Interview des Monats: Thomas Sitz- und Liegemöbel/Lattoflex, Bremervörde

60 Jahre Lattenrost: eine bahnbrechende Idee


1957 beginnt mit dem Start des russischen Satelliten Sputnik die moderne Raumfahrt. Im gleichen Jahr erfolgt die Gründung der EWG, Vorläufer der heutigen EU. Und auf der Möbelmesse in Köln stellt ein kleines Unternehmen aus Bremervörde den weltweit ersten Lattenrost unter dem Namen Lattoflex vor. Vor 60 Jahren wurde mit ihm im wahrsten Sinne die Grundlage für gesunden Schlaf gelegt. Haustex sprach mit den Inhabern Wilfried und Boris Thomas sowie Vertriebsleiter Dieter Tost über die Folgen dieser damals bahnbrechenden Innovation für das Unternehmen und die Branche.

Haustex: Vor 60 Jahren kam die damalige Firma Thomas Möbelwerkstätten mit dem weltweit ersten Lattenrost unter dem Namen Lattoflex auf den Markt. Worauf hat man denn vorher seine Matratze gelegt?

Boris Thomas: Es gab verschiedene Lösungen. Im deutschsprachigen Raum waren Spiralfededern sehr weit verbreitet, etwas, was lange auch noch in Jugendherbergsbetten zu finden war. Darauf kamen dann die dreigeteilten Matratzen, unter anderem von Schlaraffia.

Haustex: Was war der Nachteil dieser Technik? Zumindest von der Belüftung boten diese Federn doch eine gute Lösung.

B. Thomas: Das Problem war eine insgesamt sehr unspezifische Unterstützung der Wirbelsäule. Damals hatte noch niemand darüber nachgedacht, wie eine Wirbelsäule korrekt gelagert werden sollte. Die Matratzen sollten möglichst lange halten und waren entsprechend hart konstruiert. Eine rückengerechte Unterfederung war damals einfach nicht das Thema. Mein Vater und sein Partner Hugo Degen aus der Schweiz waren wahrscheinlich die ersten, die sich fragten, wie eine S-förmig gebogene Wirbelsäule am besten auf einer Matratze liegen kann.

Wilfried Thomas: Die Frau von Hugo Degen, Else Degen, hatte nachts massive Rückenschmerzen. Ihr Mann war schon immer ein großer Tüftler und Erfinder und wollte, dass seine Frau gut schlafen kann. In Gesprächen mit Orthopäden und Chiropraktikern wurde ihm damals klar, dass die Variante mit dreiteiliger, harter Matratze und Spiralunterfederung nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Er kam zu der Überzeugung, dass sich nicht der Mensch der Matratze anpassen muss, sondern vielmehr umgekehrt.

Hugo Degen war Tischler, so wie mein Vater Karl Thomas und auch ich. Hugo war darum der Überzeugung, dass die Lösung des Problems nur beim Holz zu finden sei. Aber wie kann man Holz so verarbeiten, dass es unter Belastung federt? Er entwickelte daraufhin eine dünne Latte mit einem sogenannten Stichbogen, also mit einer leichten Krümmung, wie bei einem Ski. Darauf kam eine relativ dünne Matratze. Trotzdem stellte man fest, dass man darauf besser liegt und schläft, als auf den harten, dicken, dreiteiligen Matratzen.

Haustex: Wie kam die Verbindung zwischen Hugo Degen und Ihrem Vater überhaupt zustande?

W. Thomas: Hugo Degens Problem war, dass man mit der damaligen Verleimungstechnik keine Latte herstellen konnte, die dauerhaft diese Krümmung aufweist. Bereits die Feuchtigkeit, die im Schlaf entsteht, sorgte dafür, dass sich die Verbindung der mehrschichtig aufgebauten Lattenelemente auflöst. Dr. Neumeyer, ein damals berühmter Fernsehdoktor des NDR, obendrein Orthopäde, hatte meinen Vater damit beauftragt, seine Praxis neu zu möblieren. Gleichzeitig kannte dieser Arzt aber auch Hugo Degen und sein Problem, durable Latten herzustellen. Da er mit der Arbeit meines Vaters sehr zufrieden war, riet er ihm, sich einmal mit Hugo Degen zusammenzuschließen, um vielleicht gemeinsam das Problem zu lösen.

