Interview mit Henri van Dierdonck, Dries Bossuyt, Jean-Marie Linskens, Hans-Ulrich Alfermann

"Wir sind wieder beim Großhandel zurück"

Associated Weavers ist über den Berg: Nach tiefroten Vorjahren haben die Belgier 2002 den Turnaround geschafft. Das war mit Umstrukturierungen und Einsparungen verbunden, unter anderem der Schließung des tschechischen Werkes. Diese Umbruchphase wurde auch genutzt, um die Aufstellung speziell in Deutschland zu überdenken. Die Folge: Sortiment, Positionierung und Vertriebsstrategie wurden überarbeitet. AW marschiert wieder klar in Richtung Großhandel und erntet dort auch schon die ersten Erfolge. Claudia und Michael Steinert wollten vom Management mehr darüber wissen. Ihre Gesprächspartner waren Henri van Dierdonck, Dries Bossuyt, Jean-Marie Linskens und Hans-Ulrich Alfermann.

BTH Heimtex: Nach tiefroten Vorjahren haben Sie 2002 den Turnaround geschafft und wieder Gewinn eingefahren. Sind Sie jetzt endgültig über den Berg oder hat Sie das schwierige Jahr 2003 wieder zurückgeworfen?

Henri van Dierdonck: Unser Geschäftsjahr geht bis 30. November. Die ersten Monate bis Juni waren sehr schwer und wir haben wieder rote Zahlen geschrieben. Ab Juli wurde es dann etwas besser und im vierten Quartal war eine deutliche Belebung in fast allen Märkten zu spüren, so dass wir im vierten Quartal das gleiche Ergebnis erzielen konnten wie im Vorjahr. Dank des starken vierten Quartals werden wir das Geschäftsjahr auch wieder mit einem Nettogewinn abschließen, obgleich der Umsatz insgesamt um 6% auf 253 Mio. EUR gesunken ist. Das sind aber erst noch vorläufige Zahlen. Das geprüfte Endergebnis wird erst Ende Januar bekanntgegeben. Aber die ganze Branche hat es 2003 nicht einfach gehabt. Auffällig sind die extremen Schwankungen zwischen schwachen und starken Monaten. Wir hatten 2003 einen sehr schlechten Juni und danach den besten Juli seit zehn Jahren, wir hatten im September einige Tage Kurzarbeit und im Oktober und November haben wir Überstunden gefahren. Und das alles mit der gleichen Kollektion und den gleichen Verkäufern. Wie legt man das aus? Die Überkapazitäten in der Branche sind natürlich auch ein Problem. Wobei ich überzeugt bin, dass man trotzdem erfolgreich sein kann, wenn man die richtigen Produkte hat, gute Preise macht, guten Service bietet... Ich glaube, dass wir hier auf einem guten Weg sind und davon nächstes Jahr profitieren werden.

Jean-Marie Linskens: Gerade am Service haben wir konsequent gearbeitet. Da hat es in den letzten Jahren manchmal Probleme gegeben, unter anderem durch die Einführung von SAP und auch durch unser großes Angebot. Die haben wir aber inzwischen behoben. Jetzt können wir unser Sortiment so steuern, dass wir jeden Markt ordentlich bedienen können. Das wird uns übrigens auch von den Kunden bestätigt.

Van Dierdonck: Ich glaube auch, dass sich unser Ruf in puncto Service gebessert hat. Aber letztlich müssen das unsere Kunden beurteilen. Man muss aber auch die Kehrseite der Medaille sehen: Wir sind sehr kreativ und machen gut verkäufliche Produkte. Darunter hat unser Service sicher auch gelitten. Manche unserer Kunden mögen einerseits unsere Schwächen im Service kritisiert haben - zu Recht -, andererseits haben sie von der starken Nachfrage nach unseren Produkten profitiert, die wiederum die Lieferprobleme mit verursacht hat. Wie auch immer: Wir haben an unserem Service gearbeitet und ich hoffe, dass unsere Kunden das auch erkennen und in der nächsten Umfrage von BTH Heimtex bestätigen werden.

