Kampagnen gegen Fachkräftemangel

Handwerk ist besser als sein Ruf

Junge Menschen streben immer seltener eine klassische Ausbildung an. Handwerksbetriebe und mit ihnen Großhandel sowie Industrie müssen darauf reagieren, um nicht eines Tages ohne Azubis dazustehen. Einige Nachwuchskampagnen zeigen, wie das geht.

Dem Handwerk geht der Nachwuchs aus. Immer weniger junge Menschen lassen sich zum Maler- und Lackierer, Bodenleger, Parkettleger und Raumausstatter ausbilden. Einen kleinen Lichtblick gab es zuletzt lediglich bei den Bodenlegern. Hier stiegen die Ausbildungszahlen im vergangenen Jahr leicht.

Die Gründe für die insgesamt negative Entwicklung sind der demografische Wandel und damit weniger Schulabgänger, eine deutlich gestiegene Studierwilligkeit und nicht zuletzt der als unattraktiv empfundene Handwerksberuf. Das wirkt sich auch auf den Bodenbelags- und Farbengroßhandel sowie die Lieferanten aus der Industrie aus. Denn bei anhaltendem Fachkräftemangel im Handwerk bleiben trotz voller Auftragsbücher durch den Bauboom viele Arbeiten liegen. Es ist also an der Zeit, dass sich alle Beteiligten zusammenschließen, um für eine Ausbildung zum Maler, Bodenleger und Raumausstatter zu werben.

Mehr Ausbildungsplätze, weniger Bewerber

Laut Statistischem Bundesamt haben 2015 rund 516.600 Frauen und Männer eine Ausbildung begonnen, 0,4 % weniger als im Vorjahr. Das ist der niedrigste Stand bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen seit der Wiedervereinigung. Ende 2015 befanden sich rund 1,3 Mio. Jugendliche in Ausbildung, was einem Rückgang von 1,6 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Zum Start des Ausbildungsjahrs 2016 sind nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) noch 172.224 Ausbildungsstellen unbesetzt. Ende Juli waren bei den Agenturen für Arbeit 24.000 mehr Ausbildungsplätze gemeldet als suchende Jugendliche, so DIHK-Präsident Eric Schweitzer.

Gleichzeitig nahm das Angebot an Ausbildungsplätzen 2015 erstmalig seit 2011 wieder zu. Mit 563.100 waren es 0,5 % mehr als 2014. Dennoch blieben nach Auskunft des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) im vergangenen Jahr 13 % der Jungendlichen ohne Ausbildungsstelle. Nicht alle Lehrstellen und Bewerber lassen sich in Einklang bringen.

Ein leichtes Plus gab es im Handwerk, das 2015 erstmals seit Jahren mit +0,1 % einen Anstieg an Ausbildungsstellen verzeichnete. Allerdings trifft diese positive Tendenz nicht auf Maler, Parkettleger und Raumausstatter zu. Nach Angaben des Bundesverbands Farbe Gestaltung Bautenschutz sind die Ausbildungszahlen in den Berufen Maler und Lackierer, Bauten- und Objektbeschichter sowie Fahrzeuglackierer seit dem Jahr 2009 rückläufig. Vor allem Kleinstbetriebe haben es immer schwerer, ausbildungswillige junge Menschen einzustellen. Während 2014 noch 22.287 Jugendliche eine Ausbildung in diesen Bereichen (Maler und Lackierer: 17.021) machten, waren es im vergangenen Jahr nur noch 21.207, davon 14.894 Maler und Lackierer. 1999 zählte das farbige Handwerk noch rund 48.000 Auszubildende.

Zum Parkettleger ließen sich 2014 nach Angaben des Zentralverbands Parkett und Fußbodentechnik (ZVPF) 669 Schulabgänger ausbilden, ein Jahr zuvor waren es 649. Bei den Raumausstatter-Lehrlingen ging die Zahl von 1.841 auf 1.725 zurück. Lediglich für das Bodenlegerhandwerk besteht Optimismus. Hier stieg die Zahl der Auszubildenden erstmals wieder von 462 auf 475 und damit um 2,8 %. "Die Trendwende ist sicherlich mit auf die erheblichen Anstrengungen des Zentralverbands - gemeinsam mit seinen Partnern - im Zusammenhang mit der Initiative Das ist Bodenhandwerk zu sehen", meint ZVPF-Geschäftsführer Edgar Leonhard. Diese hätten auch dazu geführt, dass sich die rückläufige Entwicklung bei den Parkettlegern mit -3 % im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr (-7,7%) abgeschwächt habe.

