Interview des Monats: Vita Talalay, Maastricht/NL

"Unser Talalay-Naturlatex ist ein sehrumweltfreundliches Produkt


Latex gewinnt als Matratzenmaterial in der Gunst der Hersteller, aber auch der Verbraucher, wieder an Bedeutung. Das niederländische Unternehmen Vita Talalay hat sich, wie der Namen sagt, ganz auf das anspruchsvolle Talalay-Verfahren spezialisiert. Haustex besuchte das Unternehmen in Maastricht und sprach mit General Manager Cees Zielman und Business Development Manager Patrick Elissen: Was zeichnet Talalay-Latex aus und was unternimmt das Unternehmen in Sachen Umweltschutz?

Haustex: Vita Talalay ist ein wichtiger Spezialanbieter auf dem weltweiten Matratzenmarkt. Wie entwickelte sich Vita Talalay von seinen Ursprüngen zu dem Unternehmen von heute?

Cees Zielman: Das Unternehmen ist mehr als 80 Jahre alt. Es wurde 1932 unter dem Namen Radium Foam als Produzent von Latex- und Kautschuk-Produkten gegründet. Unter anderem wurden Reifen hergestellt. Radium wählte man damals als Kunstnamen, weil dieses Element damals für Fortschritt und Modernität stand. Es hat nichts mit der Latexproduktion im eigentlichen Sinn zu tun.

1961 beschloss die damalige Unternehmensführung, sich ganz auf die Herstellung von Matratzenkernen auf Basis des Tatalay-Verfahrens zu konzentrieren, das besonders hochwertige Latex-Matratzen ermöglicht. Die Produktion und der Maschinenpark wurden komplett auf das neue Verfahren umgestellt. Wir blicken also auf mehr als 50 Jahre Erfahrung mit dieser Technologie zurück. Heute spielt der alte Firmenname keine große Bedeutung mehr, inzwischen kennt man uns unter unserer Marke Vita Talalay.

Haustex: Vita als Zeichen, dass das Unternehmen dem britischen Vita-Konzern angehört?

Patrick Elissen: Korrekt, seit 1991 sind wir ein Unternehmen der Vita-Gruppe, die damals die Anteile von Vredestein erwerben konnte. Vita bedeutet außerdem Leben, und gesunde Matratzen gehören zu einem schönen Leben dazu.

Haustex: Was war der konkrete Grund für die damalige Entscheidung, komplett auf das Talalay-Verfahren zu setzen?

Zielman: Der Talalay-Schaum war damals und ist es auch heute noch, der Schaum mit den insgesamt besten Eigenschaften. Er vereinigt in sich die sich eigentlich widersprechenden Charakteristiken von Weichheit und Körperunterstützung sowie gleichzeitig Atmungsaktivität. Deshalb hat das Unternehmen damals eine Lizenz auf das Produktionsverfahren erworben. Es gibt weltweit nur noch zwei Unternehmen, die in der Lage sind, für die Matratzenbranche eine alles umfassende Produktpalette aus Talalay-Latex anzubieten, ein amerikanisches Unternehmen und wir. Der Produktionsprozess ist sehr kompliziert und kapitalintensiv. Wenn man als neuer Anbieter auf den Markt treten wollte, müsste man sehr viel Geld investieren. Der Marktzugang ist für Newcomer also sehr schwierig.

Haustex: Wer von Ihnen beiden ist Marktführer?

Zielman: Mittlerweile sind wohl wir das. Wir konnten uns in den letzten Jahren im Umsatz kontinuierlich steigern. Mit Ausnahme der Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 erzielen wir jährlich prozentual zweistellige Steigerungsraten. Auch in diesem Jahr werden wir zweistellig wachsen.

Haustex: Wie groß ist das Unternehmen Vita Talalay?

Zielman: Wir beschäftigen hier in Maastricht rund 90 Mitarbeiter und haben eine Kapazität von täglich etwa 1.000 Matratzen-Rohlingen. Außerdem produzieren wir Kissenkerne. In Maastricht befinden sich die Verwaltung und die einzige Produktionsstätte des Unternehmens. Im Außendienst arbeiten wir weltweit mit angestellten Mitarbeitern. Agenturen und Handelsvertreter werden von uns nicht beschäftigt. Uns ist es wichtig, einen direkten Kontakt zu den Kunden zu haben.

