Frauen im Handwerk: Interview mit Susanne Reich-te Kate

"Viele Betriebe schätzen heute die weibliche Sichtweise"


Frauen sind im Malerhandwerk nach wie vor in der Minderheit. Doch langsam nimmt ihr Anteil zu. Susanne Reich-te Kate, Malermeisterin und heute Leiterin Technik Reno Deko bei Henkel, spricht über ihre Erfahrungen, veränderte Rollenbilder und das Image des Malerberufs.

BTH Heimtex: Was hat Sie als Frau daran gereizt, in das Malerhandwerke einzusteigen, eine Männerdomäne?

Susanne Reich-te Kate: Das lässt sich so nicht beantworten, da die Entscheidung familiär begründet war. Nach der kaufmännischen Ausbildung bin ich in den Familienbetrieb eingestiegen, der heute meinem Bruder gehört. Und dort wollte ich nicht nur im Büro tätig sein, sondern mich auch fachlich einbringen. Mein Credo war: Ganz oder gar nicht. Deshalb wollte ich selbst alles können und alles von der Pike auf lernen.

BTH Heimtex: Waren Sie sich der Situation im Spannungsfeld Frau-Mann bewusst?

Reich-te Kate: Eher nicht. Ich bin mit Selbstbewusstsein rangegangen und habe mir diese Gedanken gar nicht gemacht. Bei früheren Generationen war das sicher anders, als Frauen noch ein festeres Rollenbild hatten. Und auch die Betriebe haben es als schwierig empfunden, eine Handwerkerin auszubilden oder anzustellen. Inzwischen habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass viele Betriebe die weiblichen Sicht- und Herangehensweisen schätzen.

BTH Heimtex: Wurden Sie gleichberechtigt behandelt?

Reich-te Kate: Grundsätzlich ja. Aber natürlich gab es immer auch Situationen, in denen ich mit Vorurteilen konfrontiert wurde. Die waren aber eher selten. Mit fachlicher Kompetenz und Know how konnten diese in der Regel schnell ausgeräumt werden. In meinem heutigen Umfeld, vor allem bei Henkel, halte ich es nicht für gelebte Praxis, dass Frauen anders als Männer behandelt werden. In den Malerbetrieben gibt es dagegen sicherlich immer noch Kollegen, die die Klischees hoch halten. Aber das wird immer seltener.

BTH Heimtex: Was machen Frauen im Malerberuf anders als Männer? Sind sie kreativer?

Reich-te Kate: Frauen, die sich heute für den Malerberuf entscheiden, tun dies ganz bewusst. Die meisten möchten dann auch mehr als nur die Ausbildung absolvieren. Sie wollen sich zur Meisterin weiterbilden und vorankommen. Klar, dadurch werden die noch wenigen Frauen in diesen Beruf als ehrgeiziger wahrgenommen. Inzwischen dürfte überall angekommen sein, dass Frauen genauso fähig sind wie Männer. Der Malerberuf hat jedoch generell mit einem schlechten Image bei jungen Leuten zu kämpfen, die Kreativität ist noch das Beste an der Außendarstellung. Ob Frauen kreativer sind, kann ich nicht sagen. Positiv verändert hat sich aber der Umgangston, der früher ohne Frauen rauer war.

BTH Heimtex: Müsste der Malerberuf aufgrund seiner kreativen Vielfalt nicht eher Frauen ansprechen?

Reich-te Kate: Das könnte sein, aber der Beruf ist nicht nur kreativ. Man darf nicht ignorieren, dass er denen, die ihn ausüben, körperlich viel abverlangt. Das wirkt sicher oft auch abschreckend. Schwere Säcke, Eimer und Geräte, Gerüste - das kann schon eine Herausforderung sein. Man, also Frau, kann sich natürlich helfen; jedoch ist das ein bisschen mit Sport vergleichbar. Frauen stemmen nicht die gleichen Gewichte wie Männer.

BTH Heimtex: Inzwischen bekleiden Sie bei Henkel eine verantwortungsvolle Position. Werden Sie auch außerhalb des Großunternehmens akzeptiert?

Reich-te Kate: Ja, das empfinde ich so. Und es ist auch so - im Unternehmen von Kollegen und Vorgesetzten, aber auch außerhalb bei Kunden.

BTH Heimtex: Was sollte die Gesellschaft unternehmen, um Frauen den Einstieg in Männerberufe zu erleichtern?

Reich-te Kate: Das ist nur bedingt eine Gesellschaftsfrage, sondern viel mehr eine Generationenfrage. Die Entwicklung, dass es Frauen in klassischen Männerberufen gibt, ist nicht mehr aufzuhalten - wie umgekehrt Männer in klassischen Frauenberufen.

Ich will nicht abstreiten, dass es noch Ungleichbehandlungen und Vorurteile gibt, aber für junge Leute ist die klassische Rollensichtweise häufig nicht mehr gelebte Praxis. Frauen müssen natürlich mit Selbstbewusstsein an die Sache gehen, denn sie müssen sich genauso wie Männer behaupten.
aus BTH Heimtex 12/15 (Wirtschaft)