350 Aubildungsberufe

Die Auswahl an Ausbildungsberufen in Deutschland ist groß. Ihre Zahl beläuft sich auf rund 350. Am beliebtesten ist und bleibt Kaufmann/-frau im Einzelhandel. Eine Ausbildung dazu begannen im vergangenen Jahr fast 30.500 Jugendliche. Tätigkeitsfelder aus dem Bau- und Wohnbereich sind dagegen deutlich unbeliebter. Im Ranking des BIBB standen Maler und Lackierer auf Platz 19, Raumausstatter auf Platz 99. Schaut man nur auf die Ausbildungsberufe im Handwerk, liegen Maler und Lackierer immerhin auf Platz 6; zumindest bei jungen Männern, die insgesamt den Beruf des Kraftfahrzeugmechatronikers favorisieren.

Ungeachtet dessen, dass Maler und Lackierer im Ranking der Frauen unter den Top Ten nicht vorkommt, wird dieser Beruf bei den Schulabgängerinnen doch immer beliebter. Laut Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz stieg deren Anzahl von 2004 mit 7,6 % auf aktuell mehr als 14 % - "so stark wie in keinem anderen Beruf in der Bau- und Ausbaubranche", sagt Verbands-Hauptgeschäftsführer Rainer Huke.

Verbesserungswürdig ist das Image von Ausbildungsberufen im Handwerk - obwohl die Ausbildungsvergütungen bereits zum vierten Mal in Folge überdurchschnittlich gestiegen sind. Nach der BIBB-Studie profitieren Azubis von der guten Wirtschaftslage und der sinkenden Zahl an Schulabgängern. Angehende Maler und Lackierer verdienen im dritten Ausbildungsjahr 790 EUR. Bei Raumausstattern sind es laut Tarif 680 EUR, die nach Angaben des Zentralverbands Raum und Ausstattung in Hessen auch bezahlt werden. Tatsächlich belaufe sich die Vergütung je nach Bundesland auf 480 bis 580 EUR. Im Parkettlegerhandwerk und Bodenlegegewerbe sind es 625,86 EUR. Top-Verdiener unter den Azubis sind angehende Binnenschiffer, aber auch auf dem Bau sowie im Maschinen- und Anlagenbau können es mehr als 1.000 EUR sein. Schlusslichter sind Friseure (rund 500 EUR).

Am Geld allein kann es also nicht liegen, dass junge Menschen eher ins Kaufmännische gehen. Offenbar kennen sie häufig nicht die Perspektiven und vielfältigen Karrierechancen, die Jugendlichen mit mittlerem Schulabschluss, aber auch mit Abitur in den Handwerksberufen erwarten. Diese sind keinesfalls schlecht. Im Anschluss an ihre international als vorbildlich angesehene duale Ausbildung können die Gesellen u.a. eine Meisterprüfung absolvieren, sich selbständig machen oder ein Studium beginnen. Handwerk ist keine Sackgasse - ganz abgesehen von der Tatsache, dass die praktisch begabten Handwerker angesichts schrumpfender Gesellschaften und dem zunehmendem Hang zum Studium in Zukunft händeringend gebraucht werden.

Kampagnen zeigen Perspektiven auf

Diese Perspektiven gilt es deutlich zu machen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Erste Erfolg versprechende Schritte gibt es. Da wäre die umfassende Nachwuchskampagne des Zentralverbands des deutschen Handwerks, in der die einzelnen Berufe vorgestellt werden. Karl-August Siepelmeyer, Präsident im Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz, macht deutlich, dass dadurch die Wahrnehmungsakzeptanz des Handwerks insgesamt von 39 % im Jahr 2013 auf 48 % in 2015 gestiegen ist.

"Wir müssen am Image unseres Berufs arbeiten", so Siepelmeyer. Die Unterstützung des Maler Nationalteams sei ein Schritt in die richtige Richtung. Deren Mitglied Florian Seiffert wird Deutschland beim Europäischen Berufswettbewerb Euro Skills vom 1. bis 4. Dezember 2016 in Göteborg vertreten.

Der Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik wirbt ebenfalls für das Handwerk. Unter www.das-ist-bodenhandwerk.de erläutert er, was angehende Boden- und Parkettleger sowie Raumausstatter erwartet. Eine Initiative für Maler unter dem Slogan "Werde Maler" hat die Maler- und Lackiererinnung Westfalen gestartet. Aber auch ein Industrieunternehmen nimmt sich des Themas an. In Ausgabe 9/2016 von BTH Heimtex haben wir bereits über Farbenhersteller Brillux berichtet, der unter dem Motto "Deine Zukunft ist bunt" für eine Ausbildung im Malerhandwerk wirbt. Malerbetriebe können sich dieser Kampagne anschließen und damit selbst etwas dafür tun, dass sie eines Tages nicht ohne Auszubildende da stehen.

