VBD-Tagung in Würzburg

"Mittelmaß ist verboten"

Würzburg. Die Zeiten im stationären Bettenfachhandel sind ungemütlicher geworden. Online-Konkurrenz, Frequenzrückgang, Digitalisierung: Bei der diesjährigen VDB-Tagung standen spannende Themen im Mittelpunkt. In zahlreichen Vorträgen und Diskussionen wurde gefragt, wie der Bettenfachhandel diese Herausforderungen meistern kann. Positive Praxisbeispiele machten Hoffnung.

Selten hat man auf einer Verbandstagung so unmittelbar die neuen Herausforderungen im Bettenhandel erleben können wie in diesem Jahr beim VDB in Würzburg. Wer das Zimmer des Tagungshotels betrat, fand dort als erstes einen Verkaufsflyer mit klarer Aufforderung auf dem Bett: "Holen Sie sich Ihr Komforterlebnis nach Hause". Matratze und Lattenrost, das komplette Bett nebst Decke, Kissen und Laken wurde im Online-store der Hotelkette zum Kauf angeboten.

"Unser Markt ist extrem in Bewegung", konstatierte VDB-Präsident Marc Böhle denn auch in seiner Begrüßungsrede. "Diese Entwicklung merken wir leider auch in unseren Geschäften. Nach einigen tollen Jahren mit schönen Zuwachsraten hat der Bettenfachhandel im letzten Jahr erstmals einen Dämpfer bekommen." Das sei zwar aufgrund der guten Vorjahre nicht unbedingt dramatisch, so Böhle, zwinge aber dennoch zum Handeln. "Denn es ist nicht zu erwarten, dass die für viele von uns goldenen Zeiten von Anfang des Jahrzehnts so einfach wieder zurückkommen."

Böhle nahm das Thema Boxspringbetten als Beispiel des Wandels: "In unserer Branche scheiden sich die Geister, ob die Boxspringwelle ein vorübergehender Boom oder ein bleibendes Phänomen ist. Ich selbst kann mir nicht vorstellen, dass Boxspring das Schicksal des Futons oder des Wasserbettes ereilt und nach dem Hype wieder in der Bedeutungslosigkeit versinkt." Dafür sprechen auch die Zahlen: Mehr als acht von zehn der für die VDB-Frühjahrserhebung befragten Händler haben Boxspringbetten im Sortiment, weitere haben die Aufnahme geplant. "Neun von zehn Händlern werden Ende des Jahres Boxspringbetten haben. Der Umsatzanteil reicht bei den Befragten bis zu 30 Prozent", erläuterte VDB-Geschäftsführer Axel Augustin.

"Wir sind seit ein, zwei Jahren etwas in der Defensive", beschrieb Augustin die Ergebnisse der Verbandsumfrage (siehe gesonderter Kasten). Die Zufriedenheit der Befragten Fachhändler sinkt. Waren mit dem Geschäftsjahr 2015 noch 14 Prozent unzufrieden, so stieg dieser Wert 2016 auf 31 Prozent - und damit um mehr als das Doppelte "Auch bei der Kundenfrequenz beobachten wir eine Verschlechterung gegenüber den letzten Jahren", so Augustin.

Dies wird zwar auch weiterhin in vielen Fällen durch gestiegene Durchschnittsbons kompensiert. Aber erstmals seit vielen Jahren sind die Durchschnittbons 2016 bei immerhin 16 Prozent der Händler gesunken. "Das gab es in den letzten Jahren fast gar nicht", so Augustin, der auch einen Dämpfer bei den Aussichten für 2017 feststellen musste, zumindest bei den rund 50 befragten Händlern: "Wir haben schon kein dolles Jahr hinter uns - und trotzdem sind ein Drittel der Befragten pessimistisch."

Die Überschrift der VDB-Tagung lautete daher nicht von ungefähr "Neue Herausforderungen meistern". Einheitsmatratzen, Boxspring-Boom und Stiftung Warentest: Vor dem Hintergrund dieser Reizthemen und der zunehmenden Digitalisierung im Handel mit einem entsprechend veränderten Kaufverhalten der Verbraucher setzte der VDB auf seiner Tagung in der Barockstadt am Main die inhaltlichen Schwerpunkte. Wie kann der Bettenfachhandel auf die Entwicklungen des Marktes reagieren, wie lassen sich Mitarbeiter motivieren und Geschäfte emotionalisieren? Hierzu bot die Tagung einige Anregungen.

