Saskia Stindt (27), Unna

Erfolgreich mit "Meister statt Master"


Mit dem Pilotprojekt "Meister statt Master" warb die Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe in Soest an der örtlichen Fachhochschule für eine Alternative zum Studium. Das Meisterprogramm sollte qualifizierten Nachwuchs auf Führungsaufgaben im Handwerk vorbereiten. Parkettlegermeisterin Saskia Stindt nahm das Angebot an.

Das Plakat in der Fachhochschule in Soest mit dem Titel "Meister statt Master" vom Berufsbildungszentrum der Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe zog Saskia Stindt sofort in ihren Bann. Dieses Programm bot ihr die Gelegenheit, in zwei Jahren die Gesellenprüfung abzulegen und anschließend als Handwerksmeisterin einen dem Bachelor gleichgestellten Berufsabschluss zu erreichen. Sie war ihr Studium der Agrarwirtschaft leid, das sie ihrer Mutter zuliebe bereits einige Semester durchgehalten hatte. Ihr Freund war Bodenleger und seinen Beruf fand sie wesentlich interessanter als ihr Studium. "Hier kann man kreativ sein und am Ende des Tages ein Ergebnis vorweisen, das sich sehen lassen kann". Die unterschiedlichen Baustellen sind zudem abwechslungsreich und: "Man arbeitet immer im Warmen", setzt die Handwerksmeisterin dazu, die in der Agrarwirtschaft mehr dem Wetter ausgesetzt wäre.

Der Einstieg ins Handwerk

Im Juli 2013 unterzeichnete Saskia Stindt den Ausbildungsvertrag mit dem Berufsbildungszentrum der Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe, das die Ausbildung organisierte. Im Gegensatz zur klassischen Handwerksausbildung gab es für die Studentin einige Anreize mit dem Programm "Meister statt Master": So musste sie für die Teile III und IV der Meisterausbildung keine Lehrgangsgebühren bezahlen. Im April 2014 war sie damit fertig. Ihr Ausbilderschein, den sie im Studium bereits erworben hatte, wurde im Teil IV angerechnet. So musste sie nur Teil III mit der Prüfung zur Fachkauffrau absolvieren. Der Unterricht fand in der HWK Dortmund am Freitagnachmittag und Samstagvormittag gewerkeübergreifend statt und lief parallel zu ihrer dualen Ausbildung als Bodenlegerin im Betrieb und mit Berufsschule. Mit ihrer Vorbildung war die Theorie für sie leicht zu lernen.

Keine rot lackierten Fingernägel auf der Baustelle

Zur praktischen Ausbildung im Betrieb ging Saskia Stindt zu Fussboden Bense in Unna. Allerdings musste sie Inhaber Johannes Bense erst von ihrem handwerklichen Anspruch überzeugen. Er hatte im Vorfeld die Befürchtung, dass ein Mädchen mit rot lackierten Fingernägeln oder tiefem Dekolleté zu ihm kommt. Heute sagt er anerkennend: "Wenn Saskia mit auf der Baustelle ist, herrscht ein besserer Umgangston, das fällt sogar den Bauleitern auf." Dass die Kollegen auch Kavaliere sein können und ihr beim Tragen von schweren Sachen helfen, freut Saskia Stindt.

Fussboden Bense mit acht Mitarbeitern, davon drei Gesellen und jetzt eine Meisterin, ist fast nur im Objekt in einem Umkreis von etwa 100 km tätig. Auf den Baustellen städtischer Einrichtungen sowie Mehrfamilienhäuser und Banken, mit durchschnittlich 50 bis 60 m2 bis zu 2.000m2 verlegt das Unternehmen meist textile und elastische Beläge wie Linoleum oder LVT. Für Parkettarbeiten, meist Renovierungen, arbeitet Johannes Bense schon lange mit einem Subunternehmer zusammen, der dafür technisch ausgerüstet ist. Mit einer ausgebildeten Parkettlegermeisterin im Betrieb überlegt er nun, auch diesen Bereich wieder anzubieten und in Maschinen zu investieren. Doch Saskia Stindt möchte hier erst noch Berufserfahrung sammeln.

Im Meisterkurs erstmals Parkett verlegt

Nachdem Saskia Sindt im Januar 2015 ihren Facharbeiterbrief *) hatte, startete die Bodenlegerin im März sofort mit dem Meisterkurs für Parkettleger Teil I und II in Teilzeit. "Das bedeutete ein Jahr lang jeden Samstag 136 km nach Köln zur Fachpraxis beziehungsweise für die Fachtheorie nach Bonn fahren", erklärt sie. Doch es hat sich gelohnt, obwohl sie vor der praktischen Prüfung im Mai 2016 nervös war, denn bis zum Meisterkurs hatte die 27-jährige noch nicht mit Massivparkett gearbeitet. Zu Hause übte sie Sägeschnitte und war mit den Ergebnissen nicht zufrieden, aber: "Die Kollegen im Kurs haben mir erst das Schleifen gezeigt und wie man mit dem Material haushält." Der Zusammenhalt der Klasse war umwerfend, lobt sie in diesem Zusammenhang. Das fiel auch bei den Dozenten positiv auf. "Zudem bekam ich in der HWK viel Übung im Umgang mit der Kreissäge" - wie man an dem Meisterstück auch sehen kann. Rund 1.000 EUR für Stabparkett in Eiche, Räuchereiche und kanadischen Ahorn investierte sie in ihre 163 x 163 cm große und 55 mm dicke Platte. In der Prüfung hatte sie fünf Tage Zeit, sie zu erstellen. Am sechsten Tag wurden PVC-Beläge und Teppichboden verlegt, sowie ein Parkettstab von Hand aus einem Rohfries gehobelt.

