ICOC XIII, Washington DC, USA

Ein Schritt Richtung Zukunft


Es wurde viel Schwarzmalerei betrieben im Vorfeld der dreizehnten Ausgabe der International Conference on Oriental Carpets (ICOC). Schließlich wirkte die Organisation von außen betrachtet etwas wie mit der heißen Nadel gestrickt. Es stimmt schon: Nicht alles war bei der ICOC XIII in Washington DC perfekt. Das Timing mit einem Termin im August zum Beispiel und auch der sehr lange Weg zwischen dem Vortragsraum und der Händlermesse (15 Minuten zu Fuß) waren alles andere als optimal. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, ob es nicht doch besser ist, etwas kurzfristig in Angriff zu nehmen und dafür mit gewissen Einschränkungen zu leben, als etwas ganz sein zu lassen.

Schwerpunkt Wissensaustausch

Aber erst mal von Anfang an. Die ICOC ist seit der Gründung Ende der 1970er-Jahre die bedeutendste Zusammenkunft von Experten und Liebhabern orientalischer Teppiche. Der Fokus liegt dabei auf dem Wissensaustausch. Sei es durch Vorträge, Gespräche in den Pausen oder Ausstellungen. Und natürlich auf den parallel stattfindenden Händlermessen. Ganz wichtig zu wissen: Hier wird keine aktuelle Konsumware angeboten, sondern antike Teppiche und Textilien. Die Konferenzen fanden in der Vergangenheit alle drei bis vier Jahre statt, immer an wechselnden Standorten.

Teilnehmerflaute in der Urlaubszeit

Die zwölfte und letzte ICOC fand 2011 in Stockholm statt, über einen Termin in diesem Jahr war viel spekuliert worden. Trotzdem hielt sich das Organisationsgremium lange zurück, mit Plänen für die dreizehnte Konferenz an die Öffentlichkeit zu gehen. Erst Ende Februar gab es erste offizielle Verlautbarungen; Anmeldungen waren ab April möglich. Die Organisatoren hatten also nur sehr wenig Zeit, ein spannendes Vortragsprogramm zusammenzustellen - immerhin das Rückgrat einer solchen Konferenz - und Aussteller für eine hochkarätig besetzte Händlermesse zu akquirieren. Es blieb auch sehr wenig Zeit für potenzielle Teilnehmer, eine Reise nach Washington zu organisieren. Schließlich war die ICOC für die Ferienzeit terminiert, die insbesondere von Eltern mit Schulkindern schon längerfristig verplant war. Aus Europa kamen folglich außer Rednern und Ausstellern keine Besucher nach Washington.

Doch allen Unkenrufen zum Trotz ist es den Organisatoren, allen voran Wendel Swan, tatsächlich gelungen, in wenigen Monaten eine komplette ICOC zu organisieren. Dazu gehörte es auch, ein interessantes und vor allem vielseitiges Vortragsprogramm auf die Beine zu stellen. Das wissenschaftliche Komitee unter der Leitung von Alberto Boralevi hat hier ganze Arbeit geleistet.

Renommierte Händler, spannende Ausstellungen

Die Händlermesse war zwar klein, dafür aber ausschließlich mit renommierten Händlern besetzt. Entsprechend gut waren die Teppiche, Fragmente, Taschen und Textilien, die zu sehen - und zu kaufen - waren. Problematischer war die Tatsache, dass sich die Messe im Hilton Garden Hotel befand, während die Vorträge im Jack Morton Auditorium der George Washington University einige Blocks entfernt stattfanden. Die Teilnehmer konnten sich also überlegen, ob sie lieber den Vorträgen folgen oder doch auf die Messe gehen wollten. Keine perfekten Voraussetzungen für große Frequenz auf den Ständen. Verschärft wurde diese Situation auch dadurch, dass es ein dichtes Rahmenprogramm mit mehreren spannenden Ausstellungen gab, die sich kein Sammler entgehen lassen konnte. Ein Luxusproblem für die Teilnehmer.

Auch bei den Ausstellungen gelang den Organisatoren Beachtliches in sehr kurzer Zeit. Gleich ein Stockwerk über dem Auditorium, in dem die Vorträge stattfanden, gab es unter dem Titel "Common Threads" um die 30 Kissen aus Anatolien, Persien, Zentralasien und vor allem Skandinavien zu sehen. Im Textile Museum selbst lockte "Unraveling Identity" die Teilnehmer in die drei Ausstellungsräume. Gezeigt wurde ein bunter Mix aus den besten Teppichen und Textilien des Museums. Eigentlich ein Traum für jeden Teppichbegeisterten. Doch so beeindruckend die ohne Frage höchste Qualität der Exponate auch war: Ein schlüssiges Konzept oder auch nur ein inhaltlich roter Faden, der sich durch die Ausstellung zog, war nicht zu erkennen. Etwas enttäuschend, denn schließlich war das Textile Museum der Grund, warum es überhaupt nach Washington ging.

