DITF Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf

Blackout-Stoffe unter der Lupe


An den Deutschen Instituten für Textil + Faserforschung (DITF) wurden im Auftrag von Stofflieferanten aus der Sonnenschutzbranche Verdunklungs- und Abdunklungsstoffe wissenschaftlich geprüft. Das Ziel ist eine neue Leistungsklassendefinition.

Stockfinster ist es im Prüflabor am Institut für Textil- und Verfahrenstechnik (ITV) in Denkendorf. Ideale Testbedingungen, denn es geht darum, die Lichtdurchlässigkeit von Verdunklungsstoffen herauszufinden. Dafür wird eine Blackout-Qualität mit einer 100.000 Lux starken Lampe hinterleuchtet - eine Simulation direkter Sonneneinstrahlung. Nur wenige helle Lichtpünktchen scheinen durch das Gewebe. Ist das jetzt noch eine normgerechte Verdunklungsware oder muss der Artikel als Abdunklungsstoff (Dimout) klassifiziert werden?

Diese Frage trieb die Stofflieferanten der Sonnenschutzbranche um. "Es gab eine Fehldefinition von Dimout und Blackout innerhalb der EU-Norm 14501 (Thermischer und visueller Komfort - Leistungsanforderungen und Klassifizierung). Produktklassifizierungen, die über Jahrzehnte bekannt und allgemeinverständlich waren, wurden auf einmal mit falschen oder zu hohen Messwerten belegt", erklärt Andreas Bisinger. Er spricht über diesen Themenkomplex in einer Doppelfunktion: Zum einen war er bis Ende 2016 über zehn Jahre als Vorstand für Verwaltung und zentrale Dienste an den Deutschen Instituten für Textil +Faserforschung (DITF) tätig - wozu auch das ITV gehört - und ist dort weiterhin als Projektleiter aktiv ist. Außerdem leitet der 53-Jährige die Firma TID Sunprotect, die deutsche Tochtergesellschaft von Tenditalia aus Vigevano. Die Italiener haben sich auf die Ausrüstung technischer Stoffe für innenliegende Sonnenschutzprodukte spezialisiert.

Aufgrund der Mängel in der Norm ergriff die Fachgruppe der Stofflieferanten im Verband innenliegender Sicht + Sonnenschutz (ViS) im Jahr 2013 die Initiative für eine neue Leistungsklassendefinition von Dimout/Blackout-Geweben und die Bestimmung der Prüfverfahren. Denn gemäß der bisherigen Norm 14501 galt für ein Verdunklungsstoff: "Bei einer Prüfung bei 100.000 Lux darf es keine Wahrnehmung von Licht geben." Doch das erreichen laut Experten nur wenige Stoffe im Markt.

Die Ausrüster technischer Textilien sahen deshalb Handlungsbedarf, auch in Bezug auf mögliche Gutachten. "Wir möchten sicherstellen, dass bei einer Reklamation die Bewertungskriterien für Verdunklungsstoffe wissenschaftlich begründet, richtig und nachprüfbar sind", so Bisinger. Der primäre Ansatz sei, "Rechtssicherheit zu schaffen".

Überarbeitete EN 14501 in der Genehmigungsphase

Das Denkendorfer Institut für Textil- und Verfahrenstechnik erhielt den Auftrag, im Rahmen eines Forschungsprojekts Blackout-Stoffe unter die Lupe zu nehmen. Mit im Boot ist das Fraunhofer Institut in Freiburg. Am ITV wurde Christoph Riethmüller, Bereichsleiter Technologieintegration und Zukunftswerkstatt, federführend mit der Aufarbeitung und Analyse betraut. Um etwa die Beleuchtungsstärke von 100.000 Lux zu prüfen, nahmen der Diplom-Ingenieur und seine Mitarbeiter zu Beginn des Projekts Messungen vor: "Bei verschiedenen Lichtverhältnissen an ganz unterschiedlichen Stellen in Europa, zum Beispiel in den Alpen".

Der Forschungsprozess ist inzwischen abgeschlossen, die Ergebnisse liegen vor. Die neue Version in der Überarbeitung von EN 14501 weist jetzt Klassen von 0 bis 4 aus und wurde entsprechend mit technischen Werten hinterlegt. Alle Stoffhersteller hätten sich an der neuen Klassifizierung beteiligt. "Hier gibt es keinerlei Dissens mehr", betont Andreas Bisinger. Jetzt durchlaufe die Norm die europäische Genehmigungsphase. Gerechnet werde mit einer Dauer von etwa einem Jahr.

Neben dem ITV sind unter der Dachmarke "DITF" noch zwei weitere Forschungseinrichtungen im württembergischen Denkendorf vereint. Zusammen mit dem Institut für Textilchemie und Chemiefasern sowie dem Zentrum für Management Research stuft sich das DITF als, "Europas größtes Textilforschungszentrum" ein. "Wir decken vom Molekül bis zum Produkt die gesamte Produktions- und Wertschöpfungskette von Textilien ab", wird als Alleinstellungsmerkmal formuliert. Innerhalb der sechs Leitthemen (Textil, Bau, Umwelt, Gesundheit, Mobilität, Verfahrenstechnik) hatt das Anwendungsfeld "Textiltechnologische Prozesse" mit 28 % den höchsten Anteil an den Arbeiten. Namhafte Unternehmen aus der gesamten heimtextilen Branche entwickeln und forschen hier, sagt Andreas Bisinger. Konkrete Namen sollen nicht genannt werden, doch es seien Markisenstoff-Hersteller darunter, bedeutende skandinavische Konzerne sowie auch die gesamte Textilmaschinen-Industrie.

Relevant für die Heimtextilien-Branche sind die Forschungsfelder "Textilveredelung und funktionalisierte Textilien" sowie "Smart Textiles". Die aktuellen Schwerpunkte: schalltechnische, lichttechnische, temperatur- und klimaregulierende Textilien bis hin zu E-Textilien (Textilien und Faserverbundstoffe mit Sensoren). Neben der Entwicklung neuer Produkte bietet das DITF verschiedene Dienstleistungen an. So führt das Umweltsimulationslabor Altersprüfungen durch, etwa zum Verwittern und Vergilben von Stoffen.

Organisatorisch sind die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung eine Stiftung des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg untersteht. Gegründet wurde die Stiftung 1921 in Reutlingen. In Denkendorf nahe Esslingen etablierte Bernhard Bisinger - der Großvater von Andreas Bisinger - im Jahr 1937 als technischer Geschäftsführer eine Zellwoll-Lehrspinnerei, um die Importe von Baumwolle und Wolle durch Zellwolle (heute bezeichnet als Viskose-, Cupro- und Acetat-Fasern) zu ersetzen. Nach sukzessiven Erweiterungs- und Neubauten - letztmals 2014 das High Perfomance Fiber Center - verfügt das DITF heute über 25.000 m2 Forschungsfläche und beschäftigt zusammen mit seinen Tochtergesellschaften rund 300 Mitarbeiter.
Petra Lepp-Arnold
aus BTH Heimtex 09/17 (Wirtschaft)