In unserer Tischlerei gingen die beiden daran, erste Versuche zu machen. Die Lösung des Problems war letztlich, dass ich während meines Studiums an der Uni die neue Technik des Trockenleims kennenlernte und mit ins Unternehmen brachte. Mit ihr war es erstmals möglich, Latten zu bauen, die selbst großer Hitze und Feuchtigkeit standhalten und den Stichbogen behalten. Den ersten, noch sehr einfach konstruierten Lattenrost haben wir im Januar 1957 auf der Möbelmesse vorgestellt.

Haustex: Die Reaktion der Branche darauf war allerdings sehr verhalten.

W. Thomas: Das kann man so sagen. Wir wurden sogar verspottet als Latten-Kasper. Wer wolle denn bitteschön auf Holz schlafen?, wurde gefragt. Die 60er-Jahre waren eine schwierige Zeit für gesunde Produkte mit Bewusstsein. Man war noch damit beschäftigt, die letzten Schäden des Weltkrieges zu beseitigen. Und dann kommt da eine Firma und erzählt, dass man auf diesem Produkt gesund liegt, es aber auch dreimal soviel wie andere Matratzenunterlagen kostet.

Haustex: Allerdings ein sehr beachtlicher Preisunterschied.

Dieter Tost: Die Spiralfederrahmen waren schon damals industriell bis ins letzte ausgeklügelt und entsprechend günstig in Serienfertigung herzustellen. Unsere Rahmen waren in der Herstellung deutlich aufwändiger.

B. Thomas: Was uns letztlich geholfen hat, waren die medizinischen Fachleute, wie besagter Dr. Neumeyer. Er hat im Fernsehen unter anderem Sendungen über das gesunde Liegen gebracht, Abhandlungen über die orthopädisch korrekte Lagerung im Bett veröffentlicht. Ende der 60er Jahre setzte dann ein Wechsel in der Sichtweise ein, gesunde Produkte rückten mehr in den Fokus gegenüber Produkten, die einfach einen Zweck erfüllten.

Vielleicht hatte das auch mit der 68er-Bewegung zu tun. Aber im Grunde haben wir zehn Jahre lang für eine Idee gekämpft, die keiner haben wollte. Man hätte auch entscheiden können, das Produkt aufzugeben. Aus damaliger, rein wirtschaftlicher Sicht, wäre es vielleicht sogar vernünftig gewesen. Aber wir waren überzeugt vom Lattenrost und haben unverdrossen an der Weiterentwicklung des Produktes gearbeitet.

Haustex: Dazu gehört auch eine gewisse Dickschädeligkeit.

B. Thomas: Allerdings! Das zeichnet sowohl meinen Großvater als auch meinen Vater aus. Ich schlage diesbezüglich völlig aus der Art (lacht). Im Ernst: Es hat alles seinen Vor- und Nachteil. Der Vorteil ist, dass man mit einer gehörigen Portion Beharrungsvermögen auch ungewöhnliche Wege gehen und sie durchfechten kann. Der Nachteil ist, dass man darauf achten muss, wegen der Beharrlichkeit eines Tages nicht wirtschaftlich auf die Nase zu fallen. Aber Vater und Großvater haben die richtige Balance ganz gut hinbekommen.

Das Beharrungsvermögen liegt in der DNA dieses Unternehmens. Wenn wir von etwas überzeugt sind, dann ziehen wir das auch durch. Natürlich haben wir dadurch im Laufe der Jahre auch eine Unmenge an Fehlern gemacht, auch in der jüngsten Zeit. Aber wenn wir darauf verzichtet hätten, dann wären wir nicht voran gekommen. Wir sind in der Branche bekannt dafür, dass wir vieles einfach anders machen. Und das hat sich letztlich ausgezahlt.

Haustex: Zum Beispiel?

B. Thomas: Ein großes unternehmerisches Wagnis war etwa unsere legendäre Vertriebsbindung. 1983 haben wir uns alleine in Deutschland innerhalb weniger Monate von rund 4.000 Kunden getrennt, übrig blieben rund 1.000 Kunden, mit denen wir eine enge Zusammenarbeit eingegangen sind. Diese Vertriebsvereinbarung hatten wir uns zuvor vom Kartellamt absegnen lassen. Auf diese Weise haben wir den Wildwuchs im Handel zurückgeführt und verhindert, dass unsere Marke Lattoflex weiter verramscht wird.

Die Vertriebsbindung war damals eine extrem unpopuläre Maßnahme. Aber unsere heutigen Partner profitieren von dieser Entscheidung. Unser Vertriebssystem ist absolut transparent und behandelt jeden Kunden nach den gleichen Regeln und Bedingungen. Es gibt keine Geheimnisse und keine Ausnahme. Bei Lattoflex gibt es klare Grenzen, die für jeden gelten, ungeachtet seiner Größe.