Ebenfalls bunt gemischt waren die Stücke, die die International Hajji Baba Society in der Galerie von David Zahirpour zusammengetragen hatte. Im Gegensatz zum Textile Museum wo (kein Scherz) wirklich ein Batman-T-Shirt und ein Tekke-Asmalyk im selben Raum hingen, wirkte die Ausstellung der IHBS-Leihgaben runder und zugänglicher. Die vierte Ausstellung - diese in der Kunstgalerie von Susan Calloway - widmete sich Gebetsteppichen aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Etwas für jeden Geschmack und Geldbeutel

Sehr viel zu sehen - und zu kaufen - gab es auf der schon angesprochenen Händlermesse im Hilton Garden Inn. Die 16 Aussteller kamen aus Europa, der Türkei und natürlich den USA. Die Auswahl reichte von bezahlbaren Perlen bis zu ganzen großformatigen Teppichen, wie dem blaugrundigen Nord-West-Perser von Ronnie Newman. Für Turkmenenfreunde gab es an fast jedem Stand etwas zu finden und das in allen Preisklassen. James Cohen hatte auch an Jungsammler gedacht und spannende Fragmente zu verlockenden Preisen im Angebot. Ali Aydin zeigte einen Bilderbuch-Tier-Baum-Ensi.

Eine große Auswahl gabs auch bei den persischen Knüpfungen. John Collins Stand beispielsweise ließ das Herz eines jeden Sammlers höher schlagen, der sich auch nur halbwegs für das Thema interessierte. Ebenso groß war die Auswahl bei den Kaukasen und natürlich den Anatoliern. Es ist wirklich bedauerlich, dass die Teilnehmer, die das gesamte ICOC-Programm wahrnehmen wollten, so wenig Zeit hatten, sich mit dem Angebot gebührend auseinanderzusetzten. Es wäre zu wünschen, dass die ICOC XIV - wo und wann auch immer sie stattfinden mag - mehr Möglichkeiten für einen Messebesuch bietet. Im Interesse der Aussteller und auch der Sammler.

Teppichwissen aus den unterschiedlichsten Perspektiven

Kaum verbesserungswürdig, sondern vielfältig und interessant, war dafür das Vortragsprogramm. Hier hat das wissenschaftliche Komitee ganze Arbeit geleistet. In fünf Segmenten wurde aus den unterschiedlichsten Perspektiven auf den Teppich geblickt. Mit den Informationen aus den Vorträgen ließen sich ganze Bücher füllen. Am ersten Tag lag der Fokus mehr auf wissenschaftlichen Themen wie Neuem aus der Teppichforschung (Session A mit Vorträgen von Alberto Boralevi, Elena Tsareva, John Wertheim, Jim Ford, Heather Ecker und Dennis Dodds) und der Arbeit der Museen (Session B mit Vorträgen von Walter Denny, Bruce Baganz, Sumru Belger Krody, Roya Taghiyeva und Suzan Bayraktaroglu). Waren die Vorträge bis jetzt das, wofür die ICOC seit den 1970ern steht: international, wissenschaftlich, tiefgründig und für Teppichneulinge hin und wieder etwas zu speziell, zeigte sich in der Folge, dass man bei der ICOC auch neue Wege geht.

Der zweite Vortragstag hatte am Vormittag einen eher sammlerorientierten Ansatz (Session C mit Vorträgen von Koos de Jong und Wendel Swan sowie einem humorvoll-tiefschürfenden Interview von Ben Evans mit dem Sammlerehepaar Marilyn und Marshall Wolf). Einen wichtigen Schritt in Richtung Zukunft machte die ICOC mit der von Edoardo Marino organisierten Session, einem Vortrag über die Rolle des Internets in der Teppichwelt und einer anschließenden Podiumsdiskussion (mit Thomas Cole, Steven Price, Francesca Fiorentino, John Howe und Lauren Arnold).

Eine ganz andere Perspektive brachte die abschließende Session, die von Asli Samadova kuratiert wurde. Sie führte Teppiche und Textilien mit zeitgenössischer Kunst zusammen. Eine Herangehensweise, die ganz besonders eine jüngere Generation anspricht. War es früher die Faszination des Orients mit Rucksack-Touren durch Afghanistan und Indien, die die Begeisterung für den Teppich entfachte, ist es heute vor allem die Auseinandersetzung mit der Ästhetik, die dafür sorgt, dass sich Menschen intellektuell mit dem Teppich auseinandersetzten.
aus Carpet Magazin 04/15 (Wirtschaft)