Haustex: Wie hat sich Ihr Umsatz in den Märkten Deutschland, Österreich und Schweiz entwickelt?

Zielman: Neben Benelux zählen wir die DACH-Region zu unserem Heimatmarkt. Dort sind wir aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit mit unseren Kunden bereits relativ gut vertreten, sodass wir dort aufgrund des Basiseffekts keine großen Zuwächse mehr erzielen. Stärker wachsende Regionen sind sicherlich Asien und die USA. In diesen Gebieten sehen wir unser größtes Wachstumspotenzial - ungeachtet der aktuellen Entwicklungen auf dem chinesischen Aktienmarkt.

Haustex: Aber den Niedergang des Latex als bevorzugtes Matratzenmaterial musste Vita Talalay doch wohl auch nachvollziehen? Vor rund 25 Jahren war die Latex-Matratze das angesagteste Produkt im Matratzenmarkt, davon kann man heute ja wohl nur träumen.

Zielman: Das stimmt so nicht. Der Niedergang des Latex betrifft im Wesentlichen die im unteren und mittleren Preisbereich angesiedelten Matratzen aus synthetischem Standard-Latex nach dem Dunlop-Verfahren. Dort haben die PU-Schäume dem Latex tatsächlich das Wasser abgegraben. Das ist aus unserer Sicht ein komplett anderes Produkt, mit anderen Eigenschaften, als Talalay-Latex. In diesem Segment waren wir nie vertreten, aus qualitativen und preislichen Gründen. Dadurch sind wir von dieser Marktentwicklung auch gar nicht betroffen. Talalay wächst in der Nachfrage permanent, in den letzten Jahren sogar überdurchschnittlich stark.

Haustex: Ist Talalay-Latex also ein teures Produkt?

Elissen: Das ist relativ. Aufgrund des im Vergleich zum Dunlop-Verfahren komplizierten und aufwändigen Produktionsverfahrens sind unsere Produkte im hochwertigen Segment angesiedelt, dort sind Matratzen aus anderen Materialien aber auch zu finden. Wenn man bereit ist, nur 30 oder 40 Cent pro Nacht für einen sehr guten Schlaf auszugeben, kann man als Endverbraucher sehr gut Talalay-Produkte kaufen. Natürlich gibt es auch billigere Matratzen, aber dann muss man in Kauf nehmen, dass man nach zwei oder drei Jahren schon Probleme damit bekommt. Man denke nur an die Liegekuhle, die es bei Talalay-Matratzen auch nach Jahren der Nutzung nicht gibt.

Es dauert alleine neun Stunden, um einen Matratzen-Kern aus Talalay-Latex herzustellen, ein Standard-Produkt aus Schaum benötigt vielleicht eine Stunde. Diese acht Stunden Unterschied schlagen sich natürlich im Preis nieder. Von dem Aufwand, den wir aus technischen Gründen bei den Produktionsmaschinen betreiben müssen, ganz zu schweigen. Schaumkerne werden aus großen Blöcken geschnitten, die auf einem Fließband geschäumt wurden. Wir verwenden für jeden einzelnen Kern ein eigenes Werkzeug.

Elissen: Wenn man den Aufwand pro Nacht über die gesamte Nutzungsperiode rechnet, denke ich nicht, dass wir bei unseren Matratzenkernen von einem teuren Produkt reden können.

Ein Unterschied zu allen anderen Schäumen ist wahrscheinlich kaum jemandem bekannt: Wir haben das einzige Produkt, das ohne Zuhilfenahme von chemischen Zusätzen geschäumt wird. Alle anderen Produkte sind chemisch geschäumte Produkte.

Haustex: Aber auch Sie benötigen im Laufe des Produktionsprozesses chemische Substanzen, wie beispielsweise Ammoniak.

Zielman: Aber alles ist natürlichen Ursprungs, und damit meine ich ausdrücklich nicht Erdöl. Unser Naturtalalay ist komplett frei von petrochemischen Substanzen.

Haustex: Wir reden die ganze Zeit vom Talalay-Prozess. Wie genau läuft er in der Produktion ab?

