Flüchtlinge und der Fachkräftemangel im Handwerk

Hoher Bedarf, aber unsichere Verhältnisse

Orientalische Krisenherde und vor allem der Syrien-Konflikt haben eine massive Flüchtlingswelle ausgelöst. Politik und Bevölkerung schwanken zwischen Willkommenskultur und Überfremdungsängsten. Handelskammern und Wirtschaftsverbände aber sehen Chancen. Deutschland braucht Arbeitskräfte und die Mehrzahl der Flüchtlinge sind junge Männer.

Gerade das deutsche Handwerk leidet an Fachkräftemangel. Löst der Zustrom von Flüchtlingen dieses Problem? ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer versichert: "Die Handwerksorganisationen und die Betriebe stehen bereit, motivierte Flüchtlinge zu qualifizieren und auszubilden. Damit leistet das Handwerk einen wichtigen Beitrag zu einer erfolgreichen Integration der Flüchtlinge in unserem Land." Trifft das auch auf Parkett- und Bodenleger zu? Wie sieht es in der Praxis aus? Das Parkettmagazin hat Berufsschulen sowie Lehrlingswarte und Obermeister von Innungen um Antworten gebeten. Im Folgenden eine Zusammenfassung der Reaktionen und Meinungen.

"In den Parkett- oder Bodenlegerklassen haben wir noch keine Flüchtlinge oder Asylbewerber", heißt es vom Beruflichen Schulzentrum in Plauen. "Wir haben aber seit zwei Jahren Auszubildende aus Spanien, Bulgarien und Kroatien über das Mobi-Pro der Bundesregierung", erklärt der Fachkonferenzvorsitzende Lutz Söllner. "Es sind bis jetzt alles lernwillige Auszubildende. Ein Problem ist nur die Fachsprache. Da fehlen gezielte Sprachmaßnahmen. Das geben aber die Lehrpläne und die Zeit nicht her. Die Auszubildenden helfen sich jedoch gut untereinander. Die Zwischenprüfung im Sommer wird zeigen, ob sie sprachlich angekommen sind."

Mobi-Pro ist ein Förderungsprogramm des Bundesarbeitsministeriums für junge Ausbildungswillige und Fachkräfte aus dem EU-Ausland. Es steht allerdings in der Kritik. Schon Anfang 2015 beklagte Brigitte Pothmer, Sprecherin der Grünen für Arbeitsmarktpolitik: "Von den 5.500 Jugendlichen, die das Programm 2014 begonnen haben, sind 2.000 bisher nicht in einer Ausbildung angekommen. Wo diese Jugendlichen verloren gegangen sind, ist unklar". Für Flüchtlinge ist Mobi-Pro ohnehin nicht gedacht. Es soll einen Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa und zur Linderung des Fachkräftemangels in Deutschland leisten.

An erster Stelle steht die Sprache

Trotzdem dürften Betriebe mit Flüchtlingen ähnliche -Probleme haben, wie sie die Berufsschule Plauen für europäische Auszubildende schildert. An erster Stelle steht die Sprache. Das bestätigen Lehrlingswart Ralf Schnack und Obermeister Sönke Stoltenberg aus Schleswig-Holstein: "Deutsche Sprachkenntnisse, Lesen, Schreiben, Rechnen, dazu Lernbereitschaft, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und ordentliches Auftreten muss ein Flüchtling mitbringen, genau wie ein deutscher Auszubildender."

Hinzu kommt ein Aspekt, der oft an die Grenzen orientalischer Sozialordnung stößt. "Akzeptanz unserer Lebenskultur und Religionsfreiheit", wie sie Jochen Michalik, Fachgruppenleiter der Bundesfachgruppe der Parkettrestauratoren, fordert, mag noch im Rahmen liegen, ob aber die Integrationsfähigkeit so weit geht, dass sich muslimisch geprägte Männer auch von weiblichen Vorgesetzten etwas sagen lassen, ist fraglich. Auf einer Innungsversammlung im Februar 2016 berichtete Raumausstatter Karsten Krause von einem Bewerbungsgespräch, das der Kandidat beendete, als das Thema weiblicher Vorgesetzter zur Sprache kam.

