PVC-freie Bodenbeläge: Initiative verschafft sich mehr Unterstützung


Der Initiativkreis "PVC-freie Designbeläge" benennt sich auf seinem zweiten Treffen um in "PVC-freie Bodenbeläge". Man möchte damit den Kreis potenzieller Teilnehmer erweitern und die Schlagkraft erhöhen.

Geht jemand einen Schritt zurück, bedeutet das nicht immer, dass er auch zurückweicht. Es kann auch sein, dass er Anlauf nimmt: So kann man das Ergebnis des zweiten Treffens des Initiativkreises "PVC-freie Bodenbeläge" zusammenfassen. Denn die Runde aus Vertretern von Industrie, Handel, DIY und Handwerk hat bei ihrer Zusammenkunft Mitte Oktober bei Bodenbelagshersteller Classen in Kaisersesch zwei wesentliche Entscheidungen getroffen.

Der Kreis, der PVC-freien Bodenbelägen mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verschaffen möchte, verfolgt erst einmal nicht mehr das Ziel, eine griffige Gattungsbezeichnung für Designbeläge zu finden, die kein PVC enthalten. Die Produkte, die heute als PVC-freie Designbeläge vermarktet werden, seien in ihren Inhaltsstoffen, Eigenschaften und Konstruktionsarten derart unterschiedlich, dass es der Quadratur des Kreises gleichkomme, sie unter einen Hut bekommen zu wollen in Form einer einzigen passenden Bezeichnung. Darauf haben sich nun nach einer - wie schon beim ersten Treffen in Hamburg - ausführlichen Diskussion alle Teilnehmer verständigt. Zumal es nicht einmal die etwa in einer Norm fixierte, allgemein gültige Definition von Designbelägen gibt.

Teilnehmerkreis erweitert

Eng verbunden mit dieser Einigung ist die zweite Neuerung: Die Teilnehmer ändern den Namen ihrer Initiative von "PVC-freie Designbeläge" in "PVC-freie Bodenbeläge" und ziehen damit ihren Aktionsradius größer. Es sollen mehr potenzielle Mitstreiter vor allem aus der Bodenbelagsindustrie angesprochen werden, die auch PVC-freie Bodenbeläge herstellen, sie aber nicht als Designbeläge vermarkten wollen oder können. Bereits in Kaisersesch haben mit Bettina Haffelder, Leiterin Vertrieb und Marketing Deutschland bei Nora Systems, sowie Florian von Kuczkowski aus dem Vertrieb von Surteco-Tochter und Folienhersteller Coveme, zwei neue Industriefirmen an der Gesprächsrunde teilgenommen.

Unternehmensberater Karl-Heinz Scholz berichtete von weiteren Firmen wie Forbo Flooring und Hamberger, die ebenfalls großes Interesse an der Runde signalisiert hätten. Amtico und Upofloor, die jetzt verhindert waren, beim Auftakt in der Hansestadt aber mit diskutiert haben, hätten ihr Kommen für das bereits angedachte dritte Treffen fest zugesagt. Scholz hatte die ursprüngliche Idee für die Initiative zusammen mit Classen, Meisterwerke und Upofloor entwickelt.

Elastische PVC-Ersatzprodukte bleiben der Kern

Sollte die Runde zum nächsten Treffen tatsächlich größer werden, dürfte das die Schlagkraft der Initiative erhöhen. Sebastian Wendel, Leiter Forschung und Entwicklung bei Classen, sprach sich dafür aus, dieses gebündelte Know-how für konkrete Maßnahmen in der Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. "Ich wünsche mir, dass wir bei unserer nächsten Zusammenkunft konkrete Maßnahmen besprechen. Dann können wir die Dynamik, die wir entwickeln, voll ausschöpfen."

Volker Kettler, Leiter Forschung und Entwicklung der Meisterwerke, begrüßte ebenfalls die Ausweitung des Ansatzes auf Bodenbeläge, die kein PVC enthalten. "Das baut mehr Kommunikations- und Marktdruck auf."

Für ihn ist aber entscheidend, dass es im Kern um Folgendes geht: "Wir wollen PVC-freie Bodenbeläge mehr Aufmerksamkeit verschaffen, die technisch und optisch als Alternativprodukte zu Belägen mit PVC eingesetzt werden." Es sei der Sache nicht geholfen, wenn man jetzt beispielsweise anfinge, klassischen Laminatboden als Alternative zu PVC-Designbelägen zu positionieren. "Es geht aus meiner Sicht darum zu informieren, dass es vor allem aus technischen Gründen bessere Lösungen auf nicht thermoplastischer Kunststoff-Basis gibt als PVC", betonte Kettler. Beispiele seien hier die Maß- und Dimensionsstabiltität sowie das "Durchzeichnen" des Unterbodens.

