ABK Cheftagung

"Weniger beraten, mehr verkaufen


Potsdam. Wie positioniert man sich als Bettenfachhändler, um den Herausforderungen durch das Internet und bestens informierte Endverbraucher gerecht zu werden? Auf seiner Cheftagung in Potsdam gab die ABK ihren Mitgliedern unter dem Motto "Vorsprung durch Dynamik" Orientierung durch interessante Referate und aufschlussreiche Diskussionen mit Branchenexperten.

In den vergangenen sechs Jahren hat sich die ABK mitsamt den Geschäften ihrer Gesellschafter in ihrer Struktur stark verändert. Anschaulich verdeutlichte dies Verbands-Geschäftsführer Thomas Fehr in seiner Begrüßungsrede mit einer Rückschau über die vergangenen Cheftagungen seit 2009 in Worms. Permanent beschäftigte man sich während der Jahrestagungen mit der zukunftsgerechten Ausrichtung der ABK-Anschlusshäuser. Ein ganz wichtiger Markstein war sicherlich die Tagung in Rostock, auf welcher der ABK Future Store aus der Taufe gehoben wurde. Inzwischen wurden in Zusammenarbeit mit Industriepartnern erste Einzelhandelsmodule entwickelt, die aus dieser Initiative entstanden sind und sich bei den Händlern in der Realität bewährt haben. Beispiele dafür sind ABK-TV oder das Beleuchtungs-Modul.

Das Projekt mit der mutmaßlich größten Tragweite ist allerdings die sogenannte elektronische Ladentheke. Fachgeschäfte können ihren Kunden auf einem Tablet-Computer Produkte vorstellen, die aktuell zwar nicht im Laden vorrätig, aber innerhalb kürzester Zeit lieferbar sind - beispielsweise ein etwas ausgefalleneres Dessin einer Bettwäsche-Garnitur. Zugriff auf die Datenbank hat alleine der Fachhandel, das System ist nicht als E-Commerce-Plattform für den Endverbraucher konzipiert.

Inzwischen haben sich zahlreiche ABK-Händler und eine gut zweistellige Zahl an Lieferanten zusammengeschlossen, um über dieses Medium zusammenzuarbeiten. Laut ABK-Geschäftsführer Fehr war dieses Projekt von vornherein nicht allein auf Anschlusshäuser des Verbandes beschränkt. Auch Händler außerhalb der ABK sind eingeladen, sich in das Projekt einzuklinken. In Potsdam konnte Fehr einen ersten prominenten Partner jenseits der ABK vorstellen: Betten Rid wird sich mit einer auf seine Häuser zugeschnittenen Version an der elektronischen Ladentheke beteiligen.

E-Commerce sei zwar kein Tsunami, der den Bettenfachhändler überrollen werde, so Fehr zu den Tagungsgästen. Aber die Veränderungen, die der Internet-Handel im stationären Handel bewirkt habe, seien unumkehrbar. Als Beispiel nannte er, dass der stationäre Handel mit dem Online-Geschäft immer stärker zusammenwachse. Das eine ist ohne das andere kaum denkbar.

Mit diesen Worten leitete Fehr den ersten Vortrag von Pierre Haarfeld ein. Er ist Partner des Hamburger Beratungsunternehmens eTribes für digitale Geschäftsmodelle und arbeitet unter anderem mit der Otto Group und der Bauer Media Group zusammen. Haarfeld stellte vier Thesen zum Wandel des Handels auf und klopfte sie auf ihre Realität ab. Mehr dazu auf der nächsten Seite.

Dirk Matthiessen, Geschäftsführer vom Stadtmarketing und Citymanagement Pinneberg, erläuterte am Beispiel der Stadt im Speckgürtel Hamburgs unter anderem, welche Aufgaben ein Citymanager hat und wie er den lokalen Handel unterstützt.

Die Voraussetzungen in der Stadt mit rund 40.000 Einwohnern sind nicht ideal. Pinneberg hat den höchsten Pro-Kopf-Verschuldungsgrad in Schleswig-Holstein. Mit der Bahn ist man in rund 20 Minuten mitten in der Hamburger City mit ihrem attraktiven Handelsangebot. Was Matthiessen nicht erwähnte: Es fehlt in Pinneberg auch der Einzelhandels-Magnet, der Kunden umgekehrt von außerhalb in die Stadt locken könnte. Die Kaufkraft-Kennziffer liegt laut GfK zwar bei 106, also über dem bundesdeutschen Durchschnitt, aber sie wandert zu einem nicht unbedeutenden Teil ab. Die Zentralität von Pinneberg beträgt somit nur 81. Hinzu kommt ein sehr geringes Gewerbesteuer-Aufkommen. Auf der anderen Seite hat Pinneberg hinsichtlich der Einwohnerzahl die richtige Größe für ein funktionierendes Stadtmarketing. Es sind nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige, um diese Institution effektiv zu führen.