Sind das Einzelfälle, oder ist es ein generelles Problem? Wir vermögen das an dieser Stelle nicht zu beurteilen. Wichtiger scheint die Frage, ob deutsche Betriebe tatsächlich Bedarf anmelden. Und in der Tat, sie tun es. Frank Pielot, Obermeister aus Hamburg: "Es gibt einen hohen Bedarf, da bereits jetzt in vielen Firmen kaum noch deutsche Mitarbeiter in den Beruf gehen. In meinem Betrieb liegt das Verhältnis etwa bei 50 zu 50. Insofern sind wir dringend auf ausländische Kräfte angewiesen."

Ausbildung auch für den Wiederaufbau in der Heimat

Allerdings erkennen Handwerksvertreter weitere Probleme, die auch Flüchtlinge nicht lösen können. "Leider gibt es keine vernünftige Regelung hinsichtlich der vielen Betriebe, die wegen Nachfolgemangel einfach die Pforten abschließen. Das ist mindestens ebenso eklatant wie der Fachkräftemangel. Hier geht nämlich das technische Know-how schlimmstenfalls für immer verloren", meint Stoltenberg. Und während Schnack durchaus der Auffassung ist, dass jeder gut ausgebildete und motivierte Geselle als Parkett- und Bodenleger eine Zukunftsperspektive hätte, beklagt -Michalik, das duale Ausbildungssystem würde zurzeit politisch zerstört. Deshalb sieht er hier keine Chance für Flüchtlinge. Das ist für Schnack aber überhaupt keine notwendige Voraussetzung: "Sollten die Flüchtlinge nach Abschluss der Ausbildung in ihre Heimatländer zurückkehren wollen, ist dieses nur zu begrüßen, denn sie werden dort gebraucht, um die Wirtschaft wieder aufzubauen."

Dass Flüchtlinge ihr Los und die Gesellschaft durch sinnvolle Beschäftigung und das Erarbeiten eigenen Geldes entlasten würden, bleibt unbestritten. Doch Rechtslage und Bürokratie führen zu anderen Realitäten. "Ich stehe in engem Kontakt mit Syrern durch meine Trainertätigkeit im Sportverein. Die Jungs bejammern, dass sie überhaupt nichts tun dürfen, sich nicht gebraucht fühlen und vor Langeweile gefrustet sind", beschreibt Pielot die Situation. Durch Einbindung in Arbeit und Betrieb könnten sie die Kultur besser kennenlernen und stünden nicht wie Almosenempfänger da.

Was verlangt das Handwerk von der Politik?

Zunächst müssen bürokratische Hemmnisse abgebaut werden, ist man sich einig. Zudem geht es um die Finanzierung der Ausbildung. Während einige Handwerksunternehmer fordern, dass Flüchtlinge wenigstens zwei Jahre nach der Ausbildung eine Duldung oder ein Bleiberecht erhalten sollten, könnte die Lehrzeit auf der anderen Seite auch als wirtschaftliche Investition für deren Heimatland betrachtet werden. Nämlich um sich nach der Rückkehr dort eine Existenz aufbauen zu können. Schnack: "Will man die Ausbildungsbereitschaft seitens der Betriebe erhöhen, ist zu überlegen, ob in solchen Fällen eine Kompensationszahlung für die Ausbildungsbetriebe geleistet werden kann." Das findet auch Pielot: "Es würde Sinn machen, die Betriebe finanziell zu unterstützen, statt nur Geld ohne Leistung abzugeben. Zwar hat der ZDH dafür gesorgt, dass erst einmal die Lehrwerkstätten der großen Innungen gefüllt werden, aber für weitere Aktionen, die Flüchtlinge in die Gesellschaft und in Arbeit zu bringen, dafür hat leider niemand ein Ohr."

Dabei sind die Betriebe bereit, teilweise haben sie Praktikumsplätze zur Verfügung gestellt. "Auf jeden Fall lässt sich dann einschätzen, ob grundsätzliche handwerkliche Fähigkeiten vorhanden sind", sagt Pielot, und Fachkollegen pflichten ihm bei. "Alle Azubis sollten ein Praktikum absolvieren. So können sie den Beruf kennenlernen und haben eine größere Sicherheit, den richtigen Job gewählt zu haben." Den Menschen selber könne man allerdings in einem kurzen Praktikum nur schwer beurteilen, heißt es.

Als Fazit bleibt: Ausbildungsverträge mit Flüchtlingen sind in der Branche bisher nicht bekannt und aktuell auch kaum geplant. Die Bereitschaft ist vielerorts da, doch Unwissenheit in Bezug auf Formalien, Bürokratie und Bleiberecht erweisen sich als ein großer Unsicherheitsfaktor.
aus Parkett Magazin 03/16 (Handwerk)