Konzerns Momentive. Trotzdem sucht man weiter nach vermeintlich "gesunden" Rohstoffen. Etwa als Bindemittel für Holzwerkstoffplatten das Lignin. Dieser 100 % natürliche Holzinhaltsstoff ist ein Abfallprodukt der Papierherstellung. Rund 1 Mio. t Lignin produziert der finnische Holzverarbeiter UPM pro Jahr. Ausreichend vorhanden wäre der Stoff also. Aber erfüllt er auch seinen Zweck? "Noch ist bioraffiniertes Lignin nicht kommerziell verfügbar", sagt Christian Hübsch von UPM Biochemicals. "Es gibt aber das so genannte Kraft Lignin, das vor kurzem als UPM Bio Piva 238 auf den Markt gekommen ist."

Bezüglich der Eigenschaften kommt es darauf an, aus welchem Holz das Lignin gewonnen wird. Als Klebstoff beim Pressen von MDF-Platten kann es das erbgutschädigende und krebsverdächtige Phenol ersetzen, zumindest teilweise. Versuche hat das griechische Chemieunternehmen Chimar Hellas gemacht, das Harze und Klebstoffe für die Plattenindustrie entwickelt. Auf industrieller Ebene konnte Lignin bereits 50 % des Phenol-Verbrauchs in zwei Spanplattenwerken substituieren. Im Laborversuch gelang dies auch bei HPL-Platten, während bei Spanplatten der Phenol-Ersatz sogar auf 75 % gesteigert werden konnte. Das Potenzial als wirksames Bindemittel besitzt Lignin ohne Frage. Die technische Anwendung steckt aber noch in den Anfängen.

OSB-Platten als Fußböden


5,2 Mio. m3 OSB-Platten wurden 2012 in Europa produziert - in vier Jahren ein Plus von 15 %. Teilmengen davon werden auch als Fußboden eingesetzt. "Entwicklungen haben hier zu Bindemitteln geführt, die gute mechanische Eigenschaften ergeben und der Emissionsklasse E1 angehören", erklärt Georges Francis vom belgischen Unternehmen Advachem. So entsteht eine OSB-Platte im Kern mit dem feuchtebeständigen Bindemittel PMDI (Polymeres Diphenylmethandiisocyanat) und in der Top-Schicht mit dem Bindemittel MUF (Melamin-Harnstoff-Formaldehyd). Die Dosierung von MDI (Isocyanat) liegt bei der Verwendung von OSB als Bodenplatte mit über 5 % höher als bei den OSB-Plattentypen 2, 3 und 4. Zum Vergleich: V-100-Spanplatten und HDF-Platten für Laminatfußboden haben in der Regel einen MDI-Gehalt von 4-6 %.

Warum überhaupt benutzt man MDI-Isocyanat in Holzwerkstoffplatten? Dazu Jan Stroobants vom belgischen Chemieunternehmen Huntsman: MDI verbessert die physische Struktur des Holzes, toleriert ein breites Spektrum von Presstemperaturen und Holzfeuchtigkeiten und vergrößert den Anwendungsbereich einer Holzwerkstoffplatte.

Qualität der Holzfaser


Ein wichtiger Aspekt für die Herstellung unterschiedlicher Holzwerkstoffplatten ist die Qualität der Holzfaser. Aber wie lässt die sich prüfen? Bis dato gibt es keine quantifizierbare Methode. Jeder Hersteller verlässt sich auf die Erfahrung seiner Fachleute. "Die Herausforderung zur Messung der Faserqualität ist die Vereinzelung der Fasern", erklärt Martin Ohlmeyer vom Hamburger Thünen Institut. Das wird heutzutage in einer Flüssigkeit gemacht, bleibt aber nicht ohne Probleme.

Effizienter produzieren


Holzwerkstoffe immer effizienter zu produzieren, ist Sache der Maschinenhersteller. Und der Steuerung. Stückgenau herstellen, schon für den Endverbraucher kommissioniert - das entspricht dem Motto make to order. Maximale Flexibilität ist gefragt. Maschinenproduzent Dieffenbacher hat bei Pfleiderer eine Anlage installiert, die ohne große Umrüstzeiten funktionieren soll. Vom italienischen Hersteller Globus kommt ein vollautomatisches System zum Schärfen von Messern für die Spanproduktion. Es sammelt eigenständig Daten zur Kontrolle der Spandicke und setzt einen Roboter ein, um die Messer der so genannten "Wobble Disk" - einem Behälter, der Späne sehr gleichmäßig auf die Messer verteilt - bei Bedarf abzunehmen und zu schärfen. Für 54 Messer braucht der Roboter weniger als 60 Minuten. Nach anderthalb Jahren soll sich die Investition in dieses System amortisiert haben.

Grecon will zur Überwachung der MDF- und HDF-Herstellung nicht mehr auf die klassischen vier Stationen (Mattenwaage, Flächengewichtsmessung, Plattenwaage, Labor) vertrauen. Formator nennt sich das neue System, das sich problemlos in bestehende Anlagen einbauen lassen soll. Es besteht aus zwei Komponenten: Einem Mattenscanner, der die Flächengewichtsverteilung hoch auflösend und in voller Produktbreite direkt in der Produktionslinieerfasst, sowie einer segmentären Abkämmwalze, die positionsgenau die gemessenen Gewichtsschwankungen der Platte reduziert. Als Ergebnis soll eine homogenere Faserplatte mit besserer Gewichtsverteilung und Dickentoleranz das Laufband verlassen.
aus Parkett Magazin 01/15 (Wirtschaft)