Imm Cologne

Das Wohnen verändert sich, die Möbel auch

Auf der Imm Cologne konnte man sehen, dass Möbel heute kleiner, multifunktional, aber gerne auch bequem sein sollen. Klassiker erleben in neuem Gewand eine Renaissance. Und das Smart Home steht in den Startlöchern.

Kurz nach Ende der Heimtextil in Frankfurt und noch während in Hannover die Domotex läuft, öffnete die Imm Cologne ihre Pforten und lädt auf das Kölner Messegelände ein. Vom Namen her ist es "nur" die Internationale Möbelmesse, aber tatsächlich fasst sie ihr Thema viele weiter - es geht um das Einrichten insgesamt, ja sogar um das Wohnen an sich. Und das verändert sich derzeit spürbar, weil sich die Gesellschaft verändert. Sie wird älter, mobiler, flexibler, städtischer, umwelt- und gesundheitsbewusster - und weiblicher.

Die Möbel spiegeln diese Veränderungen wider: Sie wollen sich einfügen in das moderne Lebenstempo, schrumpfen analog zu den immer teureren, kleineren Stadtwohnungen, werden leichter und damit mobiler, integrieren moderne Technologien wie Tablets und sollen insgesamt größeren Komfort bieten. "2050 wohnt die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten," erklärt Ursula Geismann vom Verband der deutschen Möbelindustrie. "Da brauchen Architekten pfiffige Ideen für kleine Wohnungen." So bietet die Belfaster Firma "Humble Homes" clevere Lösungen, in denen Wohnen, Schlafen und Arbeiten auf wenige Quadratmeter passen. Multifunktionsmöbel können von der Garderobe zum Regal umgewandelt werden, ein Regal ist gleichzeitig Barhocker. Schränke werden rollbar, Schreibtische präsentieren sich als zusammenklappbare Sekretäre. Aktuelle Möbelentwürfe sind durchweg schlicht und sehr auf ihre Funktion reduziert.

Re-Editionen liegen im Trend

Dabei kommen Klassiker von Bauhaus, Eileen Gray und Ray Eames wieder zu Ehren. Und rund um die herausragenden Namen wie Vitra, Classicon oder Thonet siedeln sich immer mehr Möbel und Accessoires an, die ihre Gestalt alten Formvorbildern verdanken. Der Trend zu Re-Editionen von Klassikern der alten und neuen Moderne ist zu einer festen Größe in der Möbelbranche geworden. "In diesen Objekten kommt beides gleichzeitig zusammen: der Ausdruck von Individualität und das Bekenntnis zu einer kulturellen Tradition", meint Dick Spierenburg, Creative Director der Imm Cologne.

Zwei Beispiele: Die Outdoor-Kollektion "Thonet All Seasons", mit der gleich eine ganze Reihe von Stahlrohrklassikern aus der Bauhaus-Zeit ins Freie geholt werden. Sie haben einen neuen Anstrich erhalten und werden dank einer speziellen Technologie zu witterungsbeständigen und formschönen Begleitern auch im Außenbereich. Und neu aufgelegt sowie edel herausgeputzt in chromglänzendem Stahl und weichem Leder ist der Berlin Chair von Walter Knoll - 1975 vom Architekten Meinhard von Gerkan für die VIP-Lounge des Flughafens Berlin-Tegel entworfen.

Parallel dazu bleibt der Trend zum gemütlichen Wohnen bestehen, verstärkt sich sogar. Hier passen natürliche Materialien besonders gut. Holz vor allem, dass aber nicht unbedingt naturbelassen sein muss. Zur Platte in Eiche oder Nussbaum dürfen es aktuell gerne bunt lasierte Tischbeine oder Metallgestelle sein. Gerade müssen die Beine übrigens nicht mehr sein: Manche überkreuzen sich, andere sehen krumm aus, ohne dass die Stabilität darunter leidet. Und schließlich ist auch Marmor ein natürliches Material, das immer häufiger als Tischplatte auftaucht.

Bequem soll’s sein

Das Sitzen wird bequemer. Das gilt nicht nur fürs Wohnzimmer, sondern auch für den Esstisch, der gerne als neuer sozialer Mittelpunkt gesehen wird. Wer nach der Mahlzeit sitzen bleiben möchte, muss das nicht auf harten Stühlen, sondern darf das jetzt auf bequemen, individuell zusammenstellbaren Ess-Sesseln. Leder oder Stoff versprechen Komfort. Stühle haben oft Lounge-Charakter, sind filigran und leicht zu transportieren. Auch sie erinnern an die zierlichen Entwürfe der 1960er Jahre.

