Holzring: Nachgefragt bei Olaf Rützel und Maik Möhle

"Der Großhandel muss Sekretariat seines Kunden sein"


Dem Holzhandel geht es derzeit gut. Im ersten Quartal 2017 sind die Umsätze weiter gestiegen. Auch die weiteren Aussichten sind positiv. Aber: zurücklehnen gilt nicht. Es gibt Themen, die dem Holzhandel unter den Nägeln brennen. Welche das sind, erörterte Parkett Magazin mit Holzring-Geschäftsführer Olaf Rützel und Maik Möhle, Produktmanager Innenausbau und Bauelemente.

Parkett Magazin: Eigentlich müsste der Holzhandel gerade zufrieden sein: Die Baukonjunktur spielt ihm in die Karten, auch die Perspektiven sind vielversprechend. Sind alle Hausaufgaben gemacht?

Olaf Rützel: In seinem Kerngeschäft hat der Holzhandel definitiv seine Hausaufgaben gemacht. Er nimmt Zukunftsthemen auf, hat seine Kosten im Griff und erzielt gute Umsätze, beflügelt durch den Markt und den anhaltenden Trend in Richtung Holz als nachwachsendem Rohstoff. Das wird wahrscheinlich auch noch einige Zeit anhalten.

Was den Holzhandel derzeit besonders umtreibt, ist das Thema Digitalisierung. Das mag abgedroschen klingen, aber man stellt immer wieder fest, dass andere Branchen, die näher am Endverbraucher sind, sehr viel weiter und unserer Branche voraus sind. Hier besteht ein gewisser Nachholbedarf.

Maik Möhle: Dieses Jahr werden die Umsätze wahrscheinlich nochmal steigen, dann muss man sehen, wie sich die Baukonjunktur weiter entwickelt. Die Prognosen deuten auf eine perspektivische Abschwächung im Bereich Bauelemente hin. Der Holzhandel wird sich also Gedanken machen, wo er dann seine Marge generiert - zum Beispiel durch Trading-Up. Man wird im Großhandel weiter auf Eigenmarken setzen, denn wenn der Markt enge wird, muss man sich gegenüber dem Wettbewerb absetzen - und das funktioniert am besten über Eigenmarken. Die werden deutlich zunehmen.

Rützel: Bei Eigenmarken sind die Margen tatsächlich besser und die Identifikation ist größer. Ein hervorragendes Beispiel für erfolgreiche Eigenmarken-Politik ist unser Gesellschafter Jordan, der in seinen angestammten Bereichen einen Großteil der Umsätze über seine Eigenmarke Joka erzielt.

Möhle: Der Handwerker ist bei Eigenmarken des Großhandels sofort aus der Transparenz heraus, die bei vielen großen Herstellermarken gegeben ist. Und die Lieferung von Fußböden oder Komponenten per Paketdienst ist heute kein Thema mehr. Alle arbeiten an Transportverpackungen für Parkett, für Laminat gibt es diese schon, insofern dürfte der Versand letztlich nur eine Frage der Kapazitäten bei DHL oder UPS bzw. neuen Speditionsformen sein.

Damit schlagen wir den Bogen zurück zur Digitalisierung. Das ist ein weiter Begriff, hinter dem sich vieles verbirgt, von der internen Prozessoptimierung über B2B bis hin zu B2C, wo ja einige Holzhändler durchaus erfolgreich sind.

Rützel: Das ist richtig. Dennoch läuft der Vertrieb an den Endverbraucher noch hauptsächlich stationär über den Fachmarkt oder auch den Baumarkt. Der Holzhandel ist vornehmlich B2B unterwegs. Ergo dienen auch die Webshops, die entstehen, nicht primär dazu, neue Märkte oder Kunden zu erschließen, sondern laufen erstmal darauf hinaus, das Geschäft und die Prozesse optimaler zu gestalten. Ziel ist vornehmlich, den gewerblichen Kunden einzufangen.

Digitalisierung in B2B hat eindeutig den Fokus auf den Prozess und nicht auf das Produkt.

Für einen Großhändler könnte das so aussehen: Wenn mein Profi-Kunde seinem Kunden ein Angebot macht, soll er meine Kalkulationen, Artikelstammdaten und Bilder nutzen. Und wenn der Auftrag an meinen Kunden erfolgt ist, soll er über meine Warenwirtschaft automatisch einen Auftrag auslösen. Das wäre digitale Integration.

