VDB-Tagung in Hamburg

"Rheumadecke statt Lederjacke"


Hamburg. "Erfolgreich die Zukunft gestalten" lautete die Überschrift der diesjährigen VDB-Tagung in der Hamburger Speicherstadt. Die Branche läuft rund, und dabei soll es auch bleiben. Was zu tun ist, um dem Onlinehandel zu trotzen und die Innenstädte für den stationären Handel attraktiv zu halten, wurde an einem symbolträchtigen Ort diskutiert.

Handel ist Wandel. Kaum ein Ort symbolisiert das besser als der, den sich der Verband der Bettenfachhändler (VDB) für seine Jahrestagung Ende April ausgesucht hatte. Die Hamburger Speicherstadt steht für den Hafen von gestern, die benachbarte Hafen-City, das größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt Europas, für den Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft, wo Wohnen und Arbeiten nahe beieinander liegen. An dieser Schnittstelle von Historie und Moderne lag das Tagungshotel, dessen Sitzungsraum in der ehemaligen Kaffeebörse angesiedelt ist - ein inspirierendes Ambiente. Das Gute zu bewahren, ohne sich dem Neuen zu verschließen: So ließe sich die aktuelle Herausforderung des stationären Fachhandels beschreiben.

"Dem Bettenfachhandel geht es gut, und das ist keinesfalls üblich", erklärte VDB-Präsident Martin Wartig mit Blick auf die Umsätze im mittelständischen Möbelhandel. "Wir befinden uns fast noch auf einer Insel der Seligen", so Wartig, der einen alten Werbeslogan von Swissflex zitierte: "Heute steckt man sein Geld wieder in die Matratze." Damit spielte er auf das aktuell niedrige Zinsniveau und die daraus resultierende Anschaffungsneigung der Konsumenten an, aber auch auf die demographische Entwicklung. Das Interesse der Kunden wandele sich im Alter, davon profitiere die Branche: "Rheumadecke statt Lederjacke", fasste der VDB-Präsident diese Bedürfnislage zusammen.

Wartig warnte indes davor, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, auch wenn der Bettenfachhandel beim Blick auf die Ergebnisse der VDB-Frühjahrsumfrage durchaus zufrieden sein könne. "Aber auch im höherwertigen Sortiment gibt es Konkurrenz." Online-Händler oder Boxspring-Hersteller aus dem Ausland seien weiterhin eine Herausforderung. Die Stärke des Fachhandel sei nach wie vor der "Erfolgsfaktor Mensch", so der VDB-Präsident: "Wer eine vier- oder fünfstellige Summe ausgibt der darf mit Recht eine hervorragende Beratung erwarten."

Zwar stimme nach wie vor die Chemie zwischen Handel und Industrie, "weil die Grenzen abgesteckt sind und die Arbeitsteilung seit Jahren funktioniert", wie Wartig betonte. "Aber es wäre schädlich, wenn uns die Industriepartner mit eigenen Handelsaktivitäten Konkurrenz machen würden." Dass dies nach wie vor eine aktuelle Sorge ist, belegt ebenfalls die Frühjahrsumfrage: Mit 94 Prozent treibt treibt sogar mehr Händler als noch im Vorjahr (90 Prozent) der Wunsch um, dass die Industrie auf Direktverkäufe verzichten möge.

"Bleiben Sie Partner und werden Sie nicht Konkurrent", appellierte auch VDB-Geschäftsführer Axel Augustin an die anwesenden Industrievertreter und forderte: "Wenn überhaupt Direktverkäufe, dann ohne Preisverhau!" Verlässliche Partner würden in der Branche nach wie vor ein gutes Auskommen finden, so Augustin. "Preisaggressiv will niemand werden."

Doch geschaut wird auf die Preisentwicklung schon: Der Wettbewerb im Internet wird laut VDB-Umfrage von 67 Prozent der Befragten als Problem gesehen. Das sind zwar immer noch zwei Drittel der Fachhändler, aber eben auch zehn Prozent weniger als im Vorjahr. "Das Thema beruhigt sich", glaubt Augustin. "Es gibt ein großes Interesse, hier gemeinsam etwas zu machen, aber wenig Interesse, eigene Shops zu betreiben." Gemeinsam mit der Industrie müssten hier geeignete Wege gesucht und Lösungen gefunden werden, so Augustin: "Der Handel ist dazu bereit!"