Auch die allgemeine Handelssituation macht es dem Standort nicht leichter. Der Einzelhandelsumsatz hat sich in Deutschland seit 2011 zwar kontinuierlich gesteigert, aber der Online-Handel ist in den Jahren noch schneller gewachsen und hat somit Marktanteile dazu gewonnen. Er liegt laut Matthiessen aktuell zwischen 16 und 17 Prozent vom gesamten Handelsumsatz. Erschwerend kommt hinzu, dass die Prognosen bis zum Jahr 2020 wieder sinkende Handelsumsätze vorhersagen. Was kann man als Citymanager in einer Stadt wie Pinneberg angesichts dieser Entwicklung unternehmen?

Zuvorderst darf sich Matthiessen um die zahlreichen Leerstände in der Stadt kümmern, die auch mehrere, zum Teil direkt benachbarte Handelsimmobilien in vermeintlich bester Lage betreffen. Kein leichtes Unterfangen, wenn solch eine Fläche im umfänglichen Bestand einer Immobilien-Firma irgendwo unter ferner liefen verbucht ist. Bei natürlichen Personen als Eigentümern ist es schon einfacher. Sie kann man beispielsweise dazu überreden, die Leerflächen für ein Zwischennutzungskonzept zu verwenden und so etwas zu kaschieren.

Es gilt aber auch nicht zuletzt, die Sympathien der Pinneberger für ihren Standort und den lokalen Handel zu gewinnen. Gemeinsam mit der Marketingagentur Gruppe Drei hat man darum ein Marketingkonzept erarbeitet, mit einem Markenlogo und dem Slogan "Pinneberg - Persönlich. Ehrlich. Anders."

Weitere Aktivitäten, die Matthiessen angestoßen hat: ein Internet-Portal, in dem unter anderem sämtliche Handelsflächen der Stadt kartiert sind - einschließlich der Leerstände und Ansprechpartner für Mietinteressenten Außerdem koordiniert man verschiedene Festivitäten und verkaufsoffene Sonntage und leitet einen von sechs Business-Improvement-Districten des Bundeslandes (BID), der in Schleswig-Holstein allerdings unter PACT firmiert, Partnerschaften zur Attraktivierung von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen. Unter anderem wird auf diesem Weg die Weihnachtsbeleuchtung finanziert. Nun drohen jedoch Forderungen des Finanzamtes, diesen PACT zu torpedieren.

Das Internet sieht das Stadtmarketing Pinneberg nicht per se als Gegner an. "Aber wenn man im Internet shoppt, dann bitte bei lokalen Anbieter", so Matthiessen. Was für ihn dafür spricht: Nach seinen Informationen kaufen mehr Verbraucher stationär, die sich vorher im Internet informiert haben, als umgekehrt. Pinneberg unterstützt darum auch die Aktion "Lass’ den Klick in Schleswig-Holstein", der vom Landesradio RSH initiiert wurde.

Grundsätzlich geht es Matthiessen darum, dem lokalen Handel Selbstvertrauen einzuimpfen und den eigenen Standort Wert zu schätzen. Denn er ist überzeugt davon, "Provinz zu sein, ist ein Privileg."

Ein weiteres Thema war in Potsdam der kurz vor der ABK Cheftagung durch die Stiftung Warentest veröffentlichte neue Matratzentest, in dem auch zum Selbstbau eines Matratzenrostes aufgerufen wurde. Wenig verwunderlich war der Artikel das Tagesgespräch unter den Tagungsteilnehmern. ABK-Geschäftsführer Thomas Fehr entschloss sich darum kurzfristig, den Test-Bericht auf die Tagungsordnung zu setzen. Sehr engagiert wurde darüber diskutiert, wie man mit der Veröffentlichung und den darin enthaltenen, abstrusen Behauptungen umgehen soll. Mehr dazu lesen Sie in dem separaten Artikel über die Stiftung Warentest ab Seite 6.

