Markus Kamps und Michael Lück

So macht der Fachhändler sein Unternehmen fit


Hamburg. Sinkende Frequenz, schwächelnde Umsätze, Konkurrenz im Internet: Viele Fachhändler sind verunsichert und suchen nach einer Strategie, wie sie ihr Geschäft zukunftsfähig machen können. Der Kölner Strategieberater Michael Lück und Schlafberater Markus Kamps haben hierzu ein Beratungskonzept erarbeitet. Fachhändler können sich dabei bis zu 80 Prozent der Kosten fördern lassen. Im Haustex-Interview erklären sie, wie das geht und welche Ziele sie verfolgen.

Haustex: Herr Kamps, Sie beraten nun seit fast 20 Jahren Bettenfachhändler in Deutschland. Wo werden wir Ihrer Meinung nach in 20 Jahren stehen?

Markus Kamps: Ich glaube, wir werden in Zukunft wie bisher Kaufleute, Vollblutverkäufer und Visionäre als Einzelhändler sehen - oder eine Mischung davon. Aber der Markt verändert sich immer schneller. Wer das in seinem Segment nicht früh genug erkennt, ist schnell aus dem Rennen. Wir brauchen Fachhandel mit Mehrwert und Niveau. Je authentischer die Unternehmer auftreten, desto erfolgreicher werden sie sein.

Haustex: Herr Lück, was muss denn der Händler Ihrer Meinung nach heute tun, um auch morgen noch erfolgreich sein zu können?

Michael Lück: Mein erster Erfolgsfaktor lautet: Richtig zuhören. Das scheint etwas aus der Mode gekommen zu sein. Wer hört heute denn noch richtig zu? Die Politik den Bürgern? Arbeitgeber ihren Mitarbeitern? Wer seinen Kunden richtig zuhört, der weiß, was sie wirklich brauchen.

Haustex: Die Antworten dürften aber nur eine Basis sein für die Strategie, oder?

Kamps: Ja, aber trotzdem schreiten viele Händler schnell zur Tat - oft zu schnell. Der eine baut groß um, der andere stellt Physiotherapeuten und Journalisten ein, andere wieder nehmen noch ein paar Anregungen aus Erfa-Gruppen und von Verbandstagungen in Ihr Konzept auf. Die Motivation ist super, die Umsetzung jedoch leider oft ohne Kreativität und wenig durchdacht.

Lück: An Ideen von Chefs und Mitarbeitern mangelt es selten, aber daraus ein in sich schlüssiges, auf Jahre belastbares Gesamtkonzept zu machen, kostet viel Zeit. Deshalb heißt mein zweiter Erfolgsfaktor: Konkreten Nutzen versprechen. Warum soll denn ein Kunde bei mir eine Matratze kaufen? Schlafunterlagen gibt es doch auch bei den Discountern und großen Ketten. Hier sind Verkäufer mit Leidenschaft gefragt, wie Michael Gouram (Betten Sauer, Köln) mit seinem Faible für die Leistungssteigerung der Profi-Fußballer, oder André Alesi (Bettenland Alesi, Trossingen) mit seinem Engagement für Kunst und Kulturgenuss im Bett.

Haustex: Diese Themen sind aber nicht für jeden Händler geeignet.

Kamps: Deshalb ist es wichtig, richtig zuzuhören. Ich nehme vor Ort immer mehr Kunden wahr, die einfache Lösungen suchen. Hier ist ein zu viel an Technik oder eine zu extreme Beratungsleistung eher kontraproduktiv. Wir müssen wieder das Gespür der Verkäufer stärken für das, was der Kunde wirklich will.

Lück: Genau hier setzt meine Beratung an. Ich frage, warum jemand Bettenhändler geworden ist. Und was ihn oder sie genau antreibt, Tag für Tag die Tür zu öffnen. Das hat viel mit einer Reise zu sich selbst zu tun, die oft beschwerlicher ist als eine Reise in ferne Länder. Authentisch zu sein ist mein dritter Erfolgsfaktor. Denn wer authentisch ist, wer für sein Thema brennt, kann Menschen begeistern. Die eigenen Mitarbeiter. Die Lieferanten, um diese zu besonderen Aktionen zu bewegen. Journalisten, die gern über unsere Aktionen berichten, und natürlich die Kunden.

Haustex: Und was ist mit den Mitarbeitern?

