Interview des Monats: Jürgen Dahlmanns, Rug Star

"Ich will meine Teppiche im intimen Umfeld zeigen."


Das Berliner Label Rug Star überrascht immer wieder mit ungewöhnlichen Motiven, geknüpft in Nepal und Indien: Renaissance-Gemälde mit heruntergebrannter Wolle, Tierzeichnungen aus antiken Büchern, abstrakte Formenspiele und der großformatige Kopf eines Kondors. Wie harmonisch sich die zum Teil sehr extravaganten Kunstwerke in Privatwohnungen einfügen, zeigt Rug Star jetzt mit einem großen Fotoprojekt. Seit diesem Sommer gibt es eine Luxus-Handtuft-Linie, mit der man insbesondere den Objektbereich für sich erschließen will. Und auf der ganzen Welt entstehen neue Rug-Star-Shops. Jürgen Dahlmanns ist Geschäftsführer und kreativer Kopf hinter dem Unternehmen.

Rug Star in realen Einrichtungssituationen

Carpet XL: Auf Ihrer Facebook-Seite und im Internet zeigen Sie seit einigen Monaten tolle Aufnahmen aus Berliner Wohnungen - mit Rug-Star-Teppichen auf den Böden.

Jürgen Dahlmanns: Das ist das Projekt Berlin Intimacy. Wir legen passende Teppiche aus unserem Programm in die Wohnungen meiner Berliner Freunde und fotografieren alles. Daraus wird ein Fotomagazin für unsere Kunden. Wir wollen die Rug-Star-Magazine fest etablieren.

Carpet XL: Früher haben Sie Ihre Teppiche einzeln und eher intellektuell-künstlerisch inszeniert. Jetzt werden Sie mit realen Einrichtungssituationen ganz konkret.

Jürgen Dahlmanns: Viele Kunden haben zu mir gesagt: "Wow, deine Teppiche sind so schön, die sehen wir eher als Kunstwerke an der Wand." Sie haben sich nicht so recht getraut, sie auf den Boden zu legen. Mit unserer Fotoaktion wollen wir vermitteln, wie gut sich selbst das expliziteste Motiv in eine bestehende Einrichtungssituation einfügen lässt. Wir haben die Designs nämlich so konzipiert, dass sie gerade auf dem Boden gut funktionieren. Außerdem hatten wir in den letzten zehn Jahren immer wieder Anfragen von Bildredaktionen, die unsere Teppiche gern im Interieur sehen wollten.

Carpet XL: Und statt eine komplette Wohnung als Präsentationsobjekt zu gestalten, haben Sie die Teppiche in fertig eingerichtete Räume gelegt.

Jürgen Dahlmanns: Genau das ist die Idee hinter Berlin Intimacy: Ich wollte die Teppiche in einem intimen, echten Umfeld zeigen. So herum funktioniert es ja auch beim Teppichkauf. Da wird der Teppich passend zur Wohnung ausgewählt, nicht umgekehrt. Darüber hinaus hat die Aktion "Intimacy Berlin" noch einen soziologischen Aspekt: Auf diese Weise konnte ich den Kontakt zu meinen Berliner Freunden wieder intensivieren.

Carpet XL: Wie genau sind Sie bei Intimacy Berlin vorgegangen?

Jürgen Dahlmanns: Zunächst habe ich meine Freunde gefragt, ob ich meine Produkte bei ihnen fotografieren darf. Und dann habe ich sie mehrfach besucht. Dabei habe ich alles auf mich wirken lassen und ihre Lebenswelt interpretiert: ob sie als Single oder als Paar leben, welche Ziele sie verfolgen, welche Grundmotive ihr Leben prägen. Entsprechend habe ich Rug-Star-Teppiche ausgesucht, die zu ihnen und ihrer Wohnung passen, und die Vorschläge mit ihnen und mit meinem Team abgesprochen.

Carpet XL: Das klingt nach einem umfangreichen Projekt.

Jürgen Dahlmanns: Insgesamt wollen wir über einen Zeitraum von zwei Jahren 36 Wohnungen zeigen. Und ja, das ist sehr zeitintensiv, weil ich mich in jede Wohnsituation und in jeden Menschen einfühlen will. Auch das Shooting ist aufwendig; es dauert etwa 12 Stunden. Besonders wichtig dabei: Niemand bekommt Geld dafür. Das zwingt uns erstens dazu, extremst achtsam zu sein, und zweitens, etwas zu erstellen, mit dem sich die Menschen in diesen Wohnungen identifizieren können.

Carpet XL: Inzwischen läuft die Foto-Aktion seit knapp einem Jahr. Haben Sie schon ein Gefühl dafür, wie sie bei Ihren Kunden ankommt?

Jürgen Dahlmanns: Sensationell! Als Nebenprodukt ist unsere neue Kampagne herausgekommen: Wir haben in den Magazinen großer Zeitungen für die nächsten 12 Monate mehrere Anzeigenstrecken gebucht. Also im FAZ-Magazin, im Zeit-Magazin und im Magazin der Süddeutschen Zeitung.

Carpet XL: Die gezeigten Teppiche sind sehr großformatig. Hat Rug Star so ein umfangreiches Lager, dass ausreichend Teppiche in den Abmessungen zur Verfügung standen?

Jürgen Dahlmanns: Die Teppiche haben wir in erster Linie deswegen, weil wir auch verstärkt auf den amerikanischen Markt gehen wollen, und dort werden im Schnitt größere Teppiche gekauft. Also haben wir unser Lager in den letzten zwölf Monaten zu 50% auf das amerikanische Format 9 x 12" (also etwa 2,74 x 3,65 m) umgeschichtet. Jetzt im September sind wir zum ersten Mal auf einer US-Messe: der New York Rug Show. Außerdem planen wir, ein amerikanisches Rug Star Headquarter zu eröffnen, wahrscheinlich in Portland.

