Dr. Arnold (Uzin): Grundierungen sind mehr als nur Hilfsstoffe

Von Staubbindung bis zur Haftvermittlung


Grundierungen werden oft auch bedeutungsgleich als Vorstriche bezeichnet. Dabei klingt unterschwellig heraus, dass es sich um Hilfsstoffe handelt, die meist vor dem Spachteln oder dem Kleben von Belägen eingesetzt werden. Dies wird ihrer Bedeutung für die Funktionsfähigkeit eines Bodenaufbaus jedoch keinesfalls gerecht. Aufgrund der Vielzahl von Aufgaben, die Grundierungen zu übernehmen haben, wäre der Ausdruck "Funktionsschichten" der weitaus treffendere.

Nachfolgend werden die wichtigsten Funktionalitäten von Grundierungen beschrieben. Daran anschließend erfolgt eine Übersicht zu deren Anwendungstechnik. Als Abschluss werden Arbeits- und Umweltschutz dieser Produktgruppe betrachtet.

Aufgaben von Grundierungen


Staubbindung: Zement- und Calciumsulfat-Estriche sind ein häufig anzutreffender Untergrund. Sie sind immer anzuschleifen (wohl wissend, dass dies manchmal unterbleibt). Der Schleifstaub wird anschließend abgesaugt. Feinstaubreste auf der Estrichoberfläche sind jedoch nie hundertprozentig zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für den feinen Gipsstaub, der beim Schleifen von Calciumsulfat-Estrichen entsteht. Ähnliches gilt auch für Fertigteilestriche sowie für Span- oder OSB-Platten.

Um diesen Feinstaub zu binden, werden auf mineralischen Untergründen meistens "Universal-Grundierungen" auf Dispersionsbasis verwendet. Auf Holzuntergründen kommen Reaktionsharzgrundierungen zum Einsatz. Sie vermeiden Quellerscheinungen an den Plattenstößen. Steht die Staubbindung im Vordergrund, können gebrauchsfertige Dispersionsgrundierungen oder Konzentrate, je nach Herstellerempfehlung, häufig auch verdünnt (1 : 1 bis 1 : 4) eingesetzt werden.

Herstellung definierter Saugfähigkeit: Dispersionsgrundierungen verlangsamen auf saugfähigen Untergründen die Aufnahme von Feuchtigkeit durch den Untergrund. Das unterschiedliche Saugverhalten verschiedener Untergründe wird dadurch angeglichen und für die nachfolgenden Spachtelarbeiten liegt ein Untergrund mit definiertem Saugverhalten vor.

Hier werden ausschließlich Dispersionsgrundierungen eingesetzt. Höher konzentrierte Grundierungen können untergrundabhängig auch verdünnt eingesetzt werden. Zu starke Verdünnung ist dabei unbedingt zu vermeiden, weil sonst durch zu schnelles Wegschlagen des Wassers die Gefahr des "Verbrennens" der Spachtelmasse besteht. Darüber hinaus kann die Bildung von "Elefantenhaut" auf der Spachtelmasse hervorgerufen und die Bildung von "Pinholes" (Nadelstiche) gefördert werden.

Haftvermittlung: Mineralische Spachtelmassen haften in der Regel auf glatten Untergründen nicht ausreichend. Neben keramischen Fliesen und Platten sind insbesondere auch mit Epoxid(EP)-oder PUR-Harzen behandelte Oberflächen (z. B. Absperrung gegen Feuchtigkeit) und nicht abgesandeter Gussasphalt als glatte Untergründe anzusehen. Um darauf spachteln zu können, ist unbedingt eine haftvermittelnde Grundierung, üblicherweise eine wässrige Dispersionsgrundierung, aufzutragen. Alternativ kann die EP/PUR-Grundierung auch abgequarzt werden, insbesondere wenn höhere Belastungen erwartet werden.

Haftvermittelnde Grundierungen sind auch bei der Direktklebung auf Metalluntergründe notwendig. Eine Präferenz für eine einzelne Produktgruppe gibt es in diesen Fällen nicht. Hier muss abhängig vom jeweiligen spezifischen Untergrund die Materialauswahl erfolgen.

Absperrung: Dichtgrundierungen, auch als Abdichtungen bezeichnet, werden eingesetzt, um gegen überhöhte Feuchtigkeit aus dem Untergrund abzusperren. Abgesperrt wird meist mit Reaktionsharz-Grundierungen auf Basis von 1K-Polyurethan- bzw. 2K-Epoxidharzen, wobei die Polyurethan-Produkte meist nur den Bereich bis maximal 4 CM-% bei Zementestrichen abdecken. Eher selten eingesetzt werden abdichtende Dispersionen auf Polyvinylchlorid-Basis. Die jüngste Entwicklung ist der Einsatz von Silan-terminierten Polymeren als Bindemittelbasis für Reaktionsharz-Dichtgrundierungen.