Elissen: Talalay-Latex entsteht in neun Arbeitsschritten. Wir mischen Latex, einige Additive und Luft, damit im weiteren Verfahren eine offene Zellstruktur im fertigen Schaum entsteht. Talalay arbeitet wie das Dunlop-Verfahren mit Formen, in welche die Latex-Mischung gefüllt wird. Für jedes Matratzen-Maß benötigen wir eine eigene Form. Während aber beim Dunlop-Verfahren die Form komplett gefüllt wird, liegt der Mengenanteil beim Talalay-Prozess nur zwischen etwa 30 und 60 Prozent. Je mehr Masse wir eingeben, umso fester wird die Matratze.

Haustex: Wie gelingt es Ihnen dann, eine komplett ausgebildete Matratze aus der Form zu bekommen?

Elissen: Im Prinzip ganz "einfach". Die Form wird luftdicht verschlossen und unter ein Vakuum gesetzt. Der Unterdruck sorgt dafür, dass das Material sich ausdehnt und gleichmäßig innerhalb der Form verteilt. Auf diese Weise vergrößern sich auch die anfangs kleinen Luftblasen in dem Latex. Diese Bläschen bilden die Grundlage für die spätere hohe Flexibilität und Unterstützungskraft des Matratzenkerns.

Bei allen anderen Schäumen ist der Schaumprozess ein anderer: Dort wird der Masse eine Substanz hinzugegeben, die den Schaum treibt, ähnlich wie Backpulver oder Hefe in einem Kuchen. Wir benötigen so etwas für unseren Talalay-Latex nicht und arbeiten alleine mit dem Unterdruck.

Haustex: Was ist Schritt vier?

Zielman: Man spricht nicht ohne Grund auch von Stiftlatex. Die Form, das Werkzeug zur Produktion des Latexkerns, verfügt innen an der Ober- und Unterseite über eine Vielzahl von Stiften. Sie dringen beim Schließen in die Latex-Masse ein und werden im vierten Arbeitsschritt innerhalb kürzester Zeit auf minus 30 Grad heruntergekühlt. Diese Kälte geht schlagartig auf die Latexmasse über und verursacht eine Blitzfrostung. Das Ziel dieses Prozesses: Die durch das Vakuum entstandenen Luftzellen werden in ihrer perfekt-runden Form einerseits gefestigt und brechen andererseits auf. Dadurch entsteht eine sehr offene Kernstruktur, die später eine perfekte Atmungsaktivität ermöglicht, die in diesem Maße kein anderer Matratzenkern aufweist.

Beim Dunlop-Verfahren gibt es diesen Produktionsschritt nicht, ebenso wie Schritt fünf, die Hinzugabe von CO2 in die Form. Das Kohlendioxid stabilisiert den Schaum in seinem offenporigen Zustand. Ohne CO2 würde der Schaum beim Erwärmen praktisch zusammensacken, etwa wie beim Kuchen, der zu früh aus dem Ofen genommen wird.

Elissen: Als sechstes wird das Material unter Zugabe großer Hitze über die Stifte vorvulkanisiert. Dafür werden sie auf plus 115 Grad Celsius erhitzt. In diesem Schritt erhält der Schaum seine hohe Elastizität. Danach kann der Kern aus der Form geholt und in einem Waschprozess von überschüssigem Material befreit werden.

Haustex: Es fehlen noch zwei Schritte.

Elissen: Genau. Anschließend wird der Matratzen-Kern 30 Minuten unter hoher Hitze getrocknet, danach durchläuft er eine achtstündige Nachvulkanisation bei etwa 80 Grad. Dadurch reift der Kern und bekommt seine endgültigen Eigenschaften. Zum guten Schluss erfolgt die Qualitätskontrolle. Jeder Kern wird automatisch an 15 Punkten durch Stempel auf seine Festigkeit geprüft. Wir legen zwar vorher fest, welche Festigkeit ein Kern erhalten soll, aber da wir es in der Grundsubstanz mit einem Naturprodukt zu tun haben, kann es im Ergebnis immer zu Abweichungen kommen. In der Qualitätskontrolle testen wir daher stets, welche Festigkeit der Kern tatsächlich hat.

Haustex: Wozu der ganze Aufwand, wenn man Latex-Matratzen nach dem Dunlop-Verfahren auch einfacher haben kann?

Zielman: Man kann die Matratzen nach dem Dunlop- oder Talalay-Verfahren nicht miteinander vergleichen, weil es zwei sehr unterschiedliche Produkte mit unterschiedlichen Eigenschaften sind, auch wenn sie auf dem gleichen Grundstoff aufbauen, nämlich Kautschuk. Aus unserer Sicht gibt es keinen Matratzenkern mit insgesamt besseren Eigenschaften als bei Talalay-Latex. Dies gilt umso mehr für Kerne aus 100 Prozent Naturlatex.