Carpet XL: Sie meinten, dass es noch mehr Rug-Star-Fotomagazine geben soll.

Jürgen Dahlmanns: Ja, in der nächsten Ausgabe gibt es Fotos aus 18 weiteren Berliner Wohnungen. Und im nächsten Jahr wollen wir das Projekt in China spiegeln und 36 Wohnungen aus Beijing zeigen. Die Kontakte stellt mein chinesischer Geschäftspartner her, der dort sehr gut vernetzt ist.

Eine Handtuft-Linie für den Objektbereich

Carpet XL: In den Fotoprojekten zeigen Sie die Avantgarde-Knüpfteppiche, für die Sie bekannt sind. Ganz neu im Rug-Star-Programm ist seit diesem Sommer auch eine Handtuft-Schiene.

Jürgen Dahlmanns: Wir hatten in den letzten Jahren immer wieder Anfragen aus dem Objektbereich. Vor allem von Boutique-Hotels, die ihr Konzept mit ausdrucksstarken Teppichen unterstreichen wollten. Aber Knüpfteppiche kann und will ich nicht so schnell in dem Umfang liefern, darum habe ich bisher immer absagen müssen. Das Thema hat mich allerdings sehr gereizt, zumal ich auch Architekt bin und es liebe, meine Bildsprache mit Objekten größerer Dimension zu verknüpfen. Also haben wir mit der Entwicklung unserer Tuftingschiene begonnen. Wachsende Nachfrage besteht vor allem auf dem nordamerikanischen Markt und in China.

Carpet XL: In China findet auch Ihre Handtuft-Produktion statt.

Jürgen Dahlmanns: Ja, dort habe ich einen hervorragenden Geschäftspartner: Ma Jin hat bereits 1993 als erster Privatmann seine Teppichfirma Jambros Inc. angemeldet. Wir haben uns 2004 in Beijing kennengelernt, ich als Designer für Ikea und er als Produzent. Zusammen mit ihm werde ich in den nächsten zwölf Monaten sechs Showrooms eröffnen: zwei in Kanada und vier in China, diese laufen unter dem Namen Rug Star by J&M. Jambros übernimmt dabei komplett die Handtuft-Produktion für uns und vertreibt auf der anderen Seite unsere Handknüpfkollektion speziell in China und an der Ostküste Kanadas.

Carpet XL: Welche Lieferzeit muss der Kunde für einen Handtuft-Teppich einkalkulieren?

Jürgen Dahlmanns: Wir haben eine Grundfarbpalette mit Woll- und Viskosegarnen in je 100 Tönen, die immer vorrätig sind. Beide Materialien lassen sich auch kombinieren. Bleibt der Kunde innerhalb dieser Farbpalette, beträgt die Lieferzeit vier bis sechs Wochen. Werden Sonderfarben gewünscht oder andere Materialien wie Seide, dauert es vier Wochen länger.

Carpet XL: Greifen Sie bei den Designs auf Ihre Handknüpfkollektion zurück?

Jürgen Dahlmanns: Unter anderem; die neue Tufting-Kollektion soll die Handknüpfkollektion einerseits spiegeln, andererseits ergänzen und modifizieren. Tufting bietet ja noch zusätzliche Möglichkeiten. Zum Beispiel kann man mit farbigem Baumwoll-Trägermaterial arbeiten und das mit ins Design integrieren. Und durch Carving lassen sich plastische Strukturen herausarbeiten. Anders herum nehmen wir unser Know-how aus dem Handknüpfbereich mit in den Handtuft, zum Beispiel verwenden wir hier auch ungefärbte Wolle mit natürlich-unregelmäßiger Farbgebung. Das lässt das Produkt lebhafter wirken. Auch bei Handtuft haben wir übrigens einen sehr hohen Qualitätsanspruch, wir achten aber gleichzeitig auf eine attraktive Preisgestaltung.

Weltweit neue Rug Star Shops

Carpet XL: Ihre Handknüpfkollektion präsentieren Sie jetzt verstärkt in Shops auf der ganzen Welt. Wenn ich mich richtig erinnere, sind Sie schon 2010 mit zwei Shops in China eingestiegen.

Jürgen Dahlmanns: Ja, wir sind dort inzwischen eine der bekanntesten Marken im Handknüpfbereich. Im November eröffnen wir in Peking und Shanghai noch mal neu. Sechs Monate später kommen zwei weitere Läden in großen chinesischen Metropolen hinzu, Guangzhou und Shenzhen. Damit sind die Schwerpunkte gesetzt; dazwischen wird es ein dezentrales Netz an Vertrieblern geben, die chinesische Inneneinrichter besuchen und ihnen unser Programm vorstellen. Im September sind wir auch auf der Messe in Shanghai. Ja, wir starten in China richtig durch.

Carpet XL: Aber nicht nur in China. Sie wollen dieses Jahr weltweit weitere Shops eröffnen.

Jürgen Dahlmanns: Seit Juli gibt es in Vancouver den ersten amerikanischen Rug-Star-Showroom. Bald kommt ein zweiter hinzu, ebenfalls an der nordpazifischen Küste. In Europa haben wir gerade einen neuen Standort in Stuttgart eingeweiht. Und im Oktober eröffnen wir in Wien.

Carpet XL: Das sind ja große Schritte.

Jürgen Dahlmanns: Ja, wir bleiben in Bewegung. Man muss seine Sprache ständig weiterentwickeln und modifizieren, Neues wagen.•
aus Carpet Magazin 04/16 (Wirtschaft)