Streitgespräch Casper gegen Lattoflex

Duell um die Kunden der Zukunft


Hamburg. Schicke Kulisse, spannendes Thema: Das Hamburger Wirtschaftsmagazin Impulse hat hoch über dem Hafen der Hansestadt zwei Alphatiere der Schlafbranche in einem verbalen Schlagabtausch gegeneinander antreten lassen: Boris Thomas, Inhaber des Familienunternehmens hinter der Marke Lattoflex, und Constantin Eis, Europa-Chef des Matratzen-Start-ups Casper.

Wie reagiert ein deutscher Mittelständler darauf, dass sich ein US-amerikanischer Newcomer (und nicht nur der) anschickt, den Matratzenmarkt gehörig aufzumischen? In erster Linie gelassen, könnte man am Ende des Streitgespräches meinen. Denn Boris Thomas weiß: "Es gibt nur eine einzige Zielgruppe in unseren westlichen Ländern, die überhaupt quantitativ wächst, und das sind die über 50-Jährigen." Und genau die umwirbt er. Thomas: "Unser Kunde ist über 50. Der hat einfach besondere Ansprüche. Die schicken uns teilweise Röntgenfotos von ihrem Orthopäden und fragen, ob wir etwas dazu sagen können."

Auch Constantin Eis bleibt gelassen. Denn seine Kunden haben ganz andere Sorgen: "Unser Kunde ist um die 30. Der richtet sich gerade seine erste eigene Wohnung ein. Oder er lässt sich gerade scheiden und braucht ganz schnell eine neue Matratze." Zwei Lebenssituationen von vielen, mit einem Unterschied: "Unsere Kunden zeigen uns meistens auf Instagram oder Youtube, wie sie die Matratze ausrollen, wie sich sozusagen das Produkt entfaltet. Das hat extrem dazu geführt, dass Leute über Casper sprechen." Und diese Generation der Digital Natives wird auch nicht kleiner.

Doch sie stößt aus Sicht des Casper-Europa-Chefs auf einen unübersichtlichen Markt: "Wir haben festgestellt, dass der Markt mit seiner Vielzahl an unterschiedlichen Produkten für den Konsumenten überhaupt nicht transparent ist", sagt Eis. "Als wir angefangen haben, uns mit dem Thema Matratze auseinanderzusetzen, haben wir vier Prinzipien entwickelt: Komfort, Stabilität, Temperatur und Haltbarkeit. Und diese vier Designprinzipien haben wir in einer Matratze verbunden." So weit, so einfach.

Doch ist die Einheitsmatratze wirklich der richtige Weg? Für Boris Thomas natürlich nicht: "Wir sind acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Und alle acht Milliarden sind unterschiedlich, jeder hat sein eigenes Bedürfnis." Seit 1957 überlege sein Unternehmen, wie Menschen schmerzfrei gelagert werden können. "Da brauchts ein bisschen mehr als zu sagen: Hier ist die Matratze - nimm sie!"

Eis sieht das entspannt: "Wir glauben, dass vier unterschiedliche Körpertypen einen Großteil der Bevölkerung in Deutschland abdecken können, die unterschiedlich schwer sind, die unterschiedlich liegen." Für ihn trägt der Service entscheidend zum Erfolg bei: "Deshalb sagen wir, dass der Kunde das Produkt zuhause in seiner normalen Schlafumgebung 100 Tage ausprobieren sollte. Wenn man auf die Kunden hört, wenn man denen einen tollen Service anbietet, dann wird man im Endeffekt auch langfristig erfolgreich sein."

Wirklich kontrovers wird das Gespräch abseits dieser Grundsatzfrage, als Impulse-Chefredakteur Nikolaus Förster nach den erheblichen Preisunterschieden der beiden Anbieter fragt. "Es gibt den Porsche, es gibt den VW Golf und es gibt den Fiat 500", erklärt Thomas. Alle diese Wagen hätten ihre Berechtigung, aber eben auch unterschiedliche Arten von Materialien, einen unterschiedlichen Forschungsaufwand, einen unterschiedlichen Individualisierungsgrad.

Eis kontert Richtung Thomas: "Wir glauben, dass die ganze Händlerstruktur extrem viel Marge mitnimmt. Die geben wir dem Kunden, und Sie dem Händler." Dies sei eine nette Legende, widerspricht Thomas: "Wenn ich mir Ihr Produkt angucke, dürften die Herstellkosten so um 75 bis 80 Euro liegen. Wenn ich das hochrechne würde ich sagen, haben wir beide am Ende eine relativ identische Marge." Doch der Casper-Chef bleibt dabei: "Ich glaube, der große Margenunterschied kommt daher, dass noch jemand mitverdienen muss."

Aus Sicht von Boris Thomas stellt sich für die gesamte Branche ein weiteres Problem: "Wir haben extrem lange Kaufintervalle." Da habe weder er noch ein Start-up wie Caspser im Moment eine Lösung. "Wie binde ich eigentlich einen Kunden über zehn Jahre an mich, bis die nächste Matratze fällig ist?" fragt Thomas. "Wir glauben, dass Kaufzyklen zu lösen sind", sagt Eis und ist sich mit Thomas einig: "Ganz entscheidend ist ein zufriedener Kunde. Und der wird einem anderen davon erzählen, wie zufrieden er war."

Doch wie spricht man diesen Kunden zeitgemäß an? "Ich weiß, wie unser Kunde tickt", verweist Boris Thomas auf die vielen Daten, die sein Unternehmen von den Käufern ihrer Matratzen erhebt. Der Casper-Ansatz ist anders: "Wir kommunizieren nicht klinisch, nicht über Rückenschmerzen", betont Eis. "Wir kommunizieren auch nicht über die Funktion der Matratze, weil wir glauben, dass so viel über Funktion gesprochen wurde, dass die Kunden das gar nicht verstehen. Unser Produkt ist für Leute, die Schlafen als Lifestyle-Element sehen."

Also alles nur eine Frage der Generationen? Boris Thomas blickt sehr genau auf den Kunden und die Konkurrenz: "Wir müssen schauen, wie sich Konsumgewohnheiten ändern. Da sind die Impulse aus dem Internetmarketing und aus dem eCommerce sehr, sehr spannend." Für Eis ist die Schlafbranche ein Markt, "in dem man extrem viel bewegen kann und der nach Veränderungen schreit. Und es ist auch ein Markt, bei dem Kunden in Deutschland einfach zu kurz gekommen sind in der Vergangenheit."

Womit am Ende die Gelassenheit zurückkehrt. "Im Moment hat noch niemand bewiesen, dass er mit reinen Online-Matratzen am Ende wirklich schwarze Zahlen schreibt", sagt Thomas. Das Ei des Kolumbus hat in diesem Bereich bis heute keiner gefunden."
aus Haustex 07/17 (Wirtschaft)