Haustex: Beispielsweise?

Elissen: Sie schlafen auf einem sehr nachhaltigen Produkt. Wir arbeiten mit einem nachwachsenden Rohstoff, im Gegensatz zu synthetischem Latex, der auf Rohölprodukten basiert. Außerdem produziert der Kautschukbaum während seiner Lebensdauer Sauerstoff und bindet CO2, sodass der durch den Transport zu uns ins Werk entstehende Carbon-Footprint neutralisiert wird.

Haustex: Bei Matratzen, die nicht zu 100 Prozent aus Naturlatex bestehen, gilt das allerdings nur bedingt.

Zielman: Das stimmt, aber der Trend geht unweigerlich zu Produkten aus reinem Naturlatex, gerade auf dem deutschen Markt sehen wir eine stark zunehmende Nachfrage nach solchen Produkten. Im nächsten Jahr werden mehr als 50 Prozent unserer Produktion reine Naturlatex-Produkte sein.

Das ist aber nur ein Aspekt, denn eine Talalay-Matratze verfügt außerdem über wirklich einzigartige Liege- und Gebrauchseigenschaften. Das Talalay-Verfahren verzichtet wie gesagt auf Treibmittel und setzt stattdessen auf ein Vakuum. Kein anderer Schaum hat deshalb eine so perfekt gebildete und runde Zellstruktur. Das Liegeverhalten auf solch einer Matratze ist daher unter anderem in Bezug auf Punktelastizität unvergleichlich.

Elissen: Ich vergleiche den Unterschied zwischen Talalay und anderen Schäumen gerne mit einem Fußball gegenüber einem Rugby-Ball. Der Fußball prallt auf den Boden und springt in einem perfekten Winkel wieder hoch. Versuchen Sie das mal mit einem Rugby-Ball. Entsprechend definiert ist die Punktelastizität einer Talalay-Matratze. Die Zellen aller anderen Schäume sind wesentlich ungleichmäßiger, sodass auch die Punktelastizität nicht an die von Talalay heranreicht.

Zielman: Die hohe Atmungsaktivität einer Talalay-Matratze nicht zu vergessen. Sie ist erwiesenermaßen wegen der sehr offenen Zellstruktur so gut belüftet, wie kein anderer Matratzenkern-Schaum. Talalay kühlt den Schläfer aufgrund dieser Eigenschaft im Sommer, im Winter wärmt es.

Außerdem fühlen sich Hausstaub-Milben aus diesem Grund in Matratzen aus Talalay-Latex sehr unwohl. Sie bevorzugen bekanntlich ein feuchtwarmes Milieu. Das finden sie aufgrund der guten Ventilation in diesen Matratzen aber nicht.

Haustex: Ist das belegt?

Elissen: Allerdings. Wir haben einen ziemlich drastischen Test durch das französische Laboratoire TEC durchführen lassen, bei dem verschiedene Kernmaterialien massenweise mit Staubmilben geimpft wurden. Wir untersuchten anschließend über vier Wochen die Populationsentwicklung der Milben in zwei Talalay-Naturmatratzen, einer Naturlatex-Matratze nach dem Dunlop-Verfahren und einem bekannten Visko-Schaum. Die Milben wurden im Verlauf des Tests mit Bierhefe und Weizenkeimen versorgt, damit sie nicht verhungern.

Das Ergebnis war sehr überzeugend. In dem Visko-Schaum veränderte sich die Milben-Population innerhalb des Untersuchungszeitraums von vier Wochen so gut wie gar nicht. In der Dunlop-Matratze verringerte sich der Milbenbesatz um etwas mehr als zehn Prozent. In unseren Talalay-Matratzen sank der Besatz der Milben in der Zeit je nach Material um 70 Prozent der ursprünglichen Menge. Es dürfte damit bewiesen sein, dass Milben kein gutes Milieu in Talalay-Materialien finden. Ich finde das sehr beruhigend. In einem Langzeittest wollen wir demnächst prüfen, wie sich der Milbenbesatz über die vier Wochen hinaus in den Matratzen entwickelt.

Haustex: Liefern Sie ausschließlich unbearbeitete Matratzen-Rohlinge an Ihre Kunden?