Der Meisterbrief als Sprungbrett

Saskia Stindt fühlt sich wohl in ihrem Beruf und ist angekommen. Zudem hat sie jetzt auch wieder etwas mehr Zeit für ihren 20-jährigen Wallach Raggytime, das Pony Balou und den Schäferhund Rex. An Weiterbildung will sie derzeit noch nicht denken. "Ich habe jetzt 17 Jahre nur gelernt, das reicht erstmal", erklärt die junge Meisterin. Für später kann sie sich noch eine Qualifizierung zur Berufsschullehrerin oder zur Betriebswirtin im Handwerk vorstellen. Auch ein Tätigkeitsfeld in der Industrie würde passen.

Eine interessante Option eröffnete ihr ihr Chef: Johannes Bense, der mit 60 Jahren allmählich seine Nachfolgeregelung plant, möchte die junge Meisterin im Betrieb halten und hat ihr einen Vorschlag zum Einstieg ins Familienunternehmen unterbreitet. Sie könnte sich später die Betriebsleitung mit seinem Sohn teilen. Der erst 21-jährige Bodenleger ist am Handwerk und dem Betrieb interessiert, aber weniger an den Planungsaufgaben und dem betriebswirtschaftlichen Teil, den jetzt sein Vater trägt. Ein anderes Angebot hat sie bereits angenommen. Die Handwerkskammer Dortmund hat sie in den Meisterprüfungsausschuss bestellt. Ein Amt, auf das sich die Jungmeisterin sehr freut.

*) Der Bodenleger als handwerksähnliches Gewerbe Anlage B2 der Handwerksordnung erhält mit der Abschlussprüfung nach der Lehre einen Facharbeiterbrief. Der Parkettleger, der zu den Vollhandwerken B1 der HWO zählt, erhält einen Gesellenbrief. In Deutschland gibt es aufgrund der Zuordnung keine Weiterbildung zum Bodenleger-Meister.


Drei Fragen an Saskia Stindt

"Parkett ist das Nonplusultra"

Was würden Sie bei der Meisterausbildung ändern wollen ?

Nicht viel. Wobei das Hobeln von Parkettstäben aus dem Rohfries oder das Arbeiten mit der Ziehklinge nicht mehr zeitgemäß sind, daher müsste dies nicht in der Prüfung verlangt werden. Doch sollten diese Techniken auf jeden Fall in den Lehrinhalten enthalten bleiben. Sie sind manchmal hilfreich und das Wissen sollte nicht verloren gehen.

Wie sehen Sie die Belagsarten Parkett, Laminat und LVT ?

Parkett ist das Nonplusultra. Wer es sich hochpreisig leisten kann, sollte am besten zu Massivparkett greifen. Es sieht gut aus und kann immer wieder renoviert werden. LVT sind enorm im Kommen. Um den Unterschied zu Holz zu erkennen, muss man schon genau hinsehen. Zudem hat der Belag viele Vorteile. Laminat wird damit vom Markt wohl weiter verdrängt.

Welche Produkte bevorzugen Sie in der Verlegung ?

Ich verlege an Belägen, was da ist. Wir arbeiten viel mit Produkten von Forbo, Gerflor, Objectflor, Wineo, Fabromont oder Nadelvlies von Vebe. Bei Kleber und Spachtelmassen bin ich Schönox gewohnt.


Chancen für Quereinsteiger im Handwerk


"Meister statt Master" war ein einmaliges Pilotprojekt im Rahmen der Initiative zur Fachkräftesicherung in NRW, gefördert durch Europäische Union, Europäischen Sozialfonds sowie das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Berufsbildungszentrum der Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe in Soest, inzwischen aufgelöst, bot Studienabbrechern eine zweite Chance als Quereinsteiger im Handwerk. Ohne lange Wartezeit konnten sie eine Lehre beginnen. In einer Orientierungsphase am BBZ entschieden sich die Studienabgänger für ein Handwerk und bekamen umfangreiches fachliches und betriebswirtschaftliches Basiswissen vermittelt. Ziel: Gesellenbrief und Meisterbrief. Dann erfolgte die Vermittlung in einen Ausbildungsbetrieb.

Vorteil: Studienleistungen ("Scheine") wurden auf die Handwerksausbildung angerechnet. Die Teile III und IV der Meisterprüfung konnten ausbildungsbegleitend und kostenfrei absolviert werden. Die Teile I und II der Meisterprüfung organisierten nach der Gesellenprüfung die Handwerkskammern.

Dauer: verkürzte Lehrzeit auf zwei Jahre, abhängig von anrechenbaren Vorkenntnissen, plus Zeit für die Meisterprüfung Teil I und II

Probezeit: vier Monate. Ein zweimaliger Wechsel des Ausbildungsberufes war möglich.

Ein ähnliches Programm bietet die Handwerkskammer Unterfranken mit "Karriereprogramm Handwerk - Vom Campus in den Chefsessel"
Quelle: www.studienabbrecher.com/meister-statt-master

Organisation des Handwerks in NRW
Organigram unter https://www.whkt.de/handwerk-nrw/handwerksorganisation/
aus Parkett Magazin 06/16 (Handwerk)