Lück: Ich spreche mit jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin. Ich muss ein Gefühl dafür bekommen, wie der Laden von innen her tickt. Wie ist die Stimmung im Team, das Miteinander, die Führung, die Motivation, das Knowhow? Die Menschen im Unternehmen sind schon am Telefon unsere Visitenkarte und unser Pfund - je besser sich die Kunden bei uns aufgehoben, abgeholt und beraten fühlen, desto erfolgreicher verlaufen die Verkaufsgespräche. Danach leite ich das gesamte Team durch einen Strategieworkshop: Was können wir gut, was haben wir bisher geleistet, welche Bedürfnisse haben die Menschen und was können wir konkret tun, um diese Bedürfnisse zu befriedigen? Die gemeinsam erarbeiteten Ziele sind unsere Roadmap für die nächsten zwei bis fünf Jahre.

Haustex: Und dann lassen Sie die Unternehmen mit der Umsetzung allein?

Kamps: Nein, aber es geht um Hilfe zur Selbsthilfe. Wir nehmen die Unternehmer an die Hand, und bereiten beispielsweise im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGM) Gesundheitstage rund um Pupillenmessung im Schichtbetrieb, Sekundenschlaf bei Truckern oder Powernapping vor. Hier ist Querdenken gefragt.

Lück: Die Umsetzung sollte der Betrieb - mit unserer Unterstützung - grundsätzlich selbst in die Hand nehmen können. Aber selbstverständlich kümmere ich mich auch darum, strategische Partner zu finden und taktische Gespräche, etwa mit dem Bürgermeister, dem Kurdirektor, einem Oberarzt, der IHK und so weiter zu führen. Bei Bedarf entwickeln wir auch Plakate und Maxikarten, Gutscheine oder Info-Flyer, bereiten Beiträge für Instagram, Facebook und Web vor und laden zu Pressegesprächen ein - manchmal sogar in Dunkelheit.

Haustex: Ein Pressegespräche im Dunkeln?

Lück: Ja! Optisch beispielsweise ist ja teure Bettwäsche von Discounter-Ware kaum zu unterscheiden. In völliger Lichtlosigkeit geht es jedoch nur um Fühlen und Tasten. Markus Kamps und ich haben ein Workshop-Modul entwickelt, in dem verschiedene Wäschequalitäten gefühlt werden - am Hals, am Unterarm, im Nacken. Wer das einmal mitgemacht hat, der weiß, was Qualität bedeutet. Und damit begeistern wir auch Journalisten.

Kamps: Diese Formen von Training wird immer wichtiger. Das ist wie im Fußball - nur wenn alle richtig gut zusammenspielen, landet der Ball auch im Tor. Nicht jeder muss alles wissen, aber je nach Unternehmensphilosophie benötige ich Expertise im Bereich Schmerz und Medizin, Rhetorik oder Motorbett. Und das Modul "Verkaufsabschluss sofort - aber ohne Rabatt" sollte jeder Verkäufer perfekt beherrschen.

Haustex: Was muss ein Unternehmen in die Beratung investieren?

Lück: Strategische Beratung ist ein eher langfristiges Projekt. Ich empfehle einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren, und dann liegen die Beratungskosten tatsächlich im fünfstelligen Bereich. Viele Unternehmen können auf Antrag 50 Prozent der Beratungskosten erstattet bekommen - das ist vielen Bettenhändlern bekannt. Aber für Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern (umgerechnet in Vollzeit) gibt es seit Herbst 2015 über das Förderprogramm "Unternehmenswert Mensch" sogar 80 Prozent Zuschuss. Meine Erfahrung: einen Eigenteil von maximal 2.000 Euro können sich auch Betriebe leisten, die in den letzten Jahren nicht so gut verdient haben.

Haustex: Was fehlt noch, um im Jahr 2036 einen attraktiven Einzelhandel präsentieren zu können?

Lück: Meiner Meinung nach ist die 80-prozentige Förderung ein guter Weg, um Kleinstunternehmen zu unterstützen, zukunftsfähig zu werden. Anderseits fehlt auf kommunaler Ebene das Bewusstsein, dass nur eine Vielfalt im Einzelhandel die Attraktivität von Innenstädten sicherstellen kann. Die Immobilienbesitzer vermieten höchstbietend an 1-Euro-Shops oder an globale Ketten, die Bürgermeister von Kleinstädten bekämpfen die Nachbargemeinde, und junge Menschen, die ein Geschäft eröffnen wollen, bekommen ohne Sicherheiten kaum noch einen Kredit.

Kamps: Die Menschen wollen ihre Bedürfnisse möglichst schnell und einfach erledigen können - am liebsten im eigenen Viertel. Sie lieben authentische Händler, die greifbar sind und auch morgen noch für etwaige Reklamationen zur Verfügung stehen. Wenn diese Kunden fair behandelt, also auch preislich nicht über den Tisch gezogen werden, sind diese ziemlich treu.
aus Haustex 09/16 (Handel)