Zielman: Ganz wie der Kunde es wünscht. Wir liefern ungeschnittene Rohlinge, aber auch profilierte, zonierte Ware und in Schichten aufgebaute Kerne mit unterschiedlichen Härten. Die Kerne aus 100 Prozent Naturlatex selbst sind in zehn Härtegraden erhältlich.

Haustex: Der Handel arbeitet in der Regel doch nur mit drei oder vielleicht vier Härtegraden?

Elissen: Wir sind ein international aufgestelltes Unternehmen und beliefern weltweit 35 Länder mit sehr unterschiedlichen Anforderungen an den Härtegrad einer Matratze. Weitere Länder werden noch hinzukommen. Man kann ganz grob sagen, dass der US-amerikanische Markt sehr weiche Matratzen wünscht, in Asien bevorzugen die Endverbraucher sehr feste Matratzen. Der europäische Markt liegt irgendwo dazwischen. Um sämtliche Märkte abdecken zu können, benötigen wir zehn unterschiedliche Festigkeiten.

Haustex: Sind die Entwicklungsmöglichkeiten bei den Talalay-Matratzen inzwischen weitgehend ausgereizt, oder gibt es immer noch Neuentwicklungen?

Zielmann: Es gibt immer wieder etwas Neues. Bei uns kommt eigentlich nichts von der Stange, jeder Kunde hat seine besonderen Ansprüche und Philosophien an das Liegeverhalten einer Matratze. Bevor wir für einen Kunden wirklich in die Produktion gehen, vergehen bis zu 18 Monate. In der Zeit entwickeln wir Muster, die Kunden schlafen zur Probe darauf, dann wird die Rezeptur und Konstruktion weiter angepasst, bis das Produkt schließlich serienreif ist. Wir lassen erst einmal die Inhaber der Unternehmen auf Talalay schlafen, denn wenn die vom Produkt nicht überzeugt sind, hat eine weitere Zusammenarbeit eigentlich keinen Zweck.

Haustex: Unterstützen Sie Ihre Kunden auch über die Produktentwicklung hinaus?

Elissen: Oh ja. Talalay-Latex ist sein sehr besonderes Produkt, das erklärt werden muss. Was ist Talalay, welche Vorteile hat es, wie verkauft man die Matratzen am Besten? Wir schulen darum die Mitarbeiter unserer Kunden, deren Außendienst, aber auch im Auftrag unserer Kunden die Verkäufer im Handel, weltweit.

Um das zu verdeutlichen, haben wir auch Marketing-Instrumente entwickelt, die man im Handel zeigen kann. Beispielsweise demonstrieren wir die hohe Atmungsaktivität des Talalay-Schaums, indem wir in einem Gefäß Luft von unten durch den Schaum blasen. Ein Schaumdeckel, der darüber liegt, schwebt dann wie auf einem Luftkissen darüber. Das Gleiche mit einem Dunlop-Schaum, und der Schaumdeckel darüber rührt sich keinen Millimeter. So etwas ist für einen Endverbraucher sehr leicht verständlich und überzeugend.

Zielman: Schulungen haben wir eigentlich schon immer gemacht, und dieser Service wird wirklich sehr gut angenommen. Ich denke, wir pflegen mit unseren Kunden eine gute Partnerschaft, die weiter geht als die reine Beziehung zwischen Lieferant und Abnehmer. Wir sprechen auf Basis unseres Grundprogramms sehr intensiv mit ihnen über Marktentwicklungen und Neuentwicklungen aus unserem Haus, denken über Marketingmaßnahmen nach. Wir wollen unseren Kunden helfen, unser Produkt zu vermarkten.

Elissen: Aktuell sind wir auch sehr aktiv in den Social Media unterwegs, um Talalay zu promoten und darüber zu reden. Das geht so weit, dass Leute bei uns anrufen und wissen wollen, wo sie unsere Produkte kaufen können. Denen nennen wir dann gerne Verkaufspunkte, wo die Matratzen unserer Kunden liegen.

Haustex: Welche Bedeutung hat die Talalay-Matratze auf dem deutschen Markt?

