Heinz-Jörg Ebert, Schuhhaus Darré, Gießen

Erfolgreich durch konsequente Emotionalisierung


Heinz-Jörg Ebert hatte eine überraschende Botschaft für die Kollegen aus dem Bettenfachhandel: "Sie haben eine großartige Zukunft vor sich!" Denn Trübsal zu blasen ist seine Sache nicht - auch wenn der Gießener Schuhhändler konstatiert: "Es sind die Metropolen, die in der Zukunft stationär relativ rosig dastehen werden. Denn dort wird es in der Prognose bis 2020 nur’ drei Prozent Minus geben."

Der stationäre Einzelhandel jenseits der großen Städte werde noch viel deutlicher Umsätze verlieren. "Im stationären Bereich wird es künftig keine Gewinner mehr geben. Das muss uns zum Nachdenken bringen, wie die Umverteilung zu unseren Ungunsten ausfallen kann", so Ebert, der für ein besonderes Potenzialbewusstsein wirbt: "Nicht immer nur an den Schwächen arbeiten, sondern auch die Stärken herausstellen."

In seinem eigenen Geschäft, aber auch am Standort Gießen hat er zahlreiche Maßnahmen durchgeführt oder mitgestaltet, um als stationärer Händler gegen Zalando & Co. zu bestehen. Neben einem besonderen Erscheinungsbild steht vor allem der Mensch im Mittelpunkt seines unternehmerischen Handels: sei es der Kunde, der Mitarbeiter oder er als Inhaber. "Und genau da findet die Emotionalisierun statt", so Ebert. Beispeilhaft seien hier fünf Bereiche genannt:

Räumlichkeiten: "Durch besondere Materialien und Raumgestaltung haben wir eine einzigartige Atmopshäre geschaffen und Warendruck erzeugt", so Ebert. Mit Hilfe eines Raumgestalters wurden Wände und Böden so umgestaltet, dass Beispielsweise eine Biblitohek, eine italienische Piazza oder ein Wald für Kinder entstanden. "Wir haben mit einem Fünftel dessen, was wir vorher in den Ladenbau gesteckt haben, gearbeitet. Letztlich haben wir ohne eine Sekunde zu schließen nur in die Böden und Wände investiert. Die Warenträger sind die gleichen geblieben, aber wir haben trotzdem eine völlig neue Welt geschaffen."

Marketing: "Wir stehen für beratungsintensiven, authentischen und persönlichen Einzelhandel", betont Ebert. "Die Bilderwelt unserer Werbung zeigt unsere eigenen Leute und die Stories dazu." Die Darré-Mitarbeiter werden dabei ebenso gezeigt wie Kunden, die als Testimonials dienen - etwa der stadtbekannte Pfarrer oder eine beliebte Gastronomin. "Unsere Broschüren zeigen immer unsere Ware, unsere Mitarbeiter, unsere Räume", so Ebert. "So schaffen wir emotionale Identifikation und zeigen unsere Produkte und Wohlfühlräume, die anders sind als beim klassischen Schuhhändler." Geld für klassische Printwerbung gibt Ebert kaum noch aus: Gerade der Onlinebereich bietet zahlreiche kostenlose Vertriebsmöglichkeiten von Botschaften über Social Media. Der Kunde kommt nicht mehr zufällig in den Laden, wir müssen ihn digital holen."

Kundenbindung: Mehr als 32.000 Datensätze befinden sich in der Kundenkartei, die intensiv genutzt wird. Zahlreiche Events, vom Konzert bis zum Benimmkurs für Kinder, führt Ebert durch. Er hat auch schon eine Weihnachts-CD mit seinen Mitarbreitern eingesungen und an 7.000 Kunden verteilt - finanziert von begeisterten Schuhherstellern. Ebenfalls vor Weihnachten verkauft er auch schon mal 3.500 Flaschen eines besonderen Kräuterlikörs. Mit der Darré-Persönlichkeitscard bekommen Kunden nicht nur Rabatte oder Vorkaufsrecht auf Darré-Veranstaltungstickets. Durch eine Kooperation mit einem Gießener Coffeshop erhalten die Kunden dort einen Extra-Stempel auf ihrer Kaffeekarte, wenn sie die Darré-Karte vorzeigen. "Das kostet uns nichts, aber die Kunden freut es", so Ebert, der seine Kunden in den Mailings duzt oder siezt: "Ich unterzeichne entweder als Heinz-Jörg oder als Heinz-Jörg Ebert. Wir differenzieren sehr genau, wen wir wie ansprechen."

Mitarbeiter: "Wir begegnen unseren Mitarbeitern mit Wertschätzung und Transparenz und erarbeiten unsere langfristigen Planungen mit ihnen gemeinsam", betont der Händler. Das beginnt damit, dass Bewerber die Firmenphilospohie bereits vor einem Einstellungsgespräch erhalten. "Das ist die Basis, auf der wir diskutieren", so Ebert. Statt "Was wollten Sie denn immer schon mal werden?" fragt er: "Haben Sie verstanden, was wir wollen?" Persönliche und berufliche Jahresziele werden ebenso im Betrieb kommuniziert wie die Ergebnisse von Testkäufen. Langfristige strategische Planungen erarbeitet der Chef in Seminaren gemeinsam mit seinen Mitarbeitern, die auch ein System von Prämien und Provisionen mitgestaltet haben. "Früher haben wir sehr zentral gesteuert geführt, heute ist das ein sehr offenes System, das einen unglaublichen Schwung auslöst, der auf den Kunden abfärbt."

Stadtentwicklung: "Niedergänge und Leerstände ohne Ende prägen viele deutsche Innenstädte. Dem haben wir uns mit dem Thema BID entgegengestellt", beschreibt Ebert. Vier Quartiere in der Gießener Innenstadt wurden geschaffen. "Wir haben überall die Frage gestellt: Wer bist du? Was bietest du an, was ist deine Kernzielgruppe, wie bist du?" Daraus wurden zahlreiche Maßnahmen entwickelt, "alle entsprechend dem jeweiligen Charakter des Viertels, aber alle vereint unter dem Dach der Einkaufstadt Gießen", so Ebert. "So machen wir es bei uns im Haus auch: Die Herrenabteilung hat eine andere Positionierung als die Kinderabteilung, und die wiederum eine andere als die Damenabteilung - aber alles unter der Gesamtpositionierung des Schuhauses Darré. Das hat uns im Bewusstsein der Kunden und im Verständnis der Mitarbeiter enorm weitergebracht."
aus Haustex 05/17 (Handel)