IFH-Umfrage

Deutsche Innenstädte nur befriedigend


Köln. Wie sieht die Zukunft der deutschen Innenstädte aus und was wünschen sich Innenstadtbesucher von ihren Stadtzentren? In einer Studie wurden über 33.000 Bürger in 62 Städten hierzu befragt. Ergebnis: Die City ist beliebt - bekommt aber nur die Note drei plus.

Demografischer Wandel, Digitalisierung, verändertes Konsumentenverhalten - die deutschen Innenstädte stehen vor großen Herausforderungen. Eine aktuelle Untersuchung des IFH Köln nimmt die Innenstädte deshalb genau unter die Lupe und hat über 33.000 Innenstadtbesucher zu der Attraktivität ihrer Stadtzentren befragt.

Das Ergebnis: Innenstadtbesucher erteilen deutschen Stadtzentren die Schulnote drei plus. Sowohl junge als auch ältere Konsumenten sind dabei mit ihren Stadtzentren grundsätzlich zufrieden. Und: Innenstädte werden von Personen jeglichen Alters besucht - wobei der Anteil jüngerer Besucher mit der Stadtgröße tendenziell zunimmt.

Versorgung vs. Freizeit

Die Untersuchung bestätigt auch: Je höher die Einwohnerzahl, desto mehr stehen Freizeitaspekte beim Besuch der Innenstadt im Fokus. Vor allem kleinere Städte bis 50.000 Einwohner werden für die tägliche Versorgung aufgesucht. Ein Blick auf die Einzelkriterien verrät: Mit guter Innenstadtgestaltung, Atmosphäre und Erlebnischarakter können Städte die Wahrnehmung ihrer Gesamtattraktivität positiv beeinflussen. Fehlt es auf der anderen Seite an Gestaltung, Sauberkeit oder Handelsvielfalt, sinkt die Attraktivität der Innenstadt aus Sicht ihrer Besucher in jedem Fall.

Aus Sicht der Innenstadtbesucher fehlen in den Stadtzentren Angebote in den Sortimentsbereichen Fashion, Lebensmittel/Getränke und Multimedia/Elektronik/Foto. Besonders in kleinen und mittelgroßen Städten werden Handelsangebote im Bereich Bekleidung vermisst - teilweise jeder dritte Innenstadtbesucher bemängelt die Auswahl in diesem Bereich.

Online vs. Offline

Auch der weiterhin wachsende Online-Handel verschärft die Wettbewerbssituation vor Ort. Jeder fünfte Innenstadtbesucher gab an, verstärkt online einzukaufen und aus diesem Grund die Innenstadt seltener zum Einkaufen zu besuchen. Auffällig ist: Kleinstädte und Metropolen sind dabei gleichermaßen von Frequenzverlusten betroffen.

"Bei weiter steigenden Online-Umsätzen und der großen Heterogenität an Innenstadtfunktionen ist ein umfassendes City-Management notwendiger denn je. Ein Patentrezept für die erfolgreiche Innenstadt gibt es aufgrund unterschiedlichster Anforderungen und Rahmenbedingungen allerdings nicht - individuelle Konzepte müssen her. Dafür ist die Kooperation sämtlicher Innenstadt-Stakeholder zentral", so Boris Hedde, Geschäftsführer des IFH Köln.



Für die Untersuchung wurden in 62 deutschen Städten aller Größen und Regionen zeitgleich Innenstadtbesucher zu ihren Einkaufsgewohnheiten und der Attraktivität der Innenstadt befragt. Die Datenerhebung erfolgte an zwei ausgewählten Tagen (Donnerstag und Samstag) im September 2014 anhand eines einheitlichen Fragebogens. Insgesamt sind so rund 33.000 Interviews zusammen gekommen.

"Das Wachstum im E-Commerce und der demografische Wandel haben einen Strukturwandel in Handel ausgelöst. Viele innenstädtische Händler berichten von sinkenden Kundenfrequenzen. Bis 2020 könnten in Folge des Strukturwandels 50.000 Standorte vom Markt verschwinden", warnt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland (HDE).

Digital als Chance

Michael Gerber, Bundesvorsitzender und Sprecher der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing, mahnt: "Allen Städten, die sich mit ihrer Positionierung im Wettbewerb um Kunden und Besucher auseinandersetzen, kann insoweit - sofern noch nicht geschehen - nur empfohlen werden, ein Citymarketing einzurichten."

Die Digitalisierung biete dem lokalen Handel dabei enorme Möglichkeiten, seine Serviceorientierung mit modernen Citylogistikangeboten und der Aufenthalts- und Erlebnisqualität der Innenstadt zu kombinieren. Gerber: "Kann es einen attraktiveren Ort zum Einkaufen geben als eine Innenstadt, die das Beste aus der virtuellen mit dem Besten der realen Welt verbindet?"

Lovro Mandac, Vorsitzender der Geschäftsführung der Galeria Holding (Kaufhof), hat eine klare Forderung: "Politik und Handel müssen gemeinsam hart daran arbeiten, die Lebensbedingungen für die stationären Händler im Zeitalter der Digitalisierung zu sichern. Wenn wir wollen, dass die Menschen in die Stadt kommen, dann müssen wir sie auch einladen."

Sonntags öffnen

Beim Thema Aufenthaltsqualität gehe es um Vielfalt, Inspiration und Emotion, aber auch um Sicherheit, Zugänglichkeit und Sauberkeit. Mandac: "Die Menschen möchten vom Staat nicht bevormundet werden. Sie lassen sich weder vorschreiben, wie sie in die Stadt kommen - ob per Fahrrad, Bahn oder Pkw -, noch wie oder wann sie einkaufen."

Der Kaufhof-Mann plädiert für Sonntagsöffnungen: "Die wenigen Sonntagsöffnungen zeigen, wie beliebt das Sonntags-Shopping bei den Deutschen ist. Wenn die Läden geschlossen bleiben müssen, dann kaufen sie eben in den Online- Shops. Die Forderung an die Politik muss deshalb lauten: Schaffen Sie einen ungehinderten Zugang zur City und lassen Sie die Menschen auch am Sonntag im stationären Handel einkaufen, wenn sie das möchten. Damit beseitigen wir den größten Wettbewerbsnachteil gegenüber den reinen Internet-Händlern und stärken die Innenstädte!"
aus Haustex 02/15 (Wirtschaft)