Zielman: In Deutschland, wie überhaupt in Europa, ist Talalay-Latex eher ein Bestandteil unter mehreren in einer Federkern-Matratze. Er gibt ihr beispielsweise als Abdeckung den letzten Touch für ein gutes Liegeverhalten. Es wird also eher als Bestandteil einer Hybrid-Matratze verwendet. Reine Talalay-Matratzen gibt es in Europa selten. In Asien und besonders China ist das ganz anders, und teilweise auch in Amerika. Da werden Kerne aus 20 und 22 Zentimeter Talalay verwendet.

Haustex: Erleben Sie durch den Boom bei Boxspringbetten auf dem deutschsprachigen Markt derzeit eine Nachfragesteigerung? Talalay ist ja auch ein hervorragendes Material für Topper.

Zielman: Nein, eher nicht. Wir arbeiten in Deutschland schon seit langem unter anderem mit einem sehr bekannten, hochwertigen Anbieter von Boxspringbetten zusammen. Was uns allerdings aktuell einen starken Umsatzschub in Deutschland bringt, ist die Nachfrage nach unserem Naturtalalay. Denn wenn wir von Naturtalalay schreiben, ist auch wirklich zu 100 Prozent Natur-Latexmilch darin.

Der Verbraucher wird bewusster in seinem Konsumverhalten. Was er kauft, soll gut für ihn selbst sein, aber auch für die Umwelt. Naturtalalay ist dafür im Schlafsektor das perfekte Produkt. Ich glaube, dass der Nachhaltigkeitsgedanke und das ökologische Bewusstsein in Deutschland am stärksten innerhalb Europas an Bedeutung gewinnen werden und das Land damit ein Trendsetter für den Rest von Europa sein wird.

Haustex: Auch wenn eine hundertprozentige Naturtalalay-Matratze von seinem Grundstoff umweltfreundlich ist, so ist der Produktionsprozess durch seinen hohen Energieeinsatz von viel Kälte und danach sehr hoher Hitze doch weniger nachhaltig.

Zielman: Da irren Sie sich. Der Transport des Latex wird wie gesagt schon mal durch die positive CO2-Bilanz der Kautschukbäume ausgeglichen. Außerdem stammt etwa die Hälfte unseres Energieeinsatzes bereits aus sogenanntem grünen Strom, etwa aus Wind- und Wasserkraft. Das Wasser, das wir einsetzen, wird außerdem gefiltert und in nahezu Trinkwasser-Qualität wieder in den Kreislauf zurückgegeben. Es ist unser Ziel, im Jahr 2020 komplett mit natürlicher Energie produzieren zu können.

Elissen: Man darf bei solch einer Betrachtung nicht nur den Produktionsprozess im engeren Sinn berücksichtigen. Bitte bedenken Sie, dass auch erheblicher Energieeinsatz nötig ist, um die Grundstoffe für eine Schaummatratze zu erzeugen. Man verwendet dafür ja nicht Rohöl, sondern Derivate wie etwa Polyole oder Synthese-Latex, die unter hohem Energieeinsatz aus Erdöl gewonnen werden. Natur-Latexmilch fließt einfach aus dem Baum.

Zielman: Wir investieren jährlich in eine ressourcenschonende Produktion und minimieren ständig durch den Einsatz modernerer Techniken den Energieeinsatz. Durch den technischen Fortschritt konnten wir somit den Energieverbrauch deutlich senken.

In Holland sagt man, hohe Bäume fangen den meisten Wind. Wir sind Marktführer im Talalay-Sektor und wegen unserer Marktstellung und unseren qualitativ hochwertigen Produkten schaut man wahrscheinlich besonders kritisch auf uns und versucht von interessierter Seite, vermeintlich negative Fakten bei uns festzumachen. Tatsächlich ist jedoch Talalay-Naturlatex ein sehr umweltfreundliches Produkt.

Haustex: Allerdings führt Vita Talalay auch Produkte in seinem Angebot, die aus unterschiedlichen Anteilen von synthetischem Latex und Naturlatex bestehen.

Elissen: Aber der Anteil dieser Produkte ist rasant rückläufig. Wir haben 2006 erst mit der Produktion von 100 Prozent Naturlatex angefangen, inzwischen macht es einen Anteil von rund 50 Prozent aus, mit stark steigender Tendenz. Ich schätze, dass wir in fünf Jahren zwischen 80 und 90 Prozent reine Naturlatex-Matratzenkerne produzieren werden. Immer mehr Kunden wechseln von Misch-Latex zu reinem Naturlatex. Der Preisunterschied ist bei der Entscheidung eigentlich zu vernachlässigen.