Die Kunden zu Fans machen

Coach und Verkaufstrainer Andreas Nemeth empfahl den anwesenden Händlern, ihre Kunden zu Fans zu machen. Denn, so Nemeth: "Kunden muss man locken, Fans kommen von selbst." Wer viele Fans habe, sei erfolgreich, aber: "Fans kann man nicht kaufen, die muss man gewinnen." Auch Sicht des Trainers geht dies am besten über Erlebnisse, die begeisterte Mitarbeiter den zu begeisternden Kunden bieten. "Ihre Kunden lieben Erlebnisse", so Nemeth, "also bieten Sie ihnen Erlebnisse."

Wichtig sei dabei, dass der Kunde auf motivierte Mitarbeiter treffe. Denn der Entscheidungsprozess des Kunden verlaufe zu fünf Sechstel im Unterbewusstsein, auf der Basis von Erfahrungen, Gewohnheiten und Gefühlen. "Je besser die Mitarbeiter positive Gefühle beim Kunden wecken, desto erfolgreicher sind sie." Doch Nemeth nahm auch die Chefs ins Visier: "Sie tragen Verantwortung." Etwa für die richtige Motivation des Verkaufspersonals.

Gefragt seien aufbauende Informationen statt negative, Lebensfreude statt Stress und Ärger, Chancen-Denken statt Mangel-Denken. "Kreieren Sie eine Dankbarkeitskultur in Ihrem Unternehmen", riet Nemeth beispielsweise. "Ein dankbarer Mitarbeiter freut sich auch über Kunden, die kurz vor Feierabend reinkommen." Nicht zuletzt fördere eine positive Grundstimmung im Betrieb die Motivation. Nemeth: "Stellen Sie Ihren Mitarbeitern aufbauende Fragen, zum Beispiel: Welche Chancen bieten sich uns heute, unsere Kunden zu begeistern und die Umsätze zu steigern?"

Denn, so der Coach: Die Art der Kommunikation beeinflusse das Unternehmensklima und damit die Herangehensweise des Mitarbeiters. Die Haltung "Ich muss mich um meine Kunden kümmern" sei eben eine ganz andere als die Haltung "Ich freue mich, meine Kunden zu begeistern."

Der Würzburger Fachhändler Curt Schlier hatte hier eine andere Weisheit parat: "Das höchste fränkische Lob lautet: Passt scho!" Das war natürlich nur ein augenzwinkernder Hinweis auf die lokalen Gegebenheiten, die Schlier mit einem kurzen Vortrag über die 125.000 Einwohner zählende Stadt Würzburg erläuterte. Zahlreiche Touristen und nicht minder viele Studenten prägen die Stadt mit ihrem Weltkulturerbe, der Residenz.

Im Rahmen einer Stadtführung erlebten die VDB-Mitglieder diese besondere Atmosphäre, bevor es zu gemütlichen Teil des Treffens im Bürgerspital ging. Curt Schlier schickte die Kollegen mit einer passenden und für eine Studentenstadt nicht ungewöhnlichen Erkenntnis dort hin: "Egal, ob die Geschäfte gut oder schlecht laufen: Die Lokale sind immer voll..."

Start-ups: relevant, weil bekannt

Damit die Geschäfte auch weiter gut laufen, stand der zweite Tag der Verbandsversammlung im Zeichen möglicher Antworten auf die neuen Herausforderungen insbesondere des Onlinehandels. Sebastian Deppe von der BBE Handelsberatung aus München appellierte ohne Umschweife: "Mittelmaß ist verboten!" Der Bettenhandel sei anpassungsfähig, gleichwohl seien die Rahmenbedingungen schwierig. Die Konsumausgaben seien zwar stabil, aber der Anteil des Einzelhandels am Konsum sinke.

Hinzu kommen die Start-ups mit ihren neuen Vertriebsformen. "Die neuen Anbieter haben Relevanz, weil sie Bekanntheit erlangt haben", so Deppe. "Sie arbeiten mit marketinggetriebenen Ansätzen, was sicher nicht verkehrt ist." Denn: Nach einer Statista-Umfrage kennt jeder fünfte Verbraucher mittlerweile Casper, Konkurrent Emma bringt es immerhin noch auf 17 Prozent Markenbekanntheit.