BTH Heimtex: Was haben Sie konkret geändert bzw. verbessert?

Dries Bossuyt: Wir haben die Planung verbessert, halten mehr Produkte am Lager, wobei wir gleichzeitig das Sortiment gestrafft haben. Und wir kontrollieren genauer, wie die einzelnen Produkte laufen. Wenn eins nicht mehr genügend gefragt ist, stellen wir es relativ schnell ein.

BTH Heimtex: Aber Sie müssen dem Handel doch eine gewisse Liefersicherheit bieten. Genau das kritisiert er ja.

Van Dierdonck: Das tun wir auch. Sonst wären wir kaum so viel gelistet geworden. Wir sind 2003 mehr gelistet worden als je zuvor. Das beweist, dass unsere Kunden Vertrauen in uns haben. Nicht nur in unsere Lieferfähigkeit, sondern auch in uns als Unternehmen. Und ich finde es in der heutigen Zeit ganz wichtig, das Vertrauen der Kunden zu genießen.

Hans-Ulrich Alfermann: In Deutschland haben wir einen großen Schritt in Richtung Großhandel machen können. Wir sind heute bei jeder Großhandels-Kooperation vertreten, ob Copa Interline, Rigromont oder Proma - und wir sind dort nicht nur mit ein, zwei Positionen drin, sondern mit mehreren.

BTH Heimtex: Bleiben wir mal bei Deutschland. Dort waren Sie früher ganz stark, haben in den letzten Jahren aber massiv verloren. Wie wichtig ist Deutschland heute noch für AW?

Van Dierdonck: Sehr wichtig. Unser größter Markt ist England mit fast 50% Anteil, danach kommt schon Deutschland mit fast 20%, Frankreich und Osteuropa haben zusammen etwas mehr, der Rest verteilt sich auf die übrigen europäischen Länder und internationale Märkte. Ich möchte das auch ein wenig differenzieren, was Sie sagen: Es stimmt, dass wir früher mehr Volumen in Deutschland gemacht haben. Das haben wir zum Teil aber bewusst zurückgefahren. Unser Umsatz ist proportional viel weniger gesunken und dadurch hat sich unsere Profitabilität in Deutschland deutlich verbessert. Wobei es schwer ist, hier profitabel zu arbeiten. Kein anderer Markt ist einerseits so preissensibel und andererseits so teuer. Wir haben heute eine bessere Rendite in Osteuropa als in Deutschland. Ich behaupte, dass Deutschland momentan der Markt ist, wo es Teppichboden am schwersten hat.

Linskens: Nehmen Sie allein das Thema Service, das wir vorhin hatten. In Deutschland wird die Lagerhaltung immer weniger und rückwärts zur Industrie verlagert. Und bei uns explodieren dann die Lagerkosten.

BTH Heimtex: Sie sagten vorhin, Sie hätten beim Großhandel klar zugelegt. Wo liegt Ihr Großhandels-Anteil jetzt?

Van Dierdonck: Momentan sicher zwischen 35 und 40%. Wobei wir dabei auch von Balsan profitiert haben. Die Balsan-Kollektion hat sich sehr akzeptabel entwickelt. Zwar sind wir noch nicht ganz auf dem Niveau wie zum Zeitpunkt der Übernahme, aber nicht weit davon entfernt. Für Balsan ist Deutschland nach Frankreich der zweitwichtigste Markt.

BTH Heimtex: Sie haben selber genug Kapazitäten und Balsan lag damals finanziell am Boden. Was hat Sie trotzdem an dem Unternehmen gereizt?

