Gelungenes Symposium "Tapeten Räume Farben"in Zürich

"Tapetenwechsel - aber subito"

Chapeau, liebe Schweizer, es geht also doch: Tapeten und Design können ein Paar sein, mit Farbe sogar eine spannende Menage à trois eingehen. Der Verband Schweizerischer Tapetenhändler (VST) organisierte gemeinsam mit der Schweizerischen Vereinigung für die Farbe (Pro/Colore) ein Symposium im Züricher Museum für Gestaltung. Wie im Untertitel des Programms ausgedrückt, fand man hier: Trends, Design und Visionen. Und ein schweizerisches Resümee: "Für den Erfolg von Produkten braucht es klare Kommunikationsstrategien." BTH Heimtex-Redakteurin Marianne Nehm war dabei.

Keineswegs wollen wir schmälern, dass es in unserem großen Tapetenland Deutschland Ansätze und Verbindungen zu Design gibt. Die Marburger Tapetenfabrik produziert wunderbare Künstlerkollektionen und beweist mit innovativen Produkten Trendsetter-Qualität, Rasch-Chefdesigner Bernhard Holzapfel bringt Weltläufigkeit in die Kollektionen des Familienunternehmens - auf dem Züricher Tapeten-Symposium erzählte er von seiner Arbeit - und die A.S. Tapetenstiftung bewegt junge Kreative dazu, sich leidenschaftlich mit der Tapete beschäftigen.

Aber das sind alles Einzelaktionen; auf Verbandsseiten ist nirgends so recht zu erkennen, dass da einer eine Geschmacksoffensive startet wie jetzt der "Miniverband im Tapeten-Entwicklungsland Schweiz" - ein Ausdruck, den dessen Geschäftsfüher Hansruedi Kaufmann prägte. Er ist der rührige Motor dieser und anderer Aktionen in der Schweiz. Auch jetzt verweist er darauf, dass man das Symposium im Kontext mit weiteren Veranstaltungen sehe müsse, zum Beispiel der Teilnahme an der Messe Applitech für das Gros der Maler, an der Ausstellung "Neue Räume für den "kritischen Designer und Einrichter" und bald, vom 2. bis 6. September in Zürich, an der Messe "Bauen und Modernisieren". Hier wird es eine "Sonderschau Tapetenwechsel" geben für (künftige) Immobilienbesitzer und Architekten. "Im letzten Jahr wurden hier 33.000 Besucher gezählt."

"Zu unserem Konzept gehört auch der Aufbau und Unterhalt von Synergien",betont Kaufmann. Er pflegt sie zur Farbenbranche, zu den Hochschulen (ETH, Fachhochschulen), zu Wohntextilien (Création Baumann), zur Immobilien- und Verwaltungsbranche (für Colliers CSL AG wurde ein Managementpapier für Assetmanager und Verwalter erarbeitet) sowie zu den Malern (Schweizer Maler- und Gipsermeisterverband).

Dementsprechend bunt gemischt waren die Besucher des Symposiums "Tapeten, Räume, Farbe". Eine stattliche Zahl von knapp 200 Interessierten hatte sich zu der Veranstaltung angemeldet, darunter 18% Inneneinrichter, 15% Maler, 14% Farbgestalter/ Designer, 11% Architekten, 6% Tapezierer und 7% Diverse, etwa Design-Studenten. Soll man wirklich zu kritisieren, dass sie unter den Besuchern waren ? Immerhin hörten und sahen sie zu, schmökerten intensivst in den ausgelegten Tapetenbüchern. In wenigen Jahren werden sie die Entscheider sein, über Geschmack und vielleicht auch darüber, in welchen Wohnwelten Menschen leben. Und es machte Spaß, ihnen zuzusehen, wie sie sich für ein in ihren Kreisen bisher als "spießig" verrufenes Produkt begeistern können.

"Lassen wir die Tapete wieder zum Trendartikel in der Wandgestaltung werden"

Stattlich fiel auch der Reigen der Vortragenden aus, "doch was will man machen, wenn alle angefragten Referenten und Diskussionsteilnehmer problemlos zusagen?", kokettierte Hansruedi Kaufmann ein wenig. Professor Axel Venn startete "Philosophisch-Psychologisches zur Innenwand", forderte interdisziplinäres Verhalten bei der Produktgestaltung und betrachtete den Verzicht auf das Ornament und die Tatsache, Gestaltung als geschlechtsneutrale Angelegenheit betrachtet zu haben, als größte Fehler in der Vergangenheit. Er meinte, dass Wohnen "das Statusobjekt Nr. 1" wird. Und "Produkte des Innenraums sind nur dann gut, wenn sie im Kern philosophisch sind, unserem Leben Gewicht geben. Die Spaß-Gesellschaft entwickelt sich zur Genuss-Gesellschaft."

Wie sieht die Arbeit eines Designers in der Tapetenindustrie aus? "Von der ersten Idee zur fertigen Kollektion" begleitete Bernhard Holzapfel die Gäste. Oft sind es Reiseeindrücke, die den ersten Impuls auslösen: New York am St. Patricks-Day nach dem 11. September, Amsterdam im Frühling, Lichtkegel auf regennassen Straßen in Paris. "Für die Entwicklung und Herstellung der Panels nutze ich die Möglichkeiten der Computer gestützten Bildbearbeitung und des Digitaldrucks. Reizvoll sind für mich fotografische Verfremdungen, surreale Effekte und optische Irritationen."