Warum also soll der Kunde im stationären Fachhandel kaufen, wenn es online so vermeintlich einfach geht? "Wenn Sie diese Frage nicht beantworten können, dann hat es keinen Sinn dass Sie da sind", wurde Deppe deutlich. In seinem Vortrag zeigte er Strategien für die verschiedenen Kaufphasen auf (siehe Kasten).

VDB-Geschäftsführer Axel Augustin lobte die Mitglieder, die sich mit eigenen Aufritten im Internet zeigen, wenn auch mit Einschränkung: "Es sind mittlerweile sehr viele gute Webseiten im Bettenhandel am Start", betonte er. "Aber mir persönlich fehlt recht häufig der persönliche Touch. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn ein mittelständischer Bettenfachhändler eine Website betreibt, dann gehört er als Unternehmer, der für sein Angebot geradesteht, auch sehr weit nach vorne. Da ist für mich ein sehr wichtiges Unterscheidungskriterium zu Emma, Muun oder Casper, wo kein Mensch weiß, wer dahinter steckt."

Kooperation macht Fachhändler stark

Wie dies in der Praxis aussehen kann, erläuterten mehrere Fachhändler ihren Kollegen in Best-Practice-Beispielen - darunter auch zwei aktuelle Haustex-Star-Preisträger. Allen Beispielen gemeinsam ist die händlerübergreifende Zusammenarbeit, auch über Verbandsgrenzen hinweg.

Susanne Heller und Leif Ginap erklärten beispielsweise das Konzept ihrer "Nachtmanufaktur". Der gleichnamige Onlineauftritt vier Beteiligter Häuser bietet zahlreiche Informationen und Blogbeiträge rund um den gesunden, hochwertigen Schlaf. "Wir stellen keine Hochglanzartikel ein, sondern authentische Hintergrundberichte", betonte Susanne Heller.

In Zusammenarbeit mit einer Agentur werden die Inhalte für Suchmaschinen optimiert, damit die Nachtmanufaktur auch gefunden wird, außerdem erhalten die beteiligten Händler im Wortsinne ein persönliches Gesicht und sind so für den Besucher fassbar. Die Erfahrung der Händler: "Unsere Beträge werden gelesen", erklärte Leif Ginap, der auf eine hohe Verweildauer verweisen konnte. "Wir geben seit 2008 kaum noch Geld für Print-Werbung aus und stecken unser Geld hauptsächlich in Online-Aktivitäten."

Allein 16.500 eigene Fotos seien seit dem Start der Seite eingestellt worden, erläuterte Susanne Heller. "Das ist ein permanenter Prozess, das macht man nicht nebenher." Denn neben der eigenen Seite werden auch weitere soziale Netzwerke bedient. Doch Susanne Heller ist sicher: "Wir sind gemeinsam stark durch eine starke Online-Präsenz."

Bundesweite Terminvereinbarung

Der Wuppertaler Fachhändler Björn Steinbrink stellte wie schon im Vorjahr sein Modell der konsequenten Terminvereinbarung über die eigene Website vor - diesmal aber um einen entscheidenden Punkt erweitert: Denn sein System bietet er nun Kooperationspartnern bundesweit an (siehe auch Interview auf Seite72). Steinbrinks Website wird im Monat von gut 15.000 Menschen besucht, davon werden etwa zehn Prozent von seinen beiden Geschäften in Wuppertal und Neuss räumlich abgedeckt. "Über 13.000 Besucher pro Monat suchen aber einen Ansprechpartner außerhalb unseres Einzugsgebietes", so Steinbrink.

Diese potenziellen Kunden will der Fachhändler nun an Kollegen vermitteln. Auch hier ist das Ziel die Terminvereinbarung zur Beratung im Geschäft, denn: "Termine sind Umsatzbringer und helfen bei der Zeit- und Personalplanung." In Steinbrinks Geschäft liegt der Durchschnittsbon eines Terminkunden bei 1.890 Euro. Über seine Website kommen monatlich 50 Kunden ins Geschäft, "aber 375 Anfragen außerhalb unseres Einzugsgebietes können nicht beantwortet werden." Die will Steinbrink nun gegen Provision an Kollegen vermitteln. Mehr als 30 Partner hatte er zum offiziellen Start am 1. Mai bereits im Boot, weitere sollen folgen.