Über die Kampagnen hinaus empfiehlt es sich zudem, die Lehrlinge ernst zu nehmen, sie fachlich anzuleiten sowie zu betreuen und sie auch im stressigen Arbeitsalltag in hochwertige Leistungen mit einzubeziehen. Dass es in der Ausbildung immer noch Schwachpunkte gibt, zeichnet der Deutsche Gewerkschaftsbund in seinem Ausbildungs-Report auf. Nach einer Befragung von 13.000 Lehrlingen lässt die Ausbildungsqualität teilweise zu wünschen übrig. Viele junge Leute auch in den Maler-Betrieben beklagen, dass sie Tätigkeiten übernehmen müssen, die nicht zur Ausbildung gehören. Sie so zu behandeln, trägt nicht dazu bei, das Image des Handwerksberufs zu verbessern und den Nachwuchs für eine Ausbildung in diesem Bereich zu begeistern.

cornelia.kuesel@snfachpresse.de


Ausbildung im Überblick


Raumausstatter
Voraussetzung: mindestens guter Hauptschulabschluss
Tätigkeitsfeld: Gestalten von Räumen und Polstermöbeln, Wänden und Decken, Raumdekorationen, Sicht- und Sonnenschutz montieren, Bodenbeläge verlegen und Polstermöbel beziehen
Ausbildung: in Raumausstatter-Fachbetrieben
Anforderungen: handwerkliches Geschick, räumliches Vorstellungsvermögen, Kreativität, Kunden- und Serviceorientierung
Dauer: drei Jahre
Vergütung im 3. Ausbildungsjahr: 680 EUR
Einstiegsgehalt: 1.470 bis 1.500 EUR (brutto)
Weiterbildung: Raumausstattermeister, Gestalter Holz- und Raumgestaltung, Betriebswirt Handwerk, Restaurator, Studium (z.B. Innenarchitektur, Textil- und Bekleidungstechnologie, Produkt- und Industriedesign, Bühnenbildnerei, Bildende Kunst)

Maler und Lackierer
Voraussetzung: mindestens Hauptschulabschluss
Tätigkeitsfeld: Gestaltung und Instandhaltung (optische Verschönerung von Fassaden, Wänden und Decken), Bauten- und Korrosionsschutz (Sanierung und Sicherung von Bauten und Gebäuden)
Ausbildung: in Maler- und Lackierer-Fachbetrieben
Dauer: drei Jahre
Vergütung im 3. Ausbildungsjahr: 790 EUR
Einstiegsgehalt: 1.700 bis 2.200 EUR (brutto)
Weiterbildung: Malermeister, technischer Fachwirt, Spezialisierung

Bodenleger
Voraussetzung: mindestens Hauptschulabschluss
Tätigkeitsfeld: Untergründe vorbereiten, Verlegen von textilen und elastischen Belägen sowie Schichtwerkstoffen und Fertigparkett, Behandeln von Oberflächen, Anbringen von Profilen, instandhalten, modernisieren und restaurieren von Bodenbelägen
Ausbildung: in Betrieben des Bodenleger-Handwerks
Anforderungen: handwerkliches Geschick, Kontaktfreude, Kreativität, Sinn für Farb- und Materialkombinationen
Dauer: drei Jahre
Vergütung im 3. Ausbildungsjahr: 625 EUR
Einstiegsgehalt: 1.800 bis 2.000 EUR (brutto)
Weiterbildung: Spezialisierung, Bodenlegermeister, technischer Fachwirt, Studium Betriebswirtschaft

Parkettleger
Voraussetzung: mindestens Hauptschulabschluss
Tätigkeitsfeld: Verlegen von Bodenbelägen aus Holz und Parkett
Ausbildung: in Betrieben des Parkettlege-Handwerks
Anforderungen: handwerkliches Geschick, gute Mathematikkenntnisse
Dauer: drei Jahre
Vergütung im 3. Ausbildungsjahr: 625 EUR
Einstiegsgehalt: 1.800 bis 2.000 EUR (brutto)
Weiterbildung: Parkettlegermeister, Techniker, Spezialisierung, Studium Innenarchitektur und Holztechnik
aus BTH Heimtex 10/16 (Handwerk)