Experten einig über positive Wirkung von WDVS

Neue Chancen für die Gebäudehülle


Wärmedeämm-Verbundsysteme werden vor allem auf ihre Rentabilität hin bewertet. Dieser Tunnelblick birgt nach Ansicht von Experten die Gefahr, dass weitere wichtige Faktoren wie Gebäude-Aufwertung, Wohnbehaglichkeit, Schimmelfreiheit und Umweltschutz vergessen werden. Ob Hersteller, Beratungszentren oder Verbraucher-Zentrale: Alle ziehen an einem Strang und verweisen auf die Vorteile der energetischen Sanierung. Sie werde wieder an Bedeutung gewinnen, was den verschiedenen Aufklärungskampagnen und nicht zuletzt den niedrigen Kreditzinsen zu verdanken sei.

Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) verkaufen sich nicht wie gewünscht. Die Branche erlebt bereits seit rund drei Jahren eine Nachfrageschwäche bei der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden. Zurückführen lässt sich dies auf mehrere Faktoren: die Berichte über angebliche Brandgefahren und vermeintlich schlechte Renditen, die sinkenden Energiepreise und das Nein der Bundesregierung zum Steuerbonus, das von Industrie, Handel und Handwerk gleichermaßen kritisiert wird. Nach Angaben des Energiebauzentrums Hamburg liegt die Sanierungsrate im Bestand lediglich bei 1 %, die Bundesregierung war von 2 % ausgegangen. Damit ist das Ziel, 40 % der Kohlendioxid-Emissionen von Gebäuden bis 2020 einzusparen, unerreichbar. Dennoch gibt sich die Branche optimistisch und begründet dies mit umfassender Aufklärungsarbeit, verschiedenen Förderprogramm sowie niedrigen Zinsen.

Deutschland als Wachstumstreiber für WDVS



Das Geschäft mit der Dämmung birgt riesiges Potenzial. Laut Industrieberatungsunternehmen Ceresena wird der Dämmstoffmarkt in Europa bis zum Jahr 2021 ein Gesamtvolumen von mehr als 21Mrd.EUR haben. Wachstumstreiber sei Deutschland, wo Experten davon ausgehen, dass 70 % aller Häuser schlecht oder gar nicht gedämmt sind. Das lockt Anbieter auch aus dem Ausland an. So eröffnete der auf Dämmstoffplatten aus Poystyrol spezialisierte österreichische Hersteller Austrotherm im vergangenen Jahr ein Werk im brandenburgischen Wittenberge.

"Um die energiepolitischen Ziele Deutschlands zu erreichen, wird es unumgänglich sein, die Dämmung von Gebäuden wieder zu verstärken. Insofern erwarten wir mittelfristig wieder einen wachsenden Markt", sagt Patrick Renner, Produktmanager WDVS bei Südwest in Böhl-Iggelheim. Der Hersteller ist eine Tochter des Dämm-Spezialisten Sto, der gemeinsam mit Brillux, DAW und Baumit den Verein Qualitätsgedämmt gegründet hat, dessen Kampagne "Dämmen lohnt sich" mit Unterstützung des Journalisten Ulrich Wickert für die energetische Sanierung wirbt.

Auch Knauf Gips gibt sich zuversichtlich. "In den nächsten zwei bis drei Jahren kann durchaus mit einer Stabilisierung oder gar der Umkehr in eine positive Marktentwicklung gerechnet werden", formuliert Dieter Stauder, Leiter Putz- und Fassadensysteme. "Wenn sich dann die Rauchschwaden des medialen Feuerwerks lichten, wird auch wieder der Blick frei auf die wahren Zusammenhänge und den Nutzen von Wärmedämmung."

Dabei sind es nicht nur die Hersteller von Wärmedämm-Verbundsystemen, die auf die Vorteile eines energetisch sanierten Gebäudes aufmerksam machen. Auch die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg hat in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik, dem Energieinstitut Vorarlberg, dem Karlsruher Institut für Technologie (Kit) und Ebök Planung und Entwicklung gängige Vorurteile widerlegt und damit die positive Wirkung der Dämmung unterstrichen (siehe Seite XX). Selbst die Verbraucherberatungen plädieren für umfangreiche Dämmung, die sich jedoch nicht allein auf die Fassade, sondern auch auf Dach und Keller beziehen müsse.