Eine Idee: Gemeinsame Internetplattform

Die Teilnehmer nannten viele Maßnahmen und Kommunikationskanäle sowie -werkzeuge, mit denen das Thema "PVC-freie Bodenbeläge" zukünftig stärker positiv im Markt verankert werden kann. Die Ideen reichen von entsprechend gestalteten Verkaufsunterlagen bis hin zu einem Internetportal, das rund um Bodenbeläge ohne PVC informiert und aufklärt. "Es ist wichtig, das Thema so breit wie möglich zu streuen", unterstrich Bettina Haffelder.

Josef Führes, Geschäftsführender Vorstand der Copa, mahnte, bei zukünftigen Aktivitäten diejenigen in den Blick zu nehmen, die die Bodenbeläge am Ende verkaufen, beraten und installieren sollen: den Außendienst des Handels sowie den Handwerker. "Wir müssen in deren Köpfe kommen und dort für Klarheit und Sicherheit sorgen. Heute stehen sie vor einem Wust aus unterschiedlichen Produkten, die sich alle Designbelag oder Vinyl nennen." Die Verkäufer müssten in die Lage versetzt werden, sowohl dem Endverbraucher als auch dem Profi-Kunden eine differenzierte Beratung zu geben. Dabei gehe es um die Frage: "Welchen Mehrnutzen habe ich von einem Bodenbelag, der kein PVC enthält."

Eberhard Schübel, Leiter der Anwendungstechnik beim FHR, sah das ähnlich: "Ein neues, innovatives Produkt, das am Boden funktioniert, darf nicht daran scheitern, dass der Händler oder Handwerker durch Berührungsängste abgeschreckt wird. Nur wenn wir für das Produkt begeistern, wird es im Markt funktionieren."

PVC nicht verteufeln

Dem stimmte Unternehmensberater Scholz zu: "Unser gemeinsamer Nenner, unser Antrieb, ist die PVC-Freiheit. Wir grenzen uns damit zwar einerseits klar und strikt ab zu PVC-haltigen Bodenbelägen; schließen aber gleichzeitig niemanden aus." Scholz führte in diesem Zusammenhang diejenigen Teilnehmer der Runde an, die beide Produktarten herstellen, vertreiben und handeln wie beispielsweise Amtico.

Bettina Haffelder beschrieb als Vertreterin eines Herstellers von ausschließlich PVC-freien Bodenbelägen das Phänomen im Markt, dass im Windschatten des Erfolgs von Begriffen wie Designbelag und Vinyl der Begriff PVC häufig verschwunden sei. Viele Objektentscheider setzten "Vinyl" nicht mit dem Werkstoff PVC gleich, berichtete Haffelder, deren Vertriebsmannschaft ausschließlich im Objektgeschäft tätig ist: "Durch diese ,Umbenennung’ und den Ersatz bedenklicher Weichmacher durch Alternativen ohne Langzeiterfahrung ist aus meiner Sicht eine Art Greenwashing entstanden."

Diese Thematik beschäftigt auch die meisten anderen Industrievertreter des Initiativkreises in ihrer Marktbearbeitung. In diesem Zusammenhang wurden unter den Begriffen Nachhaltigkeit, Ökologie und Wohngesundheit mögliche gesundheitliche Gefahren von bestimmten Weichmachern diskutiert, die Auswirkungen von Chlorchemie und Halogenen auf Mensch und Umwelt, die Entsorgungsproblematik von ausgedienten Bodenbelägen aus einer Holz/PVC-Mischung sowie die Endlichkeit des PVC-Ausgangsstoffes Erdöl.

Stärken der Alternativen betonen

Wie schon in Hamburg, betonten auch die Teilnehmer in Kaisersesch die Wichtigkeit dieser Themen. Doch gleichzeitig waren sich alle einig darin, dass man durch Negativ-Werbung nicht zum Ziel kommt. "Wir wollen nicht durch die Verteufelung eines anderen Produktes die PVC-freien Bodenbeläge in den Vordergrund schieben", brachte Scholz die Meinung aller auf den Punkt. Es müsse dem Initiativkreis gelingen, eine intelligentere Argumentation zu finden, mit der man werben und vor allem überzeugen könne: "Man muss erkennen, was einem ein Belag bringt, der kein PVC enthält."

Man müsse dafür sorgen, dass offen und eindeutig informiert wird über die Alternativen zu PVC- bzw. Vinyl-Bodenbelägen - von der Herstellung, über die Installation und die Nutzung bis hin zur Entsorgung, findet auch Bettina Haffelder. "Nur dann kann sich sowohl der Endverbraucher als auch der Profi-Kunde eine eigene Meinung bilden und zu einer für ihn sicheren Entscheidung kommen", pflichtete Scholz ihr bei.

