Robert Kisch: "Möbelhaus

Die Welt ist schlecht – oder?


Die Welt ist schlecht in Robert Kischs Roman "Möbelhaus", dessen Erzähler in einem ebensolchen arbeitet. Als Verkäufer oder, wie es heute heißt, als Einrichtungsfachberater. Die Vorgesetzten: ausbeuterisch und weltfremd. Die Kollegen: unsolidarisch. Die Kunden: geizgeil. Die Ehefrau: verständnislos.

Und es kommt noch schlimmer: Das alles ist nichts als die Wahrheit, denn "Möbelhaus" ist ein Tatsachenroman, so steht es auf dem Buchdeckel. Nicht ausgedacht, sondern selbst erlebt. Von einem mehrfach preisgekrönten Journalisten, der mit Ende vierzig wegrationalisiert wurde, weil es genug jüngere Kollegen gab, die für weniger Geld mehr Text schreiben. Geiz ist eben geil. Aber von irgendwas muss Robert Kisch (ein Pseudonym übrigens) ja leben, seine Familie ernähren. Also heuert er im Möbelhaus an, bei einem der größten Filialisten Deutschlands, und blickt dort unfreiwillig hinter die Kulissen. Und während die Kollegen um ihn herum an Burnout und Krebs erkranken, Selbstmord begehen oder von ihren Partnern verlassen werden, wandelt sich Kisch vom überzeugten Marktwirtschaftler zum Sympathisanten "linker" Verteilungstheorien.

"In den großen Möbelhausketten herrscht Krieg", meint Kisch und unterstreicht das in zahlreichen Presse-Interviews: Möbelverkäufer arbeiten für ein geringes Grundgehalt auf Provisionsbasis und tragen damit einen Großteil des Geschäftsrisikos, erklärt er. Neid, Konkurrenz und Intrigen prägten das Mit- oder vielmehr Gegeneinander. Denn um zu überleben, bräuchten die Verkäufer Provisionen und spannten sich deswegen gegenseitig die Kunden aus.

Rezensenten großer deutscher Zeitungen loben Kischs Roman. "Möbelhaus ist ein wichtiges Buch, weil es anhand einer einfachen Geschichte einen blinden Fleck der Gesellschaft beschreibt und dabei ihre kulturelle und moralische Verwahrlosung", schreibt Peter Unfried in der taz. Und Volker Weidermann (FAZ) findet, dass Kisch das System "meisterhaft, (...) kühl und emphatisch zugleich beschreibt".•

Und das findet die Carpet-XL-Redaktion:
Aus feuilletonistischer Sicht lässt sich Verschiedenes sagen über den Roman: Dass er durchaus flüssig und unterhaltsam geschrieben ist. Dass er sehr beklemmend eine Jeder-ist-sich-selbst-der-Nächste-Stimmung transportiert. Dass die Handlung allerdings im Kern aus einer Aneinanderreihung vieler ähnlicher Situationen besteht und einen Spannungsbogen vermissen lässt. Und dass ein Ich-Erzähler, der offenbar alle anderen durch die Bank weg doof findet, selbst auch nicht besonders sympathisch erscheint.

Aus fachjournalistischer und persönlicher Neugierde und aus Interesse an der Branche fragen wir uns wiederum: Läuft es tatsächlich so in deutschen Möbelhäusern? Rührt die tiefe Frustration, die uns aus den Zeilen Kischs entgegenschlägt, von den deutschen Handelsstrukturen? Das wäre schlimm. Es würde allerdings erklären, warum sich der Handel vielerorts so schwer damit tut, die wunderschönen Produkte unserer Branche zu verkaufen.
aus Carpet Magazin 04/16 (Handel)