Um eine zuverlässige Abdichtung sicherzustellen, werden in der Regel zwei, bei 1K-Produkten auch drei Schichten aufgetragen. Bei feuchteempfindlichen Untergründen dienen abdichtende Grundierungen auch gegen Feuchtigkeitseinwirkung von oben, z. B. aus Spachtelmassen. Sollen holzbasierte Untergründe wie Span- oder OSB-Platten gespachtelt werden, ist Grundieren mit einer Reaktionsharzgrundierung, in diesem Fall meist 1K-PUR, absolut empfehlenswert. Andernfalls könnte über die Stöße eindringendes Wasser später zu Abzeichnungen im Oberbelag führen.

In Sonderfällen können Reaktionsharzgrundierungen auch zum Einschluss unerwünschter Substanzen im Untergrund eingesetzt werden. Dadurch können unerwünschte Gerüche oder Emissionen, z. B. bei der PAK-Sanierung, verhindert werden. Diese Fälle benötigen eine zuverlässige Untergrundbeurteilung durch einen erfahrenen Fachmann und sollten daher nur nach Rücksprache mit dem Produkt-Hersteller ausgeführt werden.

Verfestigung: Im Renovierungsfall sollen oftmals Jahrzehnte alte Estriche neu belegt werden. Häufig tritt hier die Frage nach einer ausreichenden Oberflächenfestigkeit des tragenden Untergrunds auf. Wird der Verleger mit einer labilen Oberfläche bei insgesamt noch tragfähigem Estrich konfrontiert, kann dieser in vielen Fällen durch Oberflächenverfestigung "gerettet" werden. Dies geschieht meist mit Hilfe einer dünnflüssigen Epoxidharzgrundierung, die zur Erhöhung des Eindringvermögens auch mit einem geeigneten Lösemittel verdünnt sein kann. Werden wasserbasierte, dünnflüssige EP-Harze eingesetzt, kann der Lösemitteleinsatz gänzlich entfallen, aus ökologischen Gründen sicherlich die beste Lösung.

Hinweis: Dispersionsgrundierungen sind zur Verfestigung grundsätzlich ungeeignet!

Fugenfüllung: Dispersions- und Reaktionsharzgrundierungen können aufgrund ihrer geringen Auftragsmengen und niedrigen Viskosität keine Fugen/Lücken im Untergrund füllen. Größere Lücken werden daher vor dem eigentlichen Spachteln mit standfester Spachtelmasse egalisiert. Kleinere Lücken oder Fugen, wie sie z. B. bei alten Holzdielenböden oder Flächen mit keramischen Fliesen auftreten, können zeitsparend mit fugenfüllenden Grundierungen vorbereitet werden. Diese zweikomponentigen Produkte bestehen aus einer Zement- und einer Dispersionskomponente, die nach dem Mischen und Auftragen schnell aushärten und aufgrund des hohen Feststoffgehalts vorhandene Fugen ausfüllen können. Ihr hoher Gehalt an Dispersionpulver stellt dabei ihr ausgezeichnetes Haftvermögen auf unterschiedlichen Untergründen sicher.

Anwendungstechnik


Walzen: Walzen ist die gängigste Auftragstechnik für Grundierungen. Zum Einsatz kommen dabei, angepasst an die jeweiligen Produktgruppen, Schaumstoff- oder Nylonplüschrollen. Unter Einhaltung der Mindestauftragsmenge sollte der Auftrag möglichst dünn erfolgen. Wird zu viel Material aufgetragen, besteht bei 1K-PUR-Grundierungen die Gefahr, dass die Grundierungsschicht nicht vollständig durchhärtet. Zu hoher Auftrag bei wässrigen Systemen kann zu Schäden beim nachfolgenden Spachteln führen. Vorteilhaft ist es, die Grundierungen in einem ovalen Kunststoffeimer vorzulegen und aus diesem heraus zu walzen. Keinesfalls sollten Grundierungen direkt auf den Untergrund gegossen und dann mit der Walze verteilt werden.

Spachteln: Spachteln wird vor allem dann eingesetzt, wenn eine Mindestauftragsmenge der Grundierung,
z.B. bei Absperrungen gegen Feuchtigkeit, gefordert ist. Bei Einsatz einer passenden Spachtelzahnung lassen sich dadurch etwa 2K-EP-Grundierungen zeitsparend in einem Arbeitsgang auftragen. Da im Gegensatz zum zweimaligen Schichtaufbau beim Walzenauftrag nur einmal aufgetragen wird, ist sorgfältiges Arbeiten zur Vermeidung von Fehlstellen unumgänglich.

Kellenauftrag: Diese Technik wird üblicherweise vom Fliesenleger zur Verfugung eingesetzt und ist für manche Bodenleger noch gewöhnungsbedürftig. Sie wird jedoch meist nach kurzer Zeit beherrscht. Bei fugenfüllenden Grundierungen, die die vorhandenen Fugen sicher füllen müssen und darüber hinaus möglichst dünn aufgetragen werden sollen, hat sich der Auftrag mit der Traufel oder dem Fugbrett bestens bewährt.