Haustex: Was waren die Knackpunkte für den Handel?

Tost: Wir haben im Handel dafür geworben, aber nicht jeder wollte sich darauf einlassen. Damals haben wir erstmals die Frage geklärt, wie Lattoflex nach außen auftreten soll. Fast revolutionär war die Verpflichtung des Handels zu Mitarbeiterschulungen. Wir haben uns auch Mitspracherechte darüber einräumen lassen, wie die Marke vor Ort präsentiert wird. Aus Sicht der 80er Jahre waren das tatsächlich heftige Ansinnen. Aber wir waren davon überzeugt, dass eine klare Linie langfristig für beide Seiten von Vorteil ist. Heute können wir aber auch sagen, dass unser Vertrieb und unsere Markenbildung blitzsauber sind. Bestätigt wird dies im Übrigen auch durch die Ergebnisse der Haustex-Umfragen. Sie sind ein Beleg dafür, wie eng die Verbindungen zwischen Unternehmen und Handel sind und wie groß das Vertrauen zu uns ist.

Haustex: Wie hat Lattoflex die Technik des Lattenrostes seit 1957 weiterentwickelt?

W. Thomas: Die erste Ausführung war sehr schlicht konstruiert, indem wir gebogene Latten auf die Längsseiten des Rahmens gelegt und an beiden Enden mit einem Textilband fixiert haben. Damit war das Grundprinzip von Lattoflex schon zu erkennen, nämlich eine Segmentierung des Körpers in Längsrichtung, wobei jedes Segment je nach Belastung einzeln federn konnte. In einem weiteren Schritt sind wir 1964 dazu übergegangen, den Lattenrost weiter zu verbessern und die Lattenenden in Gummielementen zu fixieren. Wohlgemerkt in einer Zeit, als unser Lattenrost noch nicht gut lief.

Haustex: Und dann platzte auf einmal der Knoten.

B. Thomas: Ja, ich habe lange darüber nachgedacht, was der Grund für den endgültigen Durchbruch war, neben der technischen Verfeinerung des Produktes. Ich denke, es war eine Gruppe von Menschen, die bei uns voll und ganz hinter dem Produkt standen und es draußen am Markt gegen starke Widerstände fast missionarisch und penetrant anboten. Sie hatten sich geschworen, den Menschen schmerzfreies Schlafen zu bescheren. Man nannte uns damals nicht umsonst die Prediger. Ein sehr verdienter Außendienstmitarbeiter sagte es sehr treffend: Lattoflex ist kein Produkt, Lattoflex ist eine Weltanschauung.

Schließlich gewann der Lattenrost dank steigender Nachfrage in unserer Produktion immer mehr an Bedeutung. Parallel hatten wir unsere Möbelproduktion natürlich weiterhin aufrecht erhalten. Mitte der 60er Jahre gaben wir die Möbelherstellung dann aber ganz auf und konzentrierten uns auf Lattoflex. Unsere erste zusätzliche Halle zur Lattenrost-Produktion entstand 1969.

In den 70er Jahren begann schließlich das goldenen Zeitalter für Lattoflex mit einem exponentiellen Wachstum. Denn bis Ende der 70er Jahre hielten unsere Patente. Wer einen Lattenrost haben wollte, bekam ihn nur unter Lattoflex, von Hugo Degen in der Schweiz, einem Partner in Belgien und natürlich von uns. Das waren weltweit die einzigen Lattenrost-Produzenten. Wir haben praktisch jedes Jahr eine neue Halle gebaut, um der Nachfrage gerecht zu werden.

Tost: Ganz ist uns das damals leider nicht gelungen. Es ist tatsächlich vorgekommen, dass wir Aufträge ablehnen mussten, weil wir einfach keine zusätzlichen Kapazitäten hatten. Das nimmt uns heute noch der eine oder andere Händler übel.

Auf der anderen Seite hat Lattoflex dem Bettenhandel das Thema Matratze und Unterfederung erst näher gebracht. Ursprüngliche Domäne der inhabergeführten Bettengeschäfte waren Aussteuer-Produkte, wie Decken aus Daunen und Federn. Mit Thomas Studio, heute Schlafwerk, haben wir dem Bettenhandel eine neue Option geboten, weil die klassischen Sortimente wie Bettdecken und Bettwäsche durch neue Anbieter wie Tchibo und Konsorten mächtig unter Druck gerieten. Daher war man auf der Suche nach neuen Sortimenten.

