Schlafmythen: Kein Mensch schläft durch

Rund 70 Prozent unserer Gesundheit hängen vom Schlaf ab. Doch viele Menschen leiden unter Schlafstörungen und versuchen, sie mit Alltagsweisheiten zu bekämpfen. Markus Kamps kennt viele solcher Schlafmythen - und weiß, was davon zu halten ist.

Schlaf ist das verbindende Element für alle Gesundheitsthemen. Daher gilt: Ins Bett gehen, wenn man sich müde fühlt! Manche Menschen müssen erst wieder lernen, das natürliche Schlafbedürfnis zu fühlen, das sie oft durch Kaffee oder Medienkonsum überlagern. Sobald ich fühle, dass ich müde bin: ab ins Bett - am besten zeitnah in den nächsten 20 Minuten. Denn Müdigkeit kommt in Wellen, flacht also schnell wieder ab.

Kein Mensch schläft durch, kurze Aufwacheffekte, etwa 30 je Nacht, gehören zu unserem Schlaf. Sie sind ein Relikt aus Urzeiten, ein Schutz: Aufwachen, sehen, ob Gefahr besteht, ob das Feuer noch brennt, weiterschlafen. Die Wachzeiten, die unter drei Minuten liegen, löscht unser Gehirn sofort wieder. Wichtiger als Durchschlafen ist die Schlafdauer.

Auch das Licht spielt eine große Rolle. Häufig höre ich, dass es doch egal sei, ob und wann man draußen war. Das ist es definitiv nicht. Licht ist unser Taktgeber für den Tag: Wird es dunkel, werden wir müde. Aufgrund abendlicher Lichteinflüsse durch Fernsehen, Smartphone etc. kommen wir jedoch aus dem Takt. Daher bitte rausgehen, am besten Morgenlicht tanken und abends auf Kunstlicht verzichten. Stattdessen bietet sich ein Abend-Spaziergang in der Dämmerung an, um sich wieder in Takt zu bringen.

Vier Schlafmythen - und was dahinter steckt

Es gibt viele Alltagsweisheiten zum Thema Schlaf. Zum Beispiel: Ein Glas Wein am Abend erleichtert das Einschlafen. Oder ein gutes Buch kann helfen, wenn man nach zu frühem Aufwachen noch einmal zur Ruhe finden möchte. Aktuelle Studien zu Schlafproblemen und ihrer Lösung widerlegen diese Schlafmythen. Vier Beispiele:

Wer nachts häufig aufwacht, muss nur geduldig
warten. Dann findet er zum Schlaf zurück.

Schwierigkeiten beim Ein- oder durchgängigem Schlafen sind Störungen, die aktiv behandelt werden sollten. Anstelle dazuliegen und abzuwarten, empfehlen Experten daher den Gang in einen anderen Raum und die Beschäftigung mit Musik oder leichtem Sport, wie Yoga oder Tai Chi. Nach etwa 15 bis 20 Minuten stelle sich daraufhin in der Regel ein Gefühl von Müdigkeit ein, das schließlich das Wiedereinschlafen ermögliche. Tritt diese Müdigkeit nicht auf, so sollte man davon absehen, sich wieder wach ins Bett zu legen und das eben beschriebene Programm wiederholen bis es den gewünschten Effekt erzielt.

Ein Gläschen Rotwein zum Dinner oder das Bierchen vor dem Fernseher verschaffen einen ruhigen Schlaf.

Im Gegenteil: Alkohol verändert die natürlichen Schlafzyklen des Menschen, was ihn sogar vom Schlafen abhalten kann. Wie eine Klinik in Cleveland herausfand, beeinflusst die Einnahme von alkoholischen Getränken die so genannte REM-Phase ("Rapid Eye Movement") des menschlichen Schlafzyklus, die für das Träumen verantwortlich ist. Dadurch würden vermehrt Alpträume und unruhiges Schlafverhalten auftreten. Um diesen vorzubeugen, trinken Betroffene mitunter umso mehr Alkohol, da dieser sie ihren unruhigen Schlaf nicht merken lässt. Doch Vorsicht ist geboten. Denn besonders der regelmäßige oder übermäßige Konsum von Alkohol kann ernsthafte Schlafstörungen mit sich bringen.

Ein gutes Buch am Abend hilft beim Einschlafen.
Zur Not tut es auch der Fernseher.

Der Fernsehabend auf der Couch ist bei der Mehrheit der Deutschen die Regel. Doch nicht das Fernsehen oder auch das Lesen von Büchern macht müde. Vielmehr lassen uns diese Tätigkeiten die Müdigkeit übergehen. Das Licht, das die Leselampe oder der Fernseher ausstrahlen, unterdrückt die natürliche Melatonin-Produktion im Körper. Da das Hormon Melatonin unseren Schlafrhythmus steuert und nur bei Dunkelheit entsteht, kann das abendliche Fernsehen oder Bücherlesen somit zu Schlafproblemen führen.

Schlafen kann man nicht genug - und
wer länger schläft, der lebt gesünder.

Das optimale Schlafpensum des Menschen liegt zwischen sieben und acht Stunden pro Nacht. Starke Abweichungen können gesundheitliche Probleme verursachen. So kann das zu kurze Schlafen das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Herzkrankheiten erhöhen. Hingegen können zu ausgedehnte Mittagsschläfchen oder das zu lange Schlafen in der Nacht zu Depressionen und körperlichem Unwohlsein führen. Für einen gesunden Schlaf gilt daher die Regel: Qualität statt Quantität.

Schlafexperte Markus Kamps

Seit mehr als 20 Jahren widmet sich Präventologe Markus Kamps als Schlaf-Experte, Schlafcoach, geprüfter Präventologe und Vortragsredner der Schlaf- und Rücken-Gesundheit. Sein Podcast "Sleep & Perform" ist auf Spotify und Apple-Podcasts zu hören: für mehr Wachheit im Alltag durch erholsame Nächte.
aus Haustex 11/21 (Handel)