Pinseln: Der Pinselauftrag kommt nur bei kleinen Flächen wie Treppenstufen vor. In aller Regel wird er nur für Dispersionsgrundierungen eingesetzt. Wie beim Walzen gilt auch hier: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Sprühen: Das Sprühverfahren wird ausschließlich für Dispersionsgrundierungen eingesetzt. Es lohnt sich nur für sehr große Flächen, weil nur dort ein nennenswerter Zeitgewinn im Vergleich zum Aufwalzen zu generieren ist. Es ist daher eine eher exotische Anwendungsart mit verschwindender Marktbedeutung.

Arbeits- und Umweltschutz


Produktgruppen: Grundierungen werden in der Fußbodentechnik von drei Produktgruppen dominiert: wässrige Polymerdispersionen, 2K-EP-Harze und 1K-PUR-Harze. Erste Produkte auf Basis silanterminierter Polymere erscheinen derzeit am Markt. Lösemittelbasierte Grundierungen spielen praktisch keine Rolle mehr.

Arbeitsschutz: Dispersionen sind aus Sicht des Arbeitsschutzes die günstigsten Produkte. Sie sind in aller Regel lösemittelfrei und nicht kennzeichnungspflichtig. Dennoch gibt es auch für sie Vorgaben für einen sicheren Umgang in Form der Giscode-spezifischen Betriebsanweisungen der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BGBau). Für zementhaltige 2K-Systeme sind produktabhängig auch weitere zementspezifische Arbeitsschutzvorschriften zu beachten.

1K-PUR-Harze sind Gefahrstoffe und entsprechend sind die in den Betriebsanweisungen beschriebenen Schutzmaßnahmen einzuhalten. Ihr Einsatz sollte also nur dort erfolgen, wo er technisch notwendig ist (ihr im Vergleich zu Dispersionsgrundierungen deutlich höherer Preis ist hier natürlich förderlich). Obwohl sie nach Gefahrstoffverordnung ähnlich wie EP-Harze zu kennzeichnen sind, scheinen sie nach den bei der BG Bau vorliegenden Erfahrungen weniger kritisch als EP-Harze zu sein. Sie sollten deshalb in Fällen,a in denen sie als technisch gleichwertig angesehen werden, den EP-Produkten vorgezogen werden.

EP-Harze sind eine sehr nützliche und vielseitige Produktgruppe. Wie bereits beschrieben, handelt es sich bei ihnen um Gefahrstoffe, die immer mit der gebotenen Sorgfalt zu verarbeiten sind. Insbesondere sollte Hautkontakt durch geeignete Schutzkleidung verhindert werden. Durch Einsatz speziell angepasster Gebinde lässt sich das Gefährdungspotenzial für den Verarbeiter weiter reduzieren.

Emissionsverhalten: Das Emissionsverhalten von Verlegewerkstoffen gewinnt mit zunehmender Umweltsensibilität der Endverbraucher kontinuierlich an Bedeutung. Anhand des Emicode-Klassifizierungssystems sind verlässliche Aussagen zum Emissionsverhalten von Grundierungen möglich. Bei den dispersionsbasierten Systemen ist die überwiegende Mehrzahl der Produkte zumindest als EC 1 (sehr emissionsarm) eingestuft. Zunehmend wird auch die EC 1 Plus-Zertifizierung zum Standard für diese Produkte. EC 1 Plus steht für die höchsten Anforderungen, die bei Verlegewerkstoffen erreicht werden können.

Auch für 1K-PUR-Grundierungen ist die EC 1-Zertifizierung etabliert, darüber hinaus werden auch EC 1 Plus-zertifizierte Produkte angeboten.

Bei 2K-EP-Grundierungen sind sowohl die EC 1-, als auch die EC 1 Plus-Zertifizierung noch die Ausnahme. Hier wäre eine Zunahme der angebotenen Produkte aus Endverbrauchersicht sicher wünschenswert.

Auch die Kennzeichnung mit dem Blauen Engel ist für Grundierungen grundsätzlich möglich. Die Emissionsanforderungen ähneln dabei weitgehend denen der EC 1-Klassifizierung. In der Praxis werden jedoch nur Dispersionsprodukte mit dem Blauen Engel gekennzeichnet, weil die Prüfgrundsätze eine Erteilung für EP- und PUR-basierte Produkte nicht vorsehen. Eine durchgängige Kennzeichnung für alle Grundierungen ist deswegen nicht möglich.

Eine Pflicht zur allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung mit entsprechenden Emissionsmessungen, wie bei Klebstoffen existiert für Grundierungen nicht.
aus Parkett Magazin 05/15 (Bodenbeläge)