Wir haben dem Handel Schulungssysteme angeboten, die Aktion Gesunder Rücken wurde unter anderem durch uns gegründet. Wir waren die ersten der Branche, die einen Orthopäden eingeladen haben, um den Händlern zu erzählen, wie eine Wirbelsäule funktioniert. Wir haben Kongresse zum Thema Schlafen und Rücken veranstaltet. Damit haben wir den Facheinzelhandel für uns gewonnen.

Haustex: Aber jedes Patent läuft einmal ab und gibt anderen Unternehmen die Chance nachzuziehen.

B. Thomas: Nach dem Fall der Patente in den 80er Jahren gab es tatsächlich einen Boom von Nachahmern. Und mit dem Fall der Mauer kamen weitere Anbieter aus dem Osten hinzu. Der Preiskampf war entsprechend ausgeprägt. Eine Marke muss sich aber nicht nur durch das Marketing von anderen Anbietern unterscheiden, sondern auch durch das Produkt. Das war mit unseren Lattenrosten nicht mehr möglich.

Uns war klar, dass das Grundprinzip des Lattenrostes technisch ausgereizt war. Es gibt heute praktisch nichts in einem herkömmlichen Lattenrost, das nicht irgendwann einmal von Lattoflex erfunden wurde. Auf den eingefahrenen Wegen konnte es mit Lattoflex also nicht weiter gehen. Wir haben uns darum zusammengesetzt und überlegt, was als nächstes wirklich Innovatives im Bereich der Unterfederung kommen könnte. Und wieder kam Hugo Degen mit einer Idee um die Ecke, auf der Möbelmesse. Und zwar zog er dort, ich erinnere es noch wie damals, aus einer Tüte zur Veranschaulichung selbst geschnittene Flügel aus Pappe hervor. Seine Idee war, diese Flügel auf eine Leiste zu setzen, auf denen dann die Matratze zu liegen kommt. Es war klar, dass dies mit Holz nicht machbar war. Für uns Holzwürmer eine schwere Entscheidung. Danach hat es noch drei Jahre an Entwicklungsarbeit erfordert, bis wir die erste Federleiste mit Flügeln hatten. Unser 200er-Rahmen war geboren.

Haustex: Drei Jahre sind allerdings eine verdammt lange Zeit.

W. Thomas: Mir war von Anfang an klar, dass die damals aufkommende Glasfaser-Technologie die Lösung unseres Problems sein würde. Denn ein Glasfaserstab ist im Prinzip nichts anderes als eine Holzlatte: Eine Längsfaser eingebettet in eine Matrix. Die Kunst bestand lediglich darin, die Faser dorthin zu bringen, wo sie statisch benötigt wird.

Doch die Glasfaser-Unternehmen waren seinerzeit nicht in der Lage, eine exakt gerade Federleiste von bis zu 1,40 Meter Länge zu produzieren, die 20 Jahre konstant gut federt, denn das war unser Anspruch. Also haben wir eine eigene Maschine konstruiert, die Federleisten nach unserer Vorgabe herstellen konnte. Auf diese Federleisten haben wir die inzwischen bekannten Federflügel geklipst. Wir wollten es nie sein, aber seitdem sind wir auch Maschinenbauer und Experten bei der Produktion von Glasfaser-Bauteilen, die wir unter anderem auch in die Automobilindustrie liefern. Wir sind weltweit das einzige Unternehmen, das Formen aus Fasern ziehen kann, also Artikel, die nicht gerade sind.

Haustex: War die Reaktion des Handels diesmal positiver als beim ersten Lattenrost?

B. Thomas: Eher nicht. Bei der Vorstellung dieses wieder revolutionär anderen Rahmens gab es erneut Einwände. Man könne ihnen doch nicht den schönen Lattenrost aus Holz wegnehmen, hat es geheißen. Dieses Plastikding würde doch kein Konsument kaufen wollen. Wir entschieden uns, den herkömmlichen Lattoflex-Lattenrost und den neuen 200er Rahmen parallel zu produzieren und den Markt entscheiden zu lassen. Innerhalb kürzester Zeit war der Handel von den Eigenschaften des neuen Rahmens überzeugt. Nach wenigen Monaten sind wir komplett auf die neue Technologie gegangen, niemand wollte von uns noch die alte Technik kaufen.