Hardy Konzelmann von der Henkel + Cie. AG Schweiz wünschte sich einen "Tapetenwechsel - aber subito!". Er bedauerte, dass es immer weniger Fachkräfte gäbe, die tapezieren könnten. "Ungeschicklichkeiten und Unprofessionalität beim Tapezieren können wir uns aber nicht leisten, denn sonst heißt es sofort: Wären wir doch nur beim Putz geblieben." Dass das Handwerk keine Hexerei ist, sondern "subito" gehen kann, wenn Produkte und Umfeld aufeinander abgestimmt sind, erläuterte der Fachmann detailreich. Kein Weg führe dabei an der Vliestapete vorbei: Einfach abziehen und das Dessin wechseln: "Lassen wir die Tapete also wieder zum Trendartikel in der Wandgestaltung werden."

"Haben wir alle eine Chromophobie ?"

Farbe ist Alltag, meint Anita Theresia Walker, Partnerin bei Truecolour, Luzern, in ihrem Vortrag "RAL 9010: eine unendliche Geschichte", das ist vielleicht ihr größtes Handicap. Der Umgang mit Farben münde oft in eine Beliebigkeit. Weiß, also RAL 9010, sei die am meisten verwendeten Farbe in der Schweizer Architekturszene. Hätte das vielleicht mit Unsicherheit oder fehlendem Mut zu tun? "Haben wir alle eine Chromophobie?" Sie erinnerte an die Fähigkeit von Farben, Gefühle hervorzurufen und Stimmungen zu beeinflussen. Farbe könne einen entscheidenden Beitrag für das Gleichgewicht leisten, in dem sich der Mensch erst wohl fühle.

Andrej Kupetz vom Rat für Formgebung in Frankfurt fragte nach der Zukunft der Tapete. "Zukunftswände - Zukunftswandel. Tapetentrends 2005/2006". Um die Meinungsführer in der Gesellschaft zu erreichen, ohne deren Zuspruch die Tapete nicht ihre wirtschaftliche Situation verbessern könne, müsste die Industrie Strategien entwickeln, mit diesen - insbesondere den Architekten - ins Gespräch zu kommen. Was könnte man dabei von der Mode- oder Automobilbranche übernehmen? Das Hauptaugenmerk liege auf der "Emotionsstrategie über den Dreiklang ästhetischer und technischer Faszination sowie partnerschaftlicher Umgang mit dem Kunden. "Das ist unbedingt mit dem Begriff der Markenbildung verbunden". Künftig müsse sich die Industrie mit dem Phänomen der Personalisierung von Produktangeboten auseinandersetzen. Das Unfertige, nach eigenen Wünschen noch weiter zu entwickelnde habe die größte Attraktivität.

Was Walter Caseri vom Institut für Polymere der ETH Zürich als "Revolutionäre Chance für die Tapetenindustrie" verkauft, sieht diese womöglich eher als Bedrohung. Es sei lediglich eine Frage der Zeit, bis farbige und rollbare elektronische Papiere auf den Markt kämen. Auch wenn noch technische Probleme gelöst werden müssten, "wird erwartet, dass die Preise von elektronischen Papieren nicht wesentlich über denen von bedrucktem Papier liegen werden". Auch bei Wandbekleidungen könne das zum Einsatz kommen. Über einen Kontaktstreifen, der über einen Stromanschluss verfügen müsse, ließen sich Muster, Licht, Farbtöne jederzeit ändern. Als Folge dürfte die individuelle Kundenberatung anspruchsvoller werden.

Pia Maria Schmidt hat "Die Hotel- und Gastroszene aufs Tapet gebracht". Die Architektin und Designerin bekennt: "Ich bin nie so neurotisch wie die erste halbe Stunde im Hotel." Wäre die Tapete das geeignete Hilfsmittel, ein Gefühl von Anonymität im Hotelzimmer zu vermeiden? Ja, denn sie vermöge über einen starken Ausdruck und eine starke Gestaltungskraft. Falsch eingesetzt, würde sie Individualismus ausnivellieren, richtig angewendet wäre sie in der Lage, etwas sehr Persönliches zu gestalten und "ein Paradies auf Zeit" zu bieten. "Die Tapete braucht demzufolge Gefühl, Subtilität und Können".

Branche wünscht sich Wiederholung

Die Forderung nach mehr und besserer Kommunikation erfüllte Gastgeber Hansruedi Kaufmann gleich mit der anschließenden Podiumsdiskussion. Er brachte Vertreter der verschiedenen Bereiche an einen Tisch, die ihren jeweiligen Blickwinkel einbrachten. Lesen Sie dazu unsere Zusammenfassung der lebendigen Diskussion von Fachleuten aus der Architektur, der Tapetenindustrie, der Medien und des Designs.

Vor der Heimreise gab es letzte Gespräche bei einem Apéro im Vestibül - die Branche hofft auf eine Wiederholung der gelungenen Veranstaltung.
aus BTH Heimtex 08/04 (Tapeten, Wandbeschichtungen)