Steinbrink kooperiert dabei mit der Schlafkampagne von Markus Kamps. "Die Kooperation ist eine gute und runde Sache", betonte Kamps in Würzburg. "Die Schlafkampagne wird als regionale Plattform wahrgenommen. Das liegt auch daran, dass wir herstellerneutrale Artikel veröffentlichen. Wir haben zwischen 1.000 und 2.000 Besucher pro Tag." Über 740 Händler sind integriert, die Premium-Partner sind auf besondere Weise sichtbar und werden mit der Seite von Steinbrink verlinkt. "Auch wir arbeiten mit Blogs, News und Videos. In unserem Forum unterhalten sich die Kunden darüber - zum Beispiel über die Frage, ob es sein kann, dass es eine Matratze für alle geben soll." Kamps riet den anwesenden Fachhändlern, durch eigene Forenbeiträge aufzuklären und sie von den Vorteilen einer fachkundigen Beratung zu überzeugen.

Wertegemeinschaft in München

Auch für Bettenrid-Geschäftsführer Robert Waloßek ist die Frequenz im Geschäft ein großes Thema. "Wir wollen 2030 noch am Markt sein", erklärte er. "Wir müssen als stationäre Händler aufpassen, dass wir nicht ständig sagen, dass wir die Besten sind, sondern auch sehen: Was sind die neuen Entwicklungen?"

In München hat sich Bettenrid mit weiteren vier Traditionsgeschäften unter dem Namen "Münchens erste Häuser" zusammengeschlossen. Der Verbund tritt nicht nur werblich gemeinsam nach außen auf, sondern nutzt auch Synergien in der Ausbildung und Nachwuchsförderung oder Maßnahmen zur Kostenoptimierung. "Uns verbindet eine DNA von Werten", betonte Waloßek. "Wir verstehen uns als eine Wertegemeinschaft und keine Werbegemeinschaft."

In der Kundenkommunikation setzt man nicht auf Preisargumentation, sondern auf die gemeinsamen Stärken, die auf Tradition und Service gründen, aber auch aktuelle Anforderungen wie Same-Day-Delivery umfassen. Die Gemeinschaft der Traditionshäuser hat aber auch eine weitere Stärke: Politische Einflussnahme, sei es bei den Öffnungszeiten oder innerstädtischen Baustellen, wird so leichter und wirkungsvoller. Waloßek: "Wir sind im Gespräch und werden deshalb wahrgenommen."

Mit Emotionen gegen Zalando & Co.

Als letzten Redner der Tagung hatte der VDB traditionsgemäß einen Branchenfremden eingeladen. Heinz-Jörg Ebert vom Gießener Schuhhaus Darré brachte noch einmal Schwung, Witz und Tempo in den Saal, indem er in einem engagierten Vortrag zeigte, wie er sein Geschäft "emotionalisiert" hat (siehe Kasten).

Neben zwei stationären Filialen verkauft Ebert auch über Onlinemarktplätze - in einer Branche, die mit Zalando einen prominentes Internet-Konkurrenten hat. "Wir verkaufen online täglich 40 Paar Schuhe", so Ebert. "Unsere Mitarbeiter mussten erst einmal ihre Online-Angst überwinden und kapieren, wie sich der Gesamtumsatz entwickelt und zusammensetzt - und auch ihre Arbeitsplätze sichert." Sein Credo: "Der Kunde kommt nicht mehr zufällig in den Laden, wir müssen ihn digital holen." Daran arbeitet Ebert mit zahlreichen Maßnahmen, von der Mitarbeiterführung bis zum Stadtmarketing, von der Präsentation in außergewöhnlichen Räumlichkeiten bis zum Onlinemarketing mit hohem Identifikationsgrad.

Das Netz als Menetekel? Der VDB hat sich in Würzburg bemüht, seinen Mitgliedern Ängste zu nehmen und ganz unterschiedliche Möglichkeiten aufzuzeigen, im Zeiten von Onlinehandel und Einheitsmatratzen das Internet als Chance zu sehen und zu nutzen. Ein umfangreiches Motivationspaket, getreu der Überschrift der Tagung: Neue Herausforderungen erfolgreich meistern.
aus Haustex 05/17 (Wirtschaft)