Letztlich haben viele Menschen in unserer Branche erkannt, welche Chancen darin liegen, mit einem neuen Material und neuen Designs zu arbeiten. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass wir mit dem neuen Rahmen den Menschen ein noch besseres Schlaf- und Liegeerlebnis zu ermöglichen. Rein physikalisch haben wir heute eine Federung, an die man mit Holz einfach nicht heran kommt.

Haustex: Sie sprechen es an: Vor zwei Jahren hat Lattoflex in München dann noch einmal eine deutliche Verbesserung des aufgelösten Rahmens vorstellen können.
B. Thomas: Das hat uns noch einmal einen neuen Schub verliehen, weil die Händler festgestellt haben, dass es sich bei dem neuen 200er- und vor allem dem 300er-Rahmen um eine völlig andere Liga unter den Unterfederungen handelt.

Haustex: Was haben Sie zur ersten Serie verändert?

B. Thomas: Eigentlich haben wir alles noch einmal angefasst und überprüft. Die Federcharakteristik ist verbessert worden, weil wir jetzt wussten, wie ein Flügel konstruiert sein muss. Jetzt haben wir bei annähernd gleicher Bauhöhe wesentlich längere Federungswege. Das ist unmittelbar spürbar. Außerdem haben wir die Dämpfung aus der Federung heraus genommen, sie ist jetzt quasi lebendiger. Die Leiste ist in der Form verändert worden, sodass ich jetzt durch das Drehen dieser Leiste unterschiedliche Härtegrade einstellen kann.

Tost: Alle Erfahrungen, die wir in den ersten zwölf bis 15 Jahren gemacht haben, sind natürlich in die nächste Generation eingeflossen.

W. Thomas: Alle Schritte, von 1957 an, hatten auch etwas mit Reklamationen zu tun, das muss man mal ganz offen sagen. Als wir den ersten Flügelrahmen herausbrachten, da brachen uns wenig später die Flügel ab. Wir hatten einfach nicht die Kräfte voraussehen können, die dort einwirkten. Uns ist also beileibe nicht alles auf Anhieb gelungen. Aber, wie schon gesagt, wenn wir von einer Sache überzeugt sind, dann bleiben wir an ihr dran, auch gegen Widerstände.

B. Thomas: Erfolgreich war aber die Entwicklung der Schulterzone in den 70er Jahren, weil uns aufgefallen ist, dass es besser wäre, die Schulter etwas abzusenken, um die Wirbelsäule noch besser zu lagern. Damit kamen wir als erste auf den Markt. Ebenso mit der Visualisierung der Wirbelsäule bei einer liegenden Person. Wir kamen auf die Idee, den Verbrauchern zu zeigen, worauf es bei unserem Lattenrost ankommt und haben einer nackten Frau schwarze Punkte auf die Wirbelsäule geklebt und sie dann in der Seitenlage fotografiert. Ein Klassiker, der heute noch in der Branche Verwendung findet, wenn auch inzwischen geschickter visualisiert.

Haustex: Der Erfinder der aufgelösten Unterfederung ist Lattoflex aber ausnahmsweise nicht, oder?

W. Thomas: Nein, die gab es schon vorher. Aber die bis dahin patentierten Unterfederungen gaben den Druck nur simpel nach unten ab. Unser Patent basierte darauf, dass der Druck durch die Flügel auch seitlich aufgefangen wird. Dadurch erzielen wir bei einer wesentlich niedrigeren Bauhöhe völlig andere, bessere Federcharakteristiken und eine permanente Körperstimulation. Sehr ähnlich sind auch unsere Unterfederungen für den medizinischen Bereich und die Dekubitus-Prophylaxe. Dort arbeiten wir aber mit erheblich dünneren Matratzen, um diesen Effekt zu verstärken. Im häuslichen Bereich sind momentan ja viel dickere Matratzen gewünscht.

Haustex: Wenn man 60 Jahre zurück blickt, scheint die Lattoflex-Story für Außenstehende wie eine strategisch geplante Erfolgsgeschichte.

B. Thomas: Nichts davon! Ohne das große Beharrungsvermögen meines Großvaters gäbe es dieses Unternehmen nicht. Er hat es gegen große Widerstände nach dem Krieg wieder aufgebaut, nachdem es in den 30er Jahren durch die Nazis geschlossen worden war. Eine Blinddarmentzündung bewahrte ihn vor Stalingrad, wo sein gesamter Zug ums Leben kam. Ohne diese Erkrankung gäbe es dieses Unternehmen wahrscheinlich nicht und wir würden uns jetzt nicht hier unterhalten können. Und da sage mir noch einer, Erfolg sei planbar.
aus Haustex 09/17 (Wirtschaft)