Van Dierdonck: Es gab zwei Gründe: Erstens die technischen Möglichkeiten wie Fliesenproduktion und Millitron sowie das Know-How, das Balsan vor allem bei Objektprodukten hatte und das uns fehlte und zweitens die starke Marktstellung in Frankreich. Und ich muss sagen, dass wir Balsan schnell gut integrieren konnten. Wir haben vielleicht zwei Monate lang Geld zugeschossen und seitdem ging es nur aufwärts. Also wir sind sehr zufrieden mit der Übernahme.

BTH Heimtex: Die Millitron-Anlage ist nie richtig ins Laufen gekommen, weder bei Besmer noch bei Balsan. Wie nutzen Sie sie?

Van Dierdonck: Nur für das Objektgeschäft und da für Spezialaufträge sowie für unsere Spielteppiche.

BTH Heimtex: Läuft sie kontinuierlich?

Van Dierdonck: Nein, zwischen ein und drei Schichten. Ich wünsche mir, dass sie dreischichtig läuft, aber so weit sind wir noch nicht. Mit diesen Anlagen ist es ja so: Sie sind technisch in der Lage, 100 qm zu fertigen, das Problem ist nur, 40.000 Kunden für diese 100 qm zu finden.

BTH Heimtex: War Balsan technisch auf aktuellem Stand oder gab es dort Investitionsbedarf?

Van Dierdonck: Nein, wir haben nur in sehr geringem Umfang investieren müssen. Das Werk war in den letzten fünf Jahren völlig modernisiert worden, einschließlich der Millitron-Anlage, die gerade von 1/10" auf 1/20" umgestellt worden war.

BTH Heimtex: Wollen Sie mit Balsan in Deutschland nur im Servicegeschäft tätig sein oder auch im Objekt?

Linskens: Auch im Objekt. Wir haben die richtige Produkte dafür und wir verfügen bei Balsan auch über Erfahrung und Know-How für diese Vetriebsschiene.

BTH Heimtex: Und unter welchem Namen?

Van Dierdonck: Wir wollen den Namen Balsan behalten. Es ist schwer, einen guten Namen aufzubauen und wenn man einen hat, sollte man ihn nicht leichtfertig aufgeben.

Alfermann: Das war übrigens auch ein Aspekt bei der Übernahme. Der Name Balsan hatte gerade beim Großhandel immer einen sehr guten, seriösen Ruf. Auch die Produkte von Balsan waren gut eingeführt. Wir haben sofort daran angeknüpft, was uns schon nach vorne gebracht hat. Der Großhandel ist schnell zu uns zurück gekommen.

Van Dierdonck: Noch mal zum Thema Großhandel: Offen gesagt, gab es auch Jahre, in denen wir das Großhandels-Geschäft zu anstrengend fanden. Und wenn wir den Großhandel dann nötig hatten, war er prompt auch nicht da. Den Fehler machen wir nicht mehr. Wir sind wieder zurück beim Großhandel und wir werden dem Großhandel die Qualitäten geben, die er braucht. Das wird auf der Domotex zu sehen sein.

BTH Heimtex: Stichwort Domotex - einige Ihrer belgischen Kollegen haben sich dafür stark gemacht, nur alle zwei Jahre an der Domotex teilzunehmen. Wie stehen Sie dazu?

Van Dierdonck: Ich persönlich finde es etwas arrogant, nicht zur Domotex zu gehen. Natürlich ist die Messe zu teuer, aber für viele unserer Kunden - und wir sind nicht nur für unsere deutschen Kunden in Hannover - ist es die beste Gelegenheit, an Ort und Stelle alle Produkte und Lieferanten zu vergleichen. Deswegen halte ich es für ein Gebot der Fairness den Kunden gegenüber, auf der Domotex auszustellen, damit sie die Möglichkeit zu diesem Vergleich haben. Also: Wenn uns unsere Kunden auf der Domotex brauchen, sind wir da. Wir gehen dorthin, wo unsere Kunden sind.
aus BTH Heimtex 01/04 (Wirtschaft)