Zur Sache ging es auch während einer Podiumsdiskussion zwischen Vertretern aus Handel und Industrie zu der Frage, welche Chancen der stationäre Handel gegenüber den etablierten Ketten hat und wie man sich als lokaler Anbieter gegenüber den E-Commerce-Anbietern behaupten kann. Boris Thomas, Geschäftsführer von Lattoflex, zog für den stationären Handel eine Parallele zum Internethandel: So wie im Internet-Geschäft auf Neudeutsch Traffic und Conversion Rate die harte Währung für den Erfolg eines Internetshops sind, so sind es im stationären Handel Frequenz und Abschlussquote. Sie alleine entscheiden Thomas zufolge über Erfolg und Misserfolg. Zwar sei die Abschlussquote in den Bettenfachgeschäften im Vergleich zu anderen Warensegmenten überdurchschnittlich hoch, aber auf der anderen Seite sei die Kundenfrequenz recht niedrig. An ihr, so Thomas, gelte es zu arbeiten.

Frequenz im Laden sei das eigentliche Thema. Sie ist nach seiner Auffassung von wesentlich größerer Bedeutung als das Ambiente eines Geschäftes und die Anordnung der Warensegmente innerhalb eines Geschäftes, worauf ein Einzelhändler laut Thomas gerne viel Gehirnschmalz verwendet. Aktionen wie Buy Local oder andere seien in diesem Zusammenhang seiner Meinung nach nicht von Erfolg gekrönt: Sie böten dem Verbraucher keinen wirklichen Nutzen.

Sven Maier führt gemeinsam mit seiner Frau Eva drei Fachgeschäfte in Bad Boll, Stuttgart und Echterdingen. Er schlug in die gleiche Kerbe wie Thomas und betonte, dass sich jeder Einzelhändler regelmäßig fragen sollte, warum der Kunde ausgerechnet bei ihm einkaufen sollte. Eine Motivation könnte ihm zufolge der Wunsch nach Vertrauen und Sicherheit sein. Punkte, die ein Käufer im Internet nicht unbedingt findet. Und wie schafft man seiner Meinung nach Vertrauen? Indem man den Kunden zu den Produkten eine Geschichte erzählt, kein Märchen, sondern Hintergrundwissen zu den Produkten, sodass der Verbraucher versteht, warum der betreffende Artikel seinen Preis wert ist.

ABK-Geschäftsführer Fehr wiederum rät den Händlern, dass sie sich klar darüber sein müssten, mit welcher Strategie man die Kunden gewinnen möchte. Und wenn man sich für eine Strategie entschieden habe, sei es wichtig, ihr auch treu zu bleiben: "Man muss nicht jeder neuen Entwicklung hinterherlaufen." Auf der anderen Seite sei es nützlich, regelmäßig über den eigenen Tellerrand hinwegzublicken und sich Anregungen von Kollegen und aus anderen Handelsbereichen zu holen. Es sei leichtfertig einfach anzunehmen, dass gute Ideen im eigenen Geschäft aus irgendwelchen Gründen nicht funktionieren würden, so Fehr. Damit würde man möglicherweise Chancen verpassen.

Frank Gänser, Geschäftsführer von Brinkhaus und Badenia, erinnerte daran, dass man als Einzelhändler zwar auf eine gute Kundenfrequenz angewiesen sei, dabei aber nicht vergessen dürfe, dass es auch gut ausgebildeten Personals bedürfe, das die interessierten Käufer adäquat in Empfang nimmt und dafür sorgt, dass man sich im Geschäft willkommen und wohl fühlt.

Sven Maier konnte dem nur zustimmen. "Qualifizierte Mitarbeiter und die ausreichende Rekrutierung von gutem Nachwuchs ist das Thema der Zukunft", weiß er aus eigener Erfahrung. Der Dialog mit dem Kunden verlaufe im direkten Kontakt im Geschäft unkomplizierter als per anonymer Chat-Funktion im Internet - wenn das Personal kompetent geschult ist, gibt Maier zu bedenken.

Boris Thomas allerdings warnte eindringlich davor, sich die Situation im Handel schön zu reden. Es reiche nicht zu behaupten, dass der Bettenfachhandel wegen des demografischen Wandels auch noch in Jahren Bestand haben werde und dass Matratzen im stationären Handel gekauft würden. Er habe in den letzten etwa zwölf Monaten international einen Boom an Gründungen von interessanten Internet-Matratzenhändlern beobachten können, die dem stationären Handel durchaus Paroli bieten können.