Haustex: Gibt es denn auch genügend Naturlatex für die steigende Nachfrage?

Zielman: Das ist kein Problem. Wir vereinbaren mit den Bauern feste Verträge über Mengen und Preise und sind dadurch über mehrere Monate abgesichert. Wir fahren selbst auf die Kautschuk-Plantagen um zu überprüfen, dass dort keine schiefen Sachen laufen. Dort läuft alles unter westeuropäischen Normen und Standards ab, das ist uns sehr wichtig. Man kann nicht einerseits großen Wert auf nachhaltige Produkte legen, und andererseits bei den Arbeitsbedingungen vor Ort ein Auge zudrücken.

Haustex: Latex hat als Naturprodukt natürliche Schwankungen in seiner Beschaffenheit. Unter welchen Bedingungen erntet man besonders gutes Latex?

Zielman: Das hängt weniger von Umwelteinflüssen ab als vom Alter eines Baumes. Am Anfang und Ende seines Lebens produziert er weniger Latex als in der Mitte. Wir zahlen lieber etwas mehr für das Latex, können dafür aber auch sicher sein, dass wir wirklich 1a-Qualität erhalten. Das zahlt sich dann im Produktionsprozess aus.

Elissen: Wir testen jede Latex-Lieferung auf ihre Beschaffenheit, bevor wir sie auf Lager nehmen. Stimmen die Parameter nicht, kann es auch vorkommen, dass die gesamte Lieferung wieder zurück geschickt wird. Das kommt leider durchaus schon mal vor, aber nur höchst selten.

Haustex: Welche Raumgewichte bieten Sie an?

Elissen: Wir beginnen beim Raumgewicht 30 und gehen bis zum Raumgewicht 80. Für Kissen verwenden wir die leichten Raumgewichte. Bei Latex-Matratzen kann man sagen, je höher das Raumgewicht, desto höher auch die Qualität. Bei Schaum-Matratzen gilt dies nur bedingt.

Haustex: Vita Talalay hat sich vom Umweltforschungsinstitut EPEA Cradle-to-cradle-zertifizieren lassen. Was genau bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Zielman: Das Idealziel von cradle-to-cradle ist, vereinfacht gesagt, dass die Produktion eines Unternehmens nur auf Ressourcen setzt, die natürlichen Ursprungs sind, also nachwachsend und durch ein Kreislaufmodell erneuerbar, also recyclingfähig. Es soll also keine ungenutzten Produktionsabfälle mehr geben. Hinzu kommt die soziale Verantwortung des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern sowie den zuliefernden Unternehmen und deren Mitarbeitern.

Im Prinzip ist ein zertifiziertes Unternehmen also in der Lage, dass seine Produkte durch ein Kreislaufmodell komplett wieder verwendet und weiterverarbeitet werden können, sodass die natürlichen Ressourcen auf der Welt nicht verringert werden. Das muss nicht unbedingt im gleichen Unternehmen geschehen, kann auch in anderen Industriezweigen erfolgen. In unserem Fall bedeutet das im Endziel, dass das Kernmaterial Kautschuk wieder komplett zurückgewonnen wird, um beispielsweise in der Reifenindustrie eine neue Verwendung zu finden. Das ist ein hohes Ziel.

Haustex: Und Vita Talalay erfüllt diese Anforderungen?

Zielman: Nein, noch nicht. Aber wir sind auf dem Weg dorthin. Übrigens derzeit als weltweit einziges Unternehmen aus der Matratzen Zulieferindustrie. Es wäre vom EPEA-Institut zuviel verlangt, dass ein Unternehmen sofort in der Lage ist, sämtliche Cradle-to-cradle-Kriterien zu erfüllen. Der gesamte Umsetzungsprozess kann bis zu 20 Jahre dauern. Es bedarf anfangs einer eingehen Analyse eines Unternehmens und seiner Prozesse, dann werden Pläne für die zeitliche Umsetzung erarbeitet, um anschließend die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und Investitionen zu tätigen. Wir haben 2011 begonnen, uns mit der Zertifizierung zu befassen und sind in diesem Jahr erstmals zertifiziert worden.

Haustex: Wie verläuft der Zertifizierungsprozess durch das Institut?

