Vrouyr 2, Antwerp

Mit Accessoires gegen die Schwellenangst


In bester Lage in der Antwerpener Altstadt betreibt Nary Vrouyr ihr Fachgeschäft für Designerteppiche und hochwertige antike Ware. Seit ihre Schwester Lucyneh nebenan einen kleinen Laden für Kunsthandwerk eröffnet hat, finden auch immer mehr Interessenten den Weg zu den Teppichen.

Sich spontan umschauen, stöbern, dieses entdecken und über jenes staunen: Nary Vrouyr freut sich über jeden, der sich in ihrem Fachgeschäft in der Antwerpener Altstadt "einfach mal umsehen" will. Klar, die leidenschaftliche Teppichhändlerin will ihre hochwertigen Stücke auch verkaufen. Aber solche Anschaffungen brauchen oft Zeit; die Liebe muss wachsen, bis die Entscheidung steht: Ja, wir wollen genau diesen Teppich, der ist uns das Geld wirklich wert.

Bis vor einem Jahr kämpfte Vrouyr jedoch noch mit der Schwellenangst der potenziellen Kunden. Die Schaufenstergestaltung mit den hochwertigen Designerteppichen und antiken Handarbeiten beeindruckte, flößte allerdings gleichzeitig Respekt ein.

Accessoires weisen den Weg zu den Teppichen

Das hat sich inzwischen geändert. Seit mehreren Monaten finden neben denjenigen, die gezielt einen Teppich suchen, immer mehr interessierte Passanten ihren Weg in das Geschäft namens N. Vrouyr. Und nehmen dabei einen Umweg, der zunächst in das Nachbargeschäft führt: In dem rund 90 m2 großen Laden namens Vrouyr 2 verkauft Nary Vrouyrs jüngere Schwester Lucyneh seit 2013 neben kleinen Kelims zahlreiche handgefertigte dekorative Artikel: Kissen und Taschen, Porzellan und Schmuck. Auch eine kleine Modekollektion einer ägyptischen Designerin ist dabei. Lauter Kunsthandwerksarbeiten also, die man auch mal spontan mitnehmen kann. Die ausdrucksstarke und gleichzeitig schnörkellos-moderne Einrichtung setzt das Sortiment gekonnt in Szene: mit schlichten tiefroten Möbeln, schwarzen Elementen und dunklem Holz. Mit der Gestaltung hat man einen professionellen Ladenbauer beauftragt - auch deswegen, weil Vrouyr 2 ganz anders aussehen sollte als das Schwestergeschäft nebenan.

Gleichzeitig helfen die geschwisterlichen Beziehungen: So kommt es vor, dass sich Kunden im Vrouyr 2 die kleinen Teppiche und Textilien anschauen und dabei Interesse an größeren Stücken äußern. Dann führt Lucyneh Vrouyr die Besucher gern zu ihrer Schwester in den Laden nebenan: Das Eis ist gebrochen, und die Leute schauen dort weiter, ganz unverbindlich.

Gute Idee auch für Einzelgeschäfte

Vrouyr 2 entstand gewissermaßen "spontan": Das ganze Haus gehört der Familie Vrouyr, der Nachbarladen war vermietet - bis 2013 der Vertrag auslief und die Räumlichkeiten wieder zur Verfügung standen. Zügig entschloss sich die studierte Sozialwissenschaftlerin Lucyneh Vrouyr, dort ein kleines Geschäft mit Kunsthandwerk einzurichten. Die Lage ist top; die Ferraris in den Straßen zeugen von einer kaufkräftigen Kundschaft ... wobei sich auch Durchschnittsverdiener die schönen Dinge im Vrouyr 2 ohne Weiteres leisten können.

Dass der kleine Laden direkt neben dem Teppichfachgeschäft zur Verfügung stand, ist natürlich ein seltener Glücksfall. Das Konzept lässt sich aber durchaus auf einer einzigen Ladenfläche umsetzen: mit einem großen, nach außen gut sichtbaren Accessoire-Angebot, das den Window-Shoppern die Schwellenangst nimmt.

Mit viel Geduld und Fachkompetenz

Im großen Teppichgeschäft N. Vrouyr muss über eine Anschaffung meist länger nachgedacht werden. Das ist Nary Vrouyr natürlich bewusst; entsprechend begleitet sie ihre Kunden mit viel Geduld und Fachkompetenz. Die junge Frau ist in einer Familie armenischer Teppichhändlern aufgewachsen und gehört zusammen mit ihrer Schwester der vierten Generation an. Ihren ersten Teppich hat sie bereits im Alter von zwölf Jahren gekauft; die Liebe zur Branche hat sich immer weiterentwickelt. Nary Vrouyr studierte zunächst Orientalistik und Sprachen und absolvierte 2008 ein Praktikum am Textilmuseum in Washington - in der Orient- und Asienabteilung. Auf der International Conference on Oriental Carpets (ICOC) in Stockholm 2011 hielt Vrouyr einen Vortrag über rumänische Volkskelims.•
aus Carpet Magazin 01/17 (Handel)