Der Lattoflex-Chef nannte Beispielhaft den amerikanischen Internet-Anbieter Casper (casper.com) , an dem auch die Schauspieler Tobey Maguire und Leonardo DiCaprio beteiligt sein sollen. Das Unternehmen ist sehr klar und verständlich für den Kunden aufgestellt, denn man bietet nur eine Matratze mit einem Bezug für alle an. Caspar sei in den USA wirtschaftlich sehr erfolgreich, so Thomas. In New York City erfolgt die Auslieferung noch am gleichen Tag zu einer gewünschten Zeit - per Fahrrad. Aktuell ist man auf der Suche nach einem Standort in Europa. Thomas schätzt, dass in Deutschland in nicht allzu weiter Ferne etwa zehn Prozent aller verkauften Matratzen über das Internet abgesetzt werden. Als weiteren interessanten Anbieter, diesmal stationär, empfiehlt er Gardner’s (gardnersmattressandmore.com). Dort kann man unter anderem gratis einen interessanten Matratzenführer online bestellen.

Thomas hat aus den Erfahrungen, die er in zahlreichen Gesprächen mit Handelspartnern mitgenommen hat, noch eine weitere, provokativ formulierte Empfehlung in Potsdam präsentiert: Man solle schlicht weniger beraten und mehr verkaufen. Eine vermeintlich neutrale Haltung des Verkaufsberaters gegenüber den Produkten im Laden, nach dem Motto "welche Matratze zu Ihnen passt, müssen Sie selbst herausfinden", bedeute eine Überforderung des Kunden. Thomas ist stattdessen überzeugt, dass der Kunde in der Regel eine Orientierungshilfe durch den Verkäufer wünscht und für ihn zumindest eine Vorauswahl aus der Vielfalt der angebotenen Matratzen getroffen werden sollte. "Eine reine Information über das Sortiment gibt es auch im Internet, dafür muss ein Kunde nicht in ein Geschäft kommen", betont Thomas.

Thomas Fehr konnte dem Lattoflex-Chef in diesem Punkt nur zustimmen. Auch er ist überzeugt davon, dass der Kunde geführt werden müsse. Dabei müsse man darauf achten, ihn in der Beratung nicht zu sehr mit technischen Details zu überfrachten. Letztlich möchte der Endverbraucher einfach gut schlafen, egal, auf welchem Kernmaterial ihm das gelingt. In diesem Zusammenhang machte Fehr noch einmal auf die Verkaufsschulungen aufmerksam, die der Verband gemeinsam mit den Darstellern des Improvisationstheaters Steife Brise anbietet.

Der Nachmittag schließlich war dem Leitbild der ABK gewidmet, das 2012 auf der Cheftagung in Zell am See erarbeitet und visuell umgesetzt wurde. Um den Mitgliedern die Details dieses Leitbilds wieder in Erinnerung zu rufen und die Bedeutung der einzelnen Punkte zu vertiefen, wurde im Garten des Hotels ein Parcours aufgebaut, in dem in Teamarbeit verschiedene Aufgaben zu lösen waren. Aus den einzelnen Aufgaben wurden Analogien zu den Themen des Leitbildes gezogen. Die Teams bestanden aus Händlern und Lieferanten, die sich gemeinsam bei der Lösung der Aufgaben richtig ins Zeug legten. Beispielsweise mussten die Gruppen aus Plastiktrinkhalmen und ein wenig Tesafilm eine Konstruktion bauen, die ein rohes Ei vor dem Zerschellen schützen sollte, das aus etwa zwei Meter Höhe auf den Boden fallen gelassen wurde. Einigen gelang es. Oder man musste mittels einer Seilkonstruktion, an der sich ein Haken befand, Holzklötze übereinander stapeln. Die Ausführung der Aufgaben wurde mit Punkten bewertet und die Teamleistung zum Abschluss des Themenparcours in einer kleinen Siegerehrung gewürdigt.

Danach hatten alle Teilnehmer den gemütlichen Abend im sogenannten Gipfelstüberl des Hotels redlich verdient, dem Nachbau einer urigen Alphütte. Bei leckerem Spanferkelbraten und dem einen oder anderen Kaltgetränk ließ man den Tag noch einmal Revue passieren und nutzte den Austausch mit Kollegen und den Industrievertretern.

Fürs nächste Jahr können sich ABK-Mitglieder und Industriepartner auf eine Cheftagung in Süddeutschland freuen: Sie findet vom 28. bis 30. September im Hotel Schwarzwald Panorama in Bad Herrenalb statt.
aus Haustex 10/15 (Wirtschaft)