Wir haben mit unserem elektronischen Produktdateninformationssystem EPIS eine Grundlage geschaffen, in der bereits fast 400.000 Artikel hinterlegt sind. Zu jedem Artikel gibt es Hunderte von Attributen - 350 allein bei Fußböden - , die erfasst werden müssen. Um das einfacher zu gestalten, haben wir diese Attribute in drei Gruppen geclustert. Das erste Cluster umfasst alle Warenwirtschaftsdaten. Diese haben wir bereits alle aufgenommen und sind auch schon sehr weit im zweiten Cluster mit allen relevanten B2B-Informationen, etwa technische Spezifikationen und Datenblätter. Das dritte Cluster umfasst dann zum Beispiel Umweltzeichen oder Bilder in verschiedenen Auflösungen.

Möhle: Datenverfügbarkeit ist extrem wichtig, auch vor dem Hintergrund des neuen Baurechtes. Man muss in der Lage sein, schnell Änderungen oder Ergänzungen vornehmen zu können. Das ist die Dienstleistung, die der Großhandel in Kooperation mit der Industrie erbringen muss.

Also geht es vor allem um einen optimierten Service
für den Kunden, um sie mehr zu binden.

Rützel: Ja. Bindet man den Kunden über digitale Prozesse ein, ist man sein A-Lieferant. Wenn nicht, wird es ein anderer. Der Großhandel muss das "Sekretariat" seines Kunden sein. Das gilt besonders für den werkstattlosen Handwerker. Wenn er auf der Baustelle ist und etwas telefonisch nachbestellt, muss der Großhändler wissen, worum es geht und auch sofort liefern.

Möhle: Gerade diese werkstattlosen Handwerker wollen einen One-Stop-Service. Das geht hin bis zur projektbezogenen Rechnung, die nur noch auf dem eigenen Geschäftspapier ausgedruckt werden muss. Oder sogar schon darauf ausgedruckt ist. Das ist heute alles schon möglich. Darauf muss sich der Großhandel einstellen. Bei den Profi-Kunden mit Werkstatt ist das Vorgehen wieder ein anderes.

Rützel: Wobei: Wenn ein Großhändler 15 bis 20 % B2B online macht, ist das super. Darüber hinaus muss man trotzdem das Wichtigste einer Geschäftsbeziehung ausspielen: die menschliche Ebene. Da kommt man aktuell digital nicht heran. Trotz künstlicher Intelligenz und Bots.

Sie haben das Stichwort Kundenbindung erwähnt. Produkte und Dienstleistungen werden immer austauschbarer. Umso wichtiger ist es sich zu differenzieren, Präferenzen zu bilden und dadurch Kundenloyalität zu erzielen. Wobei man die Kundenloyalität nicht über Rabatte erhöhen kann, siehe das Beispiel von Praktiker. Wenn ein Kunde bei Ihnen bestellt, obgleich er weiß, dass das Produkt oder die Leistung woanders günstiger sind: dann sind Sie gut. Dann haben Sie Kundenbindung, Kundenloyalität erreicht.

Wir greifen das Thema Digitalisierung mit dem Schwerpunkt digitale Transformation übrigens noch einmal bei unserem Holzring-Symposium im Herbst auf. Wir wollen einen Blick über den Tellerrand werfen, der kann auch visionär sein, doch achten wir dabei auch darauf, dass sich Erkenntnisse für unsere Branche ableiten lassen.

Wenn wir uns zum Beispiel damit befassen, wie die digitale Transformation im Bereich Logistik für mehr Effizienz sorgen kann, kommt das schon sehr nahe an die Anforderungen aus dem heutigen Geschäft des Großhandels heran.

Ein weiteres Thema im Bereich Logistik ist die Arbeitsplatzqualität - primär vor dem Hintergrund des sich wahrscheinlich noch verstärkenden Fachkräftemangels. Es ist verdammt harte Arbeit, in einer kalten Halle große Platten abzustapeln. Der Anspruch an Arbeitsplätze ist heute und wird morgen ein anderer sein als früher, in der Perspektive auch hier deutlich digitaler. Gerade der klassische Holzhandel sollte sich daher überlegen, wie sich Arbeitsplätze attraktiver gestalten lassen. Wenn er die Arbeitsumgebung speziell im Bereich Logistik nicht verändert, wird er aller Voraussicht nach Probleme haben, zukünftig Mitarbeiter zu finden.

Das dritte Thema im Bereich Logistik ist Transparenz zum Kunden. Das machen uns Amazon und Co vor. Der Kunde will nicht nur wissen, was er bestellen kann und wie es aussieht, sondern auch, ob die Ware verfügbar ist und wann er sie erhält. Das lernt schließlich jeder, der von der heimatlichen Couch im Internet bestellt.
aus Parkett Magazin 04/17 (Wirtschaft)