Handtuft-Teppiche

Der vergessene Trendsetter


Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Handtuft-Teppich nicht aus dem Handel wegzudenken. Für Kunden, die bezahlbare, moderne Teppiche suchten, kam eigentlich nur ein solches Stück in Frage. Besonders Acryltufts aus China waren hoch im Kurs und wurden von Anbietern wie Arte Espina permanent den Modetrends angepasst. Heute ist die Situation eine andere: Die Rolle des günstigen, jungen Teppichs hat der Maschinenwebteppich eingenommen.

Dieser Rollentausch ist im Prinzip auch verständlich. Maschinengewebte Teppiche sind spürbar günstiger als Handtufts und ausserdem sehr robust. Der Handtuft wiederum hatte zeitweise mit Qualitätsproblemen zu kämpfen. Besonders die Latexfixierung des Flors war eine Problemzone. Unzufriedene Kunden hat niemand gern, und so ist es nachvollziehbar, dass sich der Handel Alternativen gesucht hat. Die Qualitätsprobleme sind lange gelöst, die Handtuft-Teppiche werden trotzdem kaum noch verkauft. Warum eigentlich? Die Gründe sind weniger beim Kunden als viel mehr beim Einkauf zu suchen: Was nicht im Angebot ist, kann nicht verkauft werden.

Nüchtern betrachtet gibt es viele Dinge, die für den Handtuft-Teppich sprechen. Grade in Zeiten, in denen die Kunden sehr aufs Geld schauen. Zum einen schließt er die preisliche Lücke zwischen den Maschinenwebteppichen und den Knüpfteppichen. Zum anderen gibt es keine andere Herstellungsweise, die so viel Kreativität zulässt.

Bleiben wir zunächst beim Preis. Es dürfte unstrittig sein, dass der große Erfolg des Maschinenwebteppichs auch eine Kehrseite für den Handel hat. Mit jedem unkompliziert und schnell verkauften Webteppich ist der Durchschnittsbon kleiner geworden. Nun ist es schwer - bis unmöglich - einen Kunden auf einen modernen hochwertigen Knüpfteppich hochzubedienen, wenn der eigentlich einen Webteppich aus der aktuellen Werbung möchte. Folglich geht ein Kunde, der wegen eines Maschinenwebteppichs gekommen ist, auch mit einem solchen an die Kasse. So schön Umsatz ist, noch schöner ist es, wenn der Kunde mit einem hochpreisigeren Teppich unter dem Arm das Geschäft verlässt. Und hier kann der Handtuft-Teppich durchaus eine wichtige Rolle spielen: Er bietet erkennbar mehr für einen überschaubar höheren Preis. Für gute Verkäufer eine Chance Mehrumsatz zu generieren.

Der Kunde erhält für seine Mehrausgabe auch mehr. Die technischen Möglichkeiten, die das Handtuftverfahren bietet, erlauben es den Teppichdesignern, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Es gibt keinerlei (technische) Beschränkung bei der Anzahl der Farben. Es können außerdem die verschiedensten Garne im selben Teppich verwendet werden: dicke, dünne, mit Lycra, fest versponnen, ganz locker, es können Materialien gemixt werden, es kann mit Florhöhen gespielt werden, Schlingen sind ebenso möglich wie eine Veloursoberfläche. Kurz gesagt, kann der Kunde einen echten, handgefertigten Designerteppich für ein überschaubares Budget bekommen.

Verlassen wir den Einzelhandel und widmen wir uns dem Objektgeschäft. Hier spielt der Handtuftteppich seinen zweiten großen Vorteil aus. Er lässt sich verhältnismäßig schnell produzieren. Gilt es eine Chefetage, eine Hotellobby oder ein Ladengeschäft mit einem individuell dafür angefertigten Teppich auszustatten, kommt neben einem Chromojet-gedruckten maschinengefertigten Teppich nur der handgetuftete Teppich infrage, wenn Zeit eine Rolle spielt.•
aus Carpet Magazin 03/16 (Teppiche)