Gleichzeitig bleibt das Frequenzproblem in den Innenstädten aktuell: Es wird in der Frühjahrsumfrage von 64 Prozent der Befragten genannt und damit am zweithäufigsten. Heiner Schote, stellvertretender Geschäftsführer der Handelskammer Hamburg, referierte vor diesem Hintergrund über die so genannten Business Improvement Districts (BID). Hamburg ist Vorreiter dieser Innovationsquartiere, in denen Grundstückseigentümer und Einzelhandel gemeinsam abgesteckte Quartiere beziehungsweise Straßenzüge auf Vordermann bringen (siehe Kasten links).

Wie Onlinehandel und stationäre Geschäfte im Zusammenspiel funktionieren können, war Thema eines weiteren Vortrages von Globetrotter-Geschäftsführer Andreas Bartmann. Der Outdoor-Spezialist betreibt einerseits stationäre Häuser mit hohem Erlebnischarakter: Tauchen, Kajakfahren, Übernachten in der Kältekammer - all dies schätzen Globetrotter-Kunden an den Geschäften, die pro Jahr von 1,2 Millionen Besuchern frequentiert werden. Gleichzeitig sind sie sehr Internet-affin.

Globetrotter wollte beide Interessen bedienen, doch Bartmann schilderte auch sehr offen, wie problematisch dies war. "Multichannel steht erst einmal für Multi-Problemo." Zum Beispiel hohe Investitionskosten. Bartmann warnte vor der Vorstellung, "ich verkaufe mal eben im Internet." Multichannel sei eine riesige Herausforderung für den Händler. "Sie werden im Internet nur funktionieren, wenn sie den Preiswettbewerb mitgehen können." Dies erfordere eine permanente Kontrolle des Marktes und der Konkurrenz. "Beim Thema Preis kann man gegen die großen Anbieter wie Amazon nur verlieren", erklärte der Outdoor-Spezialist und appellierte, sich seiner Stärken bewusst zu sein und diese auszuspielen: "Der Kunde schätze nach wie vor die kompetente Beratung und eine gute Atmosphäre. Dafür ist er auch bereit, etwas mehr zu bezahlen."

Globetrotter habe es in den vergangenen Jahren nicht gut genug verstanden, die Kunden vom Netz in die Geschäfte zu ziehen, gab der Geschäftsführer unumwunden zu. "Wir haben viel zu viel Zeit auf die Neukundenakquise im Netz verwendet", so Bartmann. Die Einmal-Kunden seien jedoch schnell weggebrochen, zwei Drittel des Umsatzes mache man mit Stammkunden. "Die müssen gepflegt werden, das ist unsere Stärke." Ein Hinweis, der auch für den Bettenfachhandel gilt, wo man es gegen große Online-Händler ebenso wenig versuchen muss

Mit Florian Demaku und Philipp Wahju hatte sich der VDB zwei junge Experten eingeladen, die die Gefahren des Internets auf eine ganz andere Weise demonstrierten: Sie hackten beispielsweise live und vor den Augen des erstaunten Publikums den Onlineshop eines Weinhändlers, um dort die Preise zu manipulieren. Die beiden Gründer der Firma Mecodia sind auf solche Einsätze spezialisiert und konnten den Tagzungsteilnehmern einige wertvolle Tipps an die Hand geben, Ihre Smartphones und Websites sicherer zu machen.

Etwas trockener mutete der Vortrag von Dr. Ulrich Leifeld an, der als Geschäftsführer des Matratzenverbandes das Thema Recycling referierte, das auch bei der jüngsten Tagung seines Verbandes eines der Hauptthemen war (siehe Bericht auf Seite 12). Mit dem Kriminologen Prof. Dr. Jens Weidner war der ausgesprochen witzige Schlusspunkt der Tagung gesetzt: Er setzte sich mit Machtspielen und der Frage auseinander, wie man Konflikte (etwa zwischen Chef und Mitarbeiter) wie im Schlaf vermeiden könne.

Wie im Schlaf verging auch die Zeit in Hamburg, obwohl dort bekanntlich die Nächte lang sind. Nach einer Führung durch die Speicherstadt und die Hafencity erlebten VDB-Mitglieder und Gäste einen geselligen Ausklang im "Wasserschloss": Auf einer Halbinsel zwischen zwei Fleeten gelegen arbeiteten hier bis Anfang des 20. Jahrhunderts noch die Windenwärter, die für das Funktionieren der Seilwinden in der Speicherstadt sorgten. Heute beheimatet das Gebäude heute ein Restaurant sowie ein Teekontor - der passende Rahmen für den VDB-Abend, bei dem Gespräche und Geselligkeit im Vordergrund standen.
aus Haustex 05/15 (Wirtschaft)