Elissen: Die Zertifizierung beinhaltet fünf Stufen. Es beginnt bei Basic, das bedeutet, das Unternehmen hat einen konkreten Plan, wie man vorgehen möchte, mit der Umsetzung aber noch nicht begonnen. Es geht dann weiter über Bronze, erste Umsetzungen wurden vorgenommen, und Silber bis zu Gold und schließlich Platin als Endziel. Die Umsetzung der Pläne wird regelmäßig durch das Institut überprüft. Dabei ist es verpflichtend, dass ein zertifiziertes Unternehmen in jedem Jahr Verbesserungen erzielt. Wenn nicht, wird die Zertifizierung wieder aberkannt.

Haustex: Und wo steht Vita Talalaly in der Zertifizierung derzeit?

Zielman: Uns ist es gelungen, in der ersten Zertifizierung gleich bei Silber einzusteigen. Wir sind also schon ziemlich weit in der Umsetzung des Cradle-to-cradle-Prinzips. Wir verfügen bereits über eine sehr gute Anlage zur Wasser-Filtration, unser Naturlatex ist logischerweise frei von petrochemischen Bestandteilen und wir arbeiten nahezu emissionsfrei. Unser nächstes Ziel, die nächste Phase ist Gold. Diese Zertifizierung möchten wir im nächsten Jahr erhalten. Die Voraussetzung dafür ist unter anderem die Verwendung von mehr als 50 Prozent grüner Energie.

Elissen: Eine wichtige Voraussetzung, um überhaupt zertifiziert werden zu können, ist die Verwendung von Zutaten, die recyclingfähig sind. Fragwürdige Substanzen müssen gegebenenfalls durch andere, umweltfreundliche Zutaten ersetzt werden. Wenn das nicht möglich ist, kann die Zertifizierung nicht erfolgen. Wir mussten darum unsere gesamten Rezepturen offenbaren. Sie können sich vorstellen, dass uns das nicht leicht gefallen ist.

Haustex: Wie reagieren Ihre Kunden auf die Zertifizierung?

Elissen: Sehr gut. Es wird als Stimulanz für die gesamte Branche gesehen. Unsere Vorreiterrolle wird von den Kunden positiv anerkannt. Die Zertifizierung zeigt unseren Kunden, dass wir nicht nur über den Nachhaltigkeitsgedanken reden, sondern auch sehr praktisch handeln.

Haustex: Aber die Zertifizierung bezieht sich nicht allein auf Vita Talalay, auch Ihre Kunden sind durch den späteren Recyclingprozess mit im Boot.

Elissen: Das stimmt. Es haben sich auch schon einige deutsche Kunden beim EPEA-Institut informiert, um zu erfahren, was sie selbst unternehmen können. Sie wollen den Weg mit uns gemeinsam gehen. Ich hoffe, dass unsere Initiative weitere Kreise ziehen wird.

Zielman: Es ist nur logisch, dass wir uns um Nachhaltigkeit bemühen, schließlich verarbeiten wir mit Naturlatex ein hundertprozentiges Naturprodukt. Wir sind davon überzeugt, dass die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Umweltschutz gerade auch auf dem deutschen Markt immer weiter an Bedeutung gewinnen wird. Wenn der Endverbraucher die Wahl hat zwischen einem umweltfreundlichen Produkt und einem weniger nachhaltigen Produkt, wird er sich meiner Meinung nach immer für das umweltfreundliche Produkt entscheiden - sofern es nicht wesentlich mehr kostet als das andere. Es wird der Zeitpunkt kommen, zu dem sich die Endverbraucher von Unternehmen abwenden werden, die nicht umweltverantwortlich arbeiten. Davon bin ich ganz fest überzeugt. Das dauert mit Sicherheit noch eine Weile, aber es wird so kommen.


Vita Talalay - in Kürze


Radium Foam
Fort Willemweg 61
6219 PA Maastricht
Niederlande
Tel.: 0031/43 328 87 88
Fax: 0031/43 325 60 16
E-Mail: info@radiumfoam.nl
Internet: www.vitatalalay.com

Geschäftsführer: Cees Zielman

Mitarbeiterzahl: rund 90

Produkte: Matratzen im Talalay-Verfahren aus 100 Prozent Naturlatex und Mischungen aus Natur- und Syntheselatex

Marke: Vita Talalay

Absatzmärkte: weltweit in derzeit 35 Ländern
aus Haustex 09/15 (Wirtschaft)