Forbo International SA

Dramatischer Führungswechsel in der Forbo Spitze


Manchmal überschlagen sich die Ereignisse: Kurz nachdem BTH Heimtex mit Martin Richenhagen, Tom Kaiser und Elmar Schmidt gesprochen hatte, fand ein überraschender Wechsel an der Führungsspitze von Forbo statt: CEO Werner Kummer musste aufgrund der "unbefriedigenden Ertragsentwicklung der letzten zwei Jahre" nach knapp sechs Jahren seinen Hut nehmen und wurde kurz vor der Präsentation der Bilanz 2003 von This E. Schneider abgelöst. Im gleichen Atemzug trat auch der Kummer nahestehende Verwaltungsratspräsident Karl Janjöri zurück, zu seinem Nachfolger rückte sein bisheriger Stellvertreter Dr. Willy Kissling auf.

In der Tat hat Forbo ein enttäuschendes Jahr hinter sich. Zwar zog der Umsatz um 4% auf knapp 1,6 Mrd. CHF an, doch resultiert der Zuwachs fast ausschließlich aus Akquisitionen. Noch unbefriedigender war die Ertragsentwicklung: Das EBIT (Betriebsgewinn) schrumpfte um fast 32% von 88,4 auf 60,4 Mio. EUR, der Reingewinn schmolz gar von 62,2 auf 16 Mio. EUR zusammen und lag damit nur unwesentlich über dem Halbjahresgewinn 2003 von 14 Mio. EUR. Damit haben die Schweizer im zweiten Halbjahr 2003 fast kein Geld verdient. Dabei verloren alle drei Sparten Bodenbeläge, Kunststoffbänder und Klebstoffe an Rentabilität.

Kummer hat aber nicht nur schlechte Zahlen hinterlassen, er scheint auch in Personalfragen glücklos agiert zu haben. Offenbar in dem Bemühen, die sich abzeichnende Ertragsverschlechterung aufzuhalten, hat er auf allen Ebenen Führungspositionen ausgetauscht, bis hinunter zu den Werksleitern. Das stellt Forbo jetzt vor das Problem, dass an wichtigen Stellen Branchenkompetenz fehlt, weil zu viele Entscheidungsträger neu sind. Ihre Qualifikation wollen wir hier gar nicht beurteilen. Allein 80% des obersten operativen Managements von 2003 haben den Konzern bereits verlassen oder werden ihn bis Ende 2004 verlassen. Dabei hatte Kummer im Vorstand fast alles frühere Schindler-Leute um sich geschart, die er aus seiner früheren Tätigkeit für den Aufzughersteller kannte...

Der neue Verwaltungsratspräsident Kissling und der neue CEO Schneider ließen bei ihrem ersten Auftritt bei der Bilanzpressekonferenz verlauten, dass der Ertragseinbruch den Druck zum Handeln erhöht hätte. Schneider, der bis 2002 Delegierter und Vizepräsident des Verwaltungsrates von Automatenverpfleger Selecta war und jetzt kurzfristig zur Verfügung stand, diagnostizierte nach zwei Wochen im Amt bei allen drei Forbo-Sparten bedeutende Überkapazitäten.

Der größte Geschäftsbereich Bodenbeläge kranke zudem an zu starker Verhaftung in Westeuropa und überdimensionierten Produktionsstandorten in Regionen mit hohem Lohnniveau und hohem gewerkschaftlichem Organisationsgrad.

Das ist wohl grundsätzlich richtig, wird aber auch von Schneider kaum abzustellen sein, denn beispielsweise ein Linoleumwerk lässt sich nicht mal eben von den Niederlanden in ein Niedriglohn-Land verlagern. Tatsache ist, dass einige Werke nicht wettbewerbsfähig sind und vielleicht nur noch bestehen, weil die alten Verantwortlichen die hohen Restrukturierungs- bzw. Schließungskosten gescheut haben. Dazu gehören Nairn in Schottland, das als hochdezifitär gilt, auch die kleine Parkettfabrik in Schweden dürfte kein ordentliches Ergebnis bringen, ganz zu schweigen von der Kalander-Anlage im niederländischen Coevorden, einer der größten Fehlinvestitionen der Bodenbelagsbranche. Hier hat Schneider einiges aufzuräumen.

Klebstoffe sind nach seiner Analyse mit zahlreichen Konkurrenten konfrontiert, währen die Sparte selbst noch in der Aufbauphase ist .

Kunststoffbänder sind auf Erstausrüster-Kunden ausgerichtet, die in den letzten Jahren sehr zurückhaltend bei Investitionen sind.

Schneider hat jetzt die Aufgabe, die Strategien und operativen Abläufe zu überprüfen und notwendige Änderungen einzuleiten. Ergebnisse und Personalsituation sollen stabilisiert werden. Dafür hat er ein halbes Jahr Zeit. Dann sollen genauere Schlüsse über eventuelle Strategieänderungen vorgelegt werden, schreibt die Neue Zürcher Zeitung und stellt fest, dass bei der Bilanzpressekonferenz nicht der Eindruck entstanden sei, dass alles umgestellt werden solle. So habe Kiessling darauf hingewiesen, dass die drei Sparten ihre Strategien schon mehr oder weniger erarbeitet hätten. Tatsächlich soll der Verwaltungsrat noch vor gar nicht langer Zeit noch von Kummer angestrengte Verhandlungen über einen Verkauf der Bodenbelagsaktivitäten abgeschmettert haben....
aus BTH Heimtex 03/04 (Personalien)