Erfolgspotenziale in Großhandelskooperationen

Wie Mitglieder und Verbundgruppenzentralen strategische Erfolgspositionen aufbauen

Einzelkämpfer oder Teil einer Gemeinschaft - lohnt es sich für einen Großhändler, einer Kooperation beizutreten oder muss er zu viel von seiner Eigenständigkeit aufgeben? ZGV-Geschäftsführer Peter Schäfer ist überzeugt von den Vorteilen, den ein Anschluss an eine Verbundgruppe bringt und hält ein Plädoyer für Großhandels-Verbünde.

Als Bindeglied zwischen Industrie und Handwerk bzw. Handel nimmt der Großhandel traditionell eine Vielzahl von Funktionen wahr. Durch die Intensivierung des Wettbewerbes hat der intermediäre Handel in der Vergangenheit in nahezu allen Branchen einen erheblichen Funktionswandel vollzogen. Er entwickelte sich vom Vermittler zum Problemlöser, vom reinen Händler zum Dienstleister und Logistiker.

Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen, sondern hat sich in den vergangenen Jahren intensiviert und wird auch noch weiter fortschreiten; bei der Suche nach Erfolgspotentialen für die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen wird der Großhandel auch künftig immer wieder strategische Anpassungen vollziehen müssen, um neue wertschöpfende Funktionen zu schaffen oder sich auf die jeweiligen Kernkompetenzen zu spezialisieren. Die Forderung seiner Kunden nach einer zunehmenden Kollektionenvielfalt bei "Just-in-time"- Lieferfähigkeit, immer kurzfristigeren Bestellzyklen und da-mit Planungsunsicherheit bei gleichzeitiger Konditionenkürzung der Lieferanten setzen den Großhandels zunehmend unter Kostendruck.

Um sich besser auf die Kernkompetenzen konzentrieren zu können und Synergien in Einkauf und Marketing zu erzielen, haben sich viele Großhändler daher in horizontalen Kooperationen zusammengeschlossen. Die Verbundgruppenzentrale ist heute unverzichtbares Bindeglied zwischen den Vertragslieferanten und den Mitgliedsunternehmen geworden.

Doch wie müssen sich die Großhandelskooperationen weiterentwickeln, um die Wettbewerbfähigkeit Ihrer Mitgliedsbetriebe zu sichern? Um das Spannungsfeld darzustellen, in dem sich die Verbundgruppenzentralen befinden, wollen wir aus den umfangreichen Dienstleistungen, die Verbundgruppen für ihre Anschlusshäuser entwickelt haben, exemplarisch die zentralen Funktionen Einkaufsbündelung, Marketing- und Vertriebskonzepte sowie Finanzierung herausgreifen.

Die Stärke des heutigen Fachgroßhandels ist gleichzeitig die Schwäche der Verbund-gruppenzentrale: Unterschiedliche Angebotsstrukturen aufgrund regional abweichender Kundenwünsche, die Nähe zu lokalen Märkten, der persönliche Bezug zum Kunden zeichnen den modernen, erfolgreichen Fachgroßhandel aus.

Für die Zentralen führen unterschiedliche Sortimenter der Mitglieder jedoch dazu, dass Einkaufsvolumina nur unzureichend gebündelt werden können, die Bezugsquoten zu niedrig sind, um gegenüber der Industrie eine starke Verhandlungsposition zu haben und dementsprechende Einstandspreise verhandeln zu können. Auch auf der Marketing- und Vertriebsseite verhindern differierende Fachhandelskonzepte oft eine effiziente Bündelung von Marketing-Aktivitäten.

Daher wird in den meisten Verbundgruppen intensiv diskutiert, wie die Kompetenzverteilung zwischen Großhandel und Zentrale zu gestalten ist und in welchem Umfang der Zentrale von den Mitgliedern die Vereinbarung von Bezugsverpflichtungen eingeräumt werden soll. Dem hohen Gut der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der kooperierenden Händler steht dabei die Notwendigkeit gegenüber, sich als Verbundgruppe gegenüber Filialsystemen und internationalen Konzernen zu behaupten. Nur langsam setzt sich dabei die Einsicht durch, dass die Zentralen nur dann hohe Einkaufskompetenz und ertragsstarke warenunabhängige Dienstleistungen entwickeln können, wenn ihnen von den Mitgliedsunternehmen die Möglichkeit geschaffen wird, auch straffere, effiziente Kooperationskonzepte mit verbindlichen Systemleistungen aufzubauen.

Dazu brauchen die Verbundgruppen nicht nur personelle Kompetenz, sondern auch finanziellen Spielraum und Sicherheit. Eine wesentliche Aufgabe der Verbundgruppen ist es daher, die finanzielle Stabilität der Gruppe zu stärken. Dies geschieht zum einen durch einen engen Informationsverbund zwischen Mitgliedern und Zentrale, zum anderen durch ein Risikomanagement, das ein Frühwarnsystem und ein Debitorenmanagmanagement umfassen muß. Dazu gehört auch der beiderseitige Wille zur Transparenz: Wo die Bereitschaft der Mitglieder fehlt, Jahresabschlüsse und unter-jährige BWA-Kennzahlen der Verbundgruppenzentrale zur Verfügung zu stellen, ist eine effiziente Risikominimierung kaum möglich. Andererseits stellen die Anschlusshäuser den Verbundgruppenzentralen nur dann die notwendigen Informationen zu Verfügung, wenn klar ist, wozu diese verwendet werden und über die strategische Zielsetzung innerhalb der Gruppe Einverständnis herrscht.

Im Mittelpunkt steht schließlich mehr und mehr der Gruppenwert, das heißt, die Verbundgruppe wird von Lieferanten aus der Industrie und dem Bankensektor zunehmend als Einheit wahrgenommen - als eine Leistungsgemeinschaft, die ihre Position durch Eigenkapitalstärkung und weitgehende Innenfinanzierung stärken muss, um in turbulenten Zeiten bestehen zu können.

Auch in Fragen der Mitgliederfinanzierung können die Verbundgruppenzentralen den Anschlusshäusern zunehmend Unterstützung anbieten. Über die klassische Absatzfinanzierung für die Mitglieder hinaus sind in jüngster Vergangenheit diverse Beratungsdienstleistungen und Services rund um die Mittelstandsfinanzierung entwickelt worden.

In diese Richtung zielen auch die Bestrebungen des Zentralverbandes Gewerblicher Verbundgruppen (ZGV), im Bankensektor durchzusetzen, das die Mitglieder von Kooperationen besser geratet werden, als nicht kooperierte Unternehmen, weil die Verbundgruppenmitgliedschaft sich positiv auf das Risikoprofil der Anschlusshäuser auswirkt, wie eine empirische Studie des ZGV belegt.
aus BTH Heimtex 09/04 (Großhandel)