Thomas Nunold, Bereichsleiter Marketing Holz-Bauelemente, und René Gölz, Einkauf Marketing Holz, von der Baumarktkette Bauhaus, gehen davon aus, dass sich speziell der Endverbraucher stärker mit den Inhaltsstoffen von Bodenbelägen beschäftigen wird. Das Thema Wohngesundheit werde seine Kaufentscheidung stärker beeinflussen als in der Vergangenheit. Die Bauhaus-Kunden seien deswegen auch bereit, für weichmacherfreie Beläge mehr Geld auszugeben als für andere Produkte.

Klare Abgrenzung zu PVC

Bauhaus vermarktet PVC-Designbeläge unter den Begriffen "Vinyl" oder "Designbelag". Designbeläge ohne PVC - unter anderem die Eigenmarke Aqua Blue - bewirbt das Unternehmen intensiv, aber nicht als "PVC-frei", sondern als "weimacherfrei". Das sei ein Kompromiss im Hinblick auf das restliche Bodenbelagsprogramm, welches eben PVC-Produkte enthält. Da die Endverbraucher diese Bodenbeläge aber mittlerweile unter dem Begriff Vinyl kennen und das Thema Inhaltsstoffe aktuell bei der Kaufentscheidung keine wesentliche Rolle spiele, sei der Hinweis "PVC-frei" nicht zielführend, argumentierte Nunold. "Wir möchten für jeden Bedarf eine Lösung anbieten. Deswegen sehen wir es als unsere Verantwortung an, auch diesen neuen Alternativprodukten zu Vinyl bzw. PVC ein Forum zu bieten."

Den meisten Teilnehmern der Runde reicht die Bezeichnung "weichmacherfrei" für die Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung allerdings nicht aus, um eine klare Abgrenzung zu ziehen. Denn auch die neuen so genannten Rigid Board-Designbeläge beinhalten zwar keine Weichmacher, weil sie starr sind, aber sehr wohl PVC.

Umweltlabel als PR-Werkzeug

Die Runde kann sich deswegen eher vorstellen, zukünftig mit dem Umweltzeichen Blauer Engel oder anderen, noch strengeren Öko-Labeln zu agieren als sichtbarstes Zeichen der PVC-Freiheit. Auch wenn nur wenige Endkunden nach Bodenbelägen beispielsweise mit dem Blauen Engel fragten, wie Siegfried Dreschmitt, Geschäftsführer DIY-Vertrieb Classen, zu bedenken gab. Allerdings wirke er unterstützend im Verkauf, sagte Thomas Nunold - obwohl viele gar nicht wüssten, wofür das Umweltzeichen in Bezug auf Bodenbeläge genau stehe. Nach Ansicht von Scholz ist der Blauer Engel unter dem Strich das einzige derartige Label in Deutschland mit einfacher und greifbarer Aussage sowie hohem Bekanntheitsgrad, welches Orientierung und Sicherheit biete.

Der Initiativkreis will sich bei seinem nächsten Treffen näher mit Umweltzeichen und Öko-Labeln beschäftigen und schauen, ob diese bei zukünftigen Maßnahmen in der Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden können. In diesem Zusammenhang könne man dann auch den Kontakt zu entsprechenden Umweltinstituten suchen, schlug Scholz vor.

jochen.lange@snfachpresse.de


Das ist der "Initiativkreis PVC-freie Bodenbeläge"

Der "Inititiativkreis PVC-freie Bodenbeläge" möchte für Übersicht, Orientierung und Transparenz sorgen auf dem Markt für Bodenbeläge ohne PVC. Die Teilnehmer haben sich das Ziel gesetzt, Branche und Öffentlichkeit gleichermaßen darüber zu informieren, welche Vorzüge Bodenbeläge haben, die auf PVC als Inhaltsstoff verzichten. Das soll helfen, eine bewusste Kaufentscheidung treffen zu können - sowohl im Geschäft B2C als auch B2B.

Die Idee für dieses Engagement hatten die drei Unternehmen Classen, Meisterwerke und Upofloor gemeinsam mit dem Unternehmensberater Karl-Heinz Scholz. Dieser feste Kern trifft sich mit wechselnden Vertretern aus Industrie, Handel und Handwerk. Die offizielle Auftaktveranstaltung fand im Mai 2017 auf Einladung des SN-Verlags, in dem BTH Heimtex erscheint, in Hamburg statt. Im Oktober folgte das zweite Treffen bei Classen in Kaisersesch.
aus BTH Heimtex 12/17 (Bodenbeläge)