Die neuen Sofas vermitteln ein Gefühl der Intimität und Geborgenheit. Sie haben biegbare Rückenkissen und Armlehnen und bieten als Ecklösungen individuellen Gestaltungsspielraum. Dicke, weiche Sofas haben lediglich locker aufgelegte Lehnen und lassen sich im Handumdrehen zu einer Récamière oder Schlafstätte umbauen. Die unsichtbar integrierte Technik wie Sitzheizung, Massage- und Verstellfunktionen erhöhen den Komfort. Farblich haben Erdtöne ihren festen Platz. Natur-Schattierungen stehen für Behaglichkeit und zeitlosen Schick. Moderne Nuancen wie Petrol und Oliv setzen Akzente.

Die klassische Schrankwand verliert ja schon seit Jahren Terrain an neue Regalformen und bei denen ist die Entwicklung längst noch nicht abgeschlossen. In Köln gab es eine große Vielfalt frei zusammenstellbarer Module zu sehen, die teilweise ganz ohne Werkzeug zusammengebaut und auf jede Bedürfnislage und Wohnsituation angepasst werden können - im Altbau mit hohen Decken, dem Neubau mit den gängigen 2,50 m, der Dachgeschosswohnung mit Schräge. Flexibilität ist alles: Umgestalten, Erweitern, Abbauen, Aufbauen, Umziehen, alles ganz einfach.

Im Schlafzimmer steht der begehbare Kleiderschrank hoch im Kurs. Es gibt ihn mit Beleuchtung, elektrisch steuerbaren Kleiderstangen und sogar mit klimatisierten Kammern für die "artgerechte" Aufbewahrung der Lieblingsstücke.

Shades of grey - and blue and green

Auf dem gemütlichen Wohnen ruhen die Hoffnungen der Heimtextilienbranche. Und auf der individuellen Gestaltung von Räumen, die den Verbraucher mutiger werden lässt. Es wird bunter und die Kombinationsfreude geht bis zum Stilbruch. Streifen, florale Stoffe, abstrakte Grafik, Farben und Muster bei Bezugsstoffen - alles sehr vielfältig. Auch das Ornament bleibt als opulentes Dessin ein beliebtes Thema. Bei den Stoffen spielt das haptische Erleben nach wie vor eine große Rolle. Moderne Bezugsstoffe können sehr glatt, weich oder reliefartig sein und das alles auch auf einmal.

Die eine Trendfarbe war in Köln nicht zu sehen. Um Räumen Tiefe und Möbeln Ausdruck zu verleihen, wird das bislang dominierende warme Braun allmählich von dunklen, kühleren Blautönen und Dunkelgrau abgelöst, mit Nuancen von Schiefer über Grafit und Asphalt zu Betongrau, so die Farbexpertin Hildegard Kalthegener. Als weitere Option bietet sich Schwarz an. Neu etablieren könnte sich ein dunkles Grün, das von Pinie bis zu Schwarzgrün reicht. Als leuchtende Kontraste sieht Kalthegener gelbgrüne Farben wie Limette und Lemongrass und Ockertöne an, die gerne mit gelblichen Rot-Tönen kombiniert. Außerdem bleibe ein leuchtendes Blau-Spektrum aktuell. Neben Petrol tauchen vermehrt hell leuchtende Varianten von Aqua-Mint bis Karibisch-Türkis auf. Vor Pinie oder Dunkelgrau harmonieren sie selbst mit kräftigen Gelb-Akzenten. Messing-Töne, aber auch Kupfer zeigen sich gerne in Form einer rostigen Variante. Beim Holz sind Honigfarben und Cognacnuancen angesagt. Also wird Eiche im mittleren Spektrum bleiben, häufig in aufgehellten Tönungen. Diese lassen sich nämlich gut mit den neuen Sand-Tönen und dunklen Farben kombinieren.

Auf die technischen Möglichkeiten eines Smart Home legte die gleichnamige Sonderausstellung im Rahmen der Möbelmesse den Fokus. Dort wurde gezeigt, welche Lösungen für ein intelligentes, vernetztes Zuhause heute schon realisierbar sind. Die per Smartphone steuerbare Toilette mag hier (noch) ein Kuriosum sein. Insgesamt ist dieses Segment aber im Kommen. Der Sonnenschutz ist das erste Segment unserer Branche, das davon profitiert.

Vieles von dem, was für den privaten Wohnraum gilt, findet sich übrigens auch in den Möbelsortimenten für das Objekt: Schränke, Regale und Kommoden können mit wenigen Handgriffen verändert werden. Sessel und Sofas bieten diverse Kombinationen zum Sitzen oder Relaxen, Tische und Schreibtische lassen sich zusammenklappen und leicht verstauen. Bei multifunktionalen Möbeln kann nicht nur die Form, sondern auch der Gebrauch variieren. So wird etwa aus einem Wandregal mit einfachen Handgriffen ein Raumteiler oder Sideboard im Hotel oder Büro.
aus BTH Heimtex 03/16 (Wirtschaft)