WDVS haben eine lange Lebensdauer


Nach Angaben des Energiebauzentrums Hamburg gehen je nach Gebäudetyp bis zu 40 % der jährlichen Heizenergie allein durch die Außenwand verloren. Die Beratungseinrichtung im Haus des Handwerks empfiehlt deshalb Wärmedämm-Verbundsysteme. Sie bestehen aus mindestens drei Schichten: Dämmstoffe in unterschiedlichen Schichtstärken, Armierungsmasse und Schlussbeschichtung. Nicola Beck, Leiterin des Energiebauzentrums, bezifferte die Kosten für einen Quadratmeter Dämmung auf Polystyrol-Basis auf rund 100 EUR, bei Mineralfaser käme der Quadratmeter auf rund 120 EUR.

Wie Beck und ihr Kollege Carsten Kröger betonen, amortisiere sich die Anschaffung "nach einer Anzahl von Jahren im zweistelligen Bereich" durch entsprechende Energieeinsparung. Dieser Zeitraum erscheine zwar lang, doch die Amortisationsdauer sei deutlich kürzer als die zu erwartende Lebensdauer der Bauteile, die ohne Probleme mehr als 40 Jahre betragen könne. Zusätzlich gilt nach Aussage der Experten: Je höher die Reduzierung des Energieverbrauchs ausfalle, desto mehr Zuschüsse gebe es für die energetische Sanierung. Allein bei der KfW Bankengruppe stehen rund 1,8 Mrd. EUR Fördermittel zur Verfügung.

"Doch man sollte nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit achten", meint Kröger. "Das macht man beim Kauf eines Autos oder eines Sofas doch auch nicht." Entscheidende Gründe für die Anbringung der Fassadendämmung sind seiner Meinung nach die Aufwertung des Gebäudes, die Steigerung des Wohnkomforts durch wärmere Innenwände, auf denen Schimmel keine Chance habe, der langfristige Schutz der Bausubstanz und der Beitrag zum Umweltschutz.

Wärmedämmung ist nur ein Teil der energetischen Sanierung


Auch für ältere WDVS, die nicht mehr auf dem neuesten Stand sind, gibt es Lösungen, die eine Entsorgung überflüssig machen. Harald Kranz, Marketingleiter bei Zero-Lack, verweist auf die Aufdopplung: "Sie ist ein neues Aufgabengebiet der energetischen Sanierung und wird weiter an Bedeutung gewinnen." Durch eine Aufdopplung könnten zu gering dimensionierte Bestandsdämmungen auf das heutige Niveau gebracht werden. "Da das Altsystem weiter verwendet wird, fallen für Abbau und Entsorgung keine Kosten an und Ressourcen werden geschont."

Um eine optimale Dämmung zu erreichen, raten Beck und Kröger allerdings dazu, je nach Zustand des Gebäudes ein aus mehreren Teilen bestehendes, auf das jeweilige Haus zugeschnittenes Maßnahmebündel zu ergreifen. "Wanddämmung ist nur eine Einzelmaßnahme", erläutert Beck und empfiehlt darüber hinaus nach Prüfung den Austausch von Fenstern, eine Dachdämmung und möglicherweise auch den Einbau einer neuen Heizung. "Dadurch sind Energieeinsparungen von rund 70 % möglich", betont die Leiterin des Energiebauzentrums. Individuelle Lösungen müssten in Beratungsgesprächen erarbeitet werden.

Drei Kenngrößen bestimmen die Qualität


Drei Materialkennwerte sind nach Expertenangaben wichtig für die Qualität eines Dämmstoffes: Wärmeleitfähigkeit, Wärmespeichervermögen und Feuchtigkeitsverhalten. Die Wärmeleitfähigkeit dokumentiert, wie viel Wärme aus dem Haus durch die Dämmstoffe nach außen dringt. Je geringer die in Wärmeleitgruppen (WLG) eingeteilte Wärmeleitfähigkeit ist, desto besser fällt das Ergebnis aus.

Als gut dämmfähig gelten Dämmstoffe der WLG 025 bis 040. Eine Wärmeleitgruppe von 025 entspricht einer Wärmeleitfähigkeit (Lambda-Wert) von 0,025 W/mK. Um die gleiche Wirkung zu erzielen, muss von einem Dämmstoff der WLG 030 eine stärkere Schicht aufgetragen werden als von Stoffen der WLG 025. Vom Lambda-Wert ist auch die Dämmstärke abhängig. Sie bewegt sich heute nach Angaben von Kröger zwischen 12 bis 20 cm.

Das Wärmespeichervermögen sagt aus, wie viel Wärme ein Dämmstoff speichern kann. Je schwerer dieser ist, desto besser seine Fähigkeit, Wärme zu speichern und damit die Temperaturen lange im Raum zu halten. Dieses Vermögen wird in Kilojoule pro Kilogramm angegeben.

Schließlich kommt es auf das Feuchtigkeitsverhalten an. Denn eindringende Feuchtigkeit mindert die Dämmstärke.

Beratung für Bauherren und Handwerker


"WDVS ist für viele Maler und Stuckateure ein wichtiges betriebliches Standbein geworden", macht Patrick Renner von Südwest deutlich. Und Dieter Stauder von Knauf meint, dass der Auswahl eines guten Handwerksunternehmens eine große Bedeutung zukommt. Sie sei zusammen mit einer professionell geplanten Dämmaßnahme und einem hochwertigen WDVS die beste Voraussetzung für lange Haltbarkeit und die Zufriedenheit des Bauherrn.

Handwerkern, die sich beraten lassen wollen, stehen bundesweit verschiedene Einrichtungen mit Rat und Tat zur Seite. Eine davon ist das Energiebauzentrum in Hamburg, das sowohl Fachleute als auch Verbraucher berät. Zudem führt es für verschiedene Zielgruppe Veranstaltungen durch und bietet Fachvorträge an. Die Einrichtung wurde Anfang 2008 als Kooperation der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, der Hamburgischen Wohnungsbaukreditanstalt und der Handwerkskammer gegründet. | cornelia.kuesel@snfachpresse.de


Drei Arten von Dämmstoffen


Zur Außendämmung von Gebäuden bieten die Hersteller verschiedene Dämmstoffe an. Sie verfügen nach Angaben des Energiebauzentrums über ähnlich gute Dämmeigenschaften. Wie die Hamburger Beratungsreinrichtung erläutert, gibt es drei gängige Typen:

Schaumdämmstoffe bestehen aus Polystyrol (Styropor) oder EPS (expandiertes Polystyrol). Dabei handelt es sich um eine kostengünstige Variante. Der Dämmstoff ist leicht zu verarbeiten, unverrottbar und feuchtebeständig. Negativ zu Buche schlägt, dass Polystyrol ein Erdöl-Produkt ist und daher in der Herstellung umweltbelastend.

Mineraldämmstoffe bestehen aus Glas- oder Steinwolle. Für die Herstellung werden verschiedene Gesteinsarten und teilweise auch Altglas geschmolzen, geschleudert und zerfasert. Mineralfaser ist zwar etwas teurer als Polystyrol, aber diffusionsoffener und bietet aufgrund der offenporigen Struktur auch Schallschutz. Ihr großer Vorteil ist die Brandschutzklasse A1 (nicht brennbar).

Naturdämmstoffe für ressourcenschonendes und umweltgerechtes Bauen bestehen aus Holzfaser, Flachs, Hanf oder Zellulose. So können Holzfaserplatten als WDVS verbaut werden, die gut die sommerliche Wärme speichern und erst nach zehn bis 14 Stunden wieder abgeben. Zudem haben sie eine gute Schalldämmung. Allerdings müssen aufgrund der hohen Wärmeleitgruppe von 0,040 bis 0,060 W/mK größere Dämmstoffdicken eingeplant werden.